Modul 4 » Unsicherheit der Entfernung zu M31

Wir wir schon gesehen haben, ist jede Messung mit einer Unsicherheit behaftet. Das gleiche gilt für jedes Ergebnis, das wir aus gemessenen Daten ausrechnen. Daher ist es wichtig, nicht nur die Unsicherheiten jeder Messung im Blick zu behalten, sondern auch zu analysieren, wie sich diese Unsicherheiten auf ein daraus errechnetes Ergebnis auswirken.

Wir benutzen wieder das vereinfachte Schranken Modell für die Bestimmung der Unsicherheit der Entfernung von M31, d.h. wir rechnen im Folgenden eine obere und eine untere Schranke der Entfernung aus.

Die aus den FHDs abgelesenen Helligkeiten der Horizontaläste von M92 (m1m_1) und M31 (m2m_2) sind jeweils mit einer Unsicherheit behaftet, die wie in den bisherigen Unsicherheitsbestimmungen für die folgende Rechnung abgeschätzt werden muss.

Die Helligkeit plus die entsprechende Unsicherheit ist dann eine obere Schranke für diese Helligkeit und die untere Schranke ist die Helligkeit minus die Unsicherheit.

In der Berechnung der Entfernung von M31 kommt der Faktor 10m2m1510^{\frac{m_2 - m_1}{5}} vor. Dessen obere Schranke im Kontext der Unsicherheiten von m1m_1 und m2m_2 erhalten wir, wenn wir für m1m_1 dessen untere Schranke und für m2m_2 dessen obere Schranke einsetzen. Andersherum erhalten wir die untere Schranke von 10m2m1510^{\frac{m_2 - m_1}{5}}.

Setzt Du die beiden Schranken in die Gleichung

D2/D1=10m2m15D_2/D_1 = 10^{\frac{m_2-m_1}{5}}

ein, erhalten wir also auch die Schranken für das Verhältnis D2/D1D_2/D_1.

Wie wir auch schon in den vorherigen Unsicherheitsbestimmungen besprochen haben, ist die absolute Unsicherheit dann die Hälfte der Differenz der oberen und unteren Schranke von D2/D1D_2/D_1. Daraus ergibt sich auch schließlich die relative Unsicherheit als das Verhältnis der der absoluten Unsicherheit zum Mittelwert von D2/D1D_2/D_1.

Damit hast Du die Unsicherheit des Entfernungsverhältnisses zwischen M31 und M92 berechnet.

Fassen wir nun zusammen: die Entfernung von M31 können wir durch folgende Gleichung berechnen:

DM31=DM4DM92DM4DM31DM92D_{\textrm{M31}} = D_{\textrm{M4}} \cdot \frac{D_{\textrm{M92}}}{D_{\textrm{M4}}} \cdot \frac{D_{\textrm{M31}}}{D_{\textrm{M92}}}

Diese Frage ist gar nicht leicht zu beantworten! Man könnte wie bisher einfach eine obere und eine untere Schranke ausrechnen. Die obere Schranke für DM31D_{\textrm{M31}} ergibt sich ja ganz eindeutig wenn alle der drei Komponenten so groß wie möglich sind. Dabei würden wir die Unsicherheit aber grob überschätzen, wir stoßen hier an die Grenze von unserem anschaulichen Schranken-Modell. Denn tatsächlich sind die Fehler, die bei der Bestimmung der drei Komponenten passieren, zu einem gewissen Teil von einander unabhängig. Das bedeutet, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass die Fehler der drei Komponenten alle ihren größten Wert annehmen. Wahrscheinlicher ist, dass wir zwar eine beliebige der Komponenten überschätzen, dafür aber eine andere beliebige Komponente unterschätzen. Und in so einem Fall würden sich die Fehler der Komponenten zum Teil aufheben, so dass der Fehler auf DM31D_{\textrm{M31}} gar nicht so groß ausfällt.

Etwas genauer gesagt kann die Unsicherheit auf DM31D_{\textrm{M31}} nur berechnet werden, wenn wir Annahmen zu den Wahrscheinlichkeitsverteilungen (und deren Abhängigkeiten) aller Unsicherheiten machen. Eine einfache Lösung könnte wie folgt aussehen. Nehmen wir an, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Unsicherheiten der drei Komponenten jeweils einer Normalverteilung folgen, und dass alle diese Unsicherheiten von einander unabhängig sind. Außderdem interpretieren wir unsere bisher errechneten Unscherheiten als Standardabweichungen (also typische Abweichungen, und nicht Schanken). Die Unsicherheit eines Produktes g=abcg = a \cdot b \cdot c ist dann durch folgende Gleichung gegeben:

g=abc(σgg)2=(σaa)2+(σbb)2+(σcc)2.g = a \cdot b \cdot c \qquad \rightarrow \qquad \left(\frac{\sigma_g}{g}\right)^2 = \left(\frac{\sigma_a}{a}\right)^2 + \left(\frac{\sigma_b}{b}\right)^2 + \left(\frac{\sigma_c}{c}\right)^2.

Die relative Unsicherheit σg/g\sigma_g/g wird hier durch die sogenannte "geometrische Summe" der relativen Unsicherheiten σa/a\sigma_a/a, σb/b\sigma_b/b und σc/c\sigma_c/c gebildet. Diese geometrische Summe ist kleiner als die "normale" Summe der relativen Unsicherheiten! Interessanterweise würde in unserem Schranken-Modell die relative Unsicherheit σg/g\sigma_g/g dieser normalen Summe der relativen Unsicherheiten σa/a\sigma_a/a, σb/b\sigma_b/b und σc/c\sigma_c/c ensprechen. Diese Berechnung wäre aber wie eben besprochen zu pessimistisch, da sie die Unsicherheit überschätzen würde.

All die Mathematik sollte uns hier aber nicht von einem wichtigen Punkt ablenken: die schwierigste Aufgabe beim einschätzen einer Unsicherheit liegt oft darin, keine wichtige Fehlerquellen ganz zu übersehen! Natürlich muss die Fortpflanzung der Unsicherheiten dann auch korrekt berechnet und beschrieben sein. Vereinfachende Annahmen sind dafür aber oft ausreichend.

Respekt, dass du bis hierhin gekommen bist!


Letzte Aktualisierung: 2025-07-02 10:48