Modul 2 » Sternentwicklung und Farben-Helligkeits-Diagramm

Sterne erscheinen uns unterschiedlich hell, und das sowohl wegen ihrer unterschiedlichen Entfernungen, als auch wegen ihrer tatsächlich sehr unterschiedlichen absoluten Helligkeiten (siehe vorherige Seiten). Außerdem haben Sterne unterschiedliche Farben.

Du weißt inzwischen grob, wie man diese scheinbare Helligkeiten und Farben messen kann. Und du weißt, dass die Farbe eng mit der Oberflächentemperatur der Sterne zu tun hat (je heißer der Stern, desto blauer die Farbe). Schon mit diesen Grundkenntnissen können wir ein verblüffendes Diagramm erstellen, das uns viel über Sternentwicklung verraten wird: ein Farben-Helligkeits-Diagramm.

Das Farben-Helligkeits-Diagramm

Das Farben-Helligkeits-Diagramm (abgekürzt FHD) ist ein Streudiagramm, in dem jeder Stern mit einem Punkt dargestellt ist. Dabei wird die x-Koordinate durch die Farbe des Sterns bestimmt (rot ist immer rechts), und die y-Koordinate durch seine Helligkeit (hell ist immer oben). Um die einfachste Variante eines FHDs zu erstellen, nehmen wir hierfür die scheinbare Helligkeit – also nur das, was wir im Prinzip mit einem Teleskop direkt messen können.

Wie in der folgenden Darstellung ganz links gezeigt, würden sich Sterne in so einem FHD in einer Punktwolke verteilen. Wenn wir so ein Diagramm mit zufällig ausgewählten Sternen des Nachthimmels erstellen, sollten wir nicht erwarten, irgendeinen Zusammenhang zwischen Helligkeit und Farbe erkennen zu können. Schließlich ist jeder Stern unterschiedlich weit von uns entfernt. Sein Farbindex wird durch die Entfernung zwar nicht beeinflusst, wohl aber seine Helligkeit. Somit landen die Punkte je nach Entfernung bei fast beliebigen y-Koordinaten.

Einfaches FHD, und dessen luxuriöser große Bruder: das Hertzsprung-Russell-Diagramm

Die Situation ist allerdings eine ganz andere, wenn wir ein FHD von einem Sternhaufen erstellen (mitte der Darstellung)! Da die Sterne eines Sternhaufens räumlich sehr nahe beieinander liegen, haben sie alle die gleiche Entfernung zu uns. In diesem Fall sagt ihre scheinbare Helligkeit (ob sie uns hell oder dunkel erscheinen) sehr wohl etwas über ihre absolute Helligkeit (ihre tatsächliche Leuchtkraft) aus. Wir können aus so einem einfachen FHD also Zusammenhänge zwischen den intrinsischen Eigenschaften Leuchtkraft und Farbe lernen, obwohl wir dafür nur die scheinbare Helligkeit in zwei Filtern messen mussten.

Solche Zusammenhänge zwischen Farbe und Leuchtkraft bedeuten, dass sich die Sterne eben nicht überall im FHD verteilen, sondern wiedererkennbare Strukturen bilden. An dieser Stelle müssen wir dir jetzt unbedingt den "großen Bruder" des FHDs vorstellen. Dieser enge Verwandte heisst "Hertzsprung-Russel-Diagramm" (abgekürzt HRD), und ist schlichtweg das wichtigste Diagramm der Astrophysik! Es ist oben ganz rechts schematisch dargestellt.

Zum erstellen eines HRDs wird die tatsächliche Leuchtkraft (also die absolute Helligkeit) und die Oberflächentemperatur (statt der Farbe) verwendet. Das hat den Vorteil, das es im HRD wirklich um Sterneigenschaften geht, und diese für alle Sterne unabhängig von Entfernungen oder Filtern verglichen werden können. Daher können auch theoretische Modelle zu Sternen in einem HRD betrachtet werden, und in einem HRD können auch Sterne mit unterschiedlichen Entfernungen verglichen werden. Der Nachteil des HRDs bei der Arbeit mit echten Daten ist allerdings, dass Leuchtkraft und Oberflächentemperatur erst mal aus den Beobachtungen errechnet werden müssen. Ein FHD lässt sich dagegen direkt aus den Beobachtungsdaten erstellen. Wie in der obigen Illustration schon angedeutet, werden wir im FHD eines Sternhaufens die selben Strukturen sehen, die auch im HRD des gleichen Sternhaufens zu finden wären, da in diesem Fall die Entfernung für alle Sterne gleich ist.

Eine erster Überblick der Sternentwicklung

Bevor wir unsere eigenen FHDs erstellen, befassen wir uns nun kurz mit dem "Leben" von Sterne. Dadurch können wir die große Vielfalt der Sterne verstehen und einordnen.

Beginnen wir mit der Entstehung von Sternen. Ein Stern entsteht, indem eine riesige Molekülwolke (hauptsächlich Wasserstoff und Helium) durch Schwerkraft in sich zusammenfällt. Die Materie dieser Wolke wird dabei stark verdichtet, sie erhitzt sich, und fängt an zu glühen. Letztendlich beginnt tief in ihrem Inneren die Kernfusion, die Wasserstoff in Helium umwandelt, dabei Energie freisetzt, und so das weitere Zusammenfallen der Materie aufhält: der Stern ist geboren. Da er Licht abstrahlt, können wir unseren jungen Stern beobachten, und seine Helligkeit (oder Leuchtkraft) und Farbe (oder Oberflächentemperatur) bestimmen. Wir können ihn also nun auch in ein HRD eintragen.

Bemerkenswert ist hierbei, dass diese neuen Sterne nicht irgendwo im HRD auftauchen, sondern entlang einer schmalen Linie die sich diagonal durch das HRD zeiht, von links oben bis rechts unten: die sogenannte Hauptreihe. Schauen wir uns das auf dem HRD an.

Hertzsprung-Russel-Diagramm
Die absolute Helligkeit ist hier in Sonnenleuchtkraft angegeben: so liegt z.B. der Stern Spica (oben links) auf der y-Achse etwas über 1000, was bedeutet, dass er mehr als 1000 mal die Leistung unserer Sonne abstrahlt. Auf der y-Achse ist die Oberflächentemperatur angegeben. Wie wir schon besprochen haben liegt die Sonne hier bei ungefähr 5800 K. Unsere Sonne ist also weder besonders hell, noch besonders heiß. Achtung: die Größe der eingezeichneten Sterne ist nicht Maßstabsgerecht: Riesen und Überriesen sind mehrere hundert mal Größer als Hauptreihensterne. Bildquelle: basierend auf einer Illustration der ESO / Project Andromeda.

Sternmasse entlang der Hauptreihe

Wo genau sich der junge Stern auf der Hauptreihe befindet, wird hauptsächlich durch einen einzigen Parameter bestimmt. Es ist zugleich der grundlegendste Parameter, der über das ganze zukünftige Leben des Sterns entscheiden wird: seine Masse. Massereiche junge Sterne sind sehr hell und heiß (oben links), und leichtere Sterne sind dunkler und kühler (unten rechts). Im obigen HRD zeigen dir die grünen Zahlen, welche Masse Sterne entlang der Hauptreihe haben. Die Masse wird dabei in Sonnenmassen angegeben. Daher liegt die Sonne bei dem Wert von 1. Der Stern Spica (oben links) erreicht mehr als das 10-fache der Sonnenmasse.

Leuchtkraft und Farbe eines jungen Sterns hängen also grob gesehen nur von seiner Masse ab. Aber wie kommt es dazu? All diese jungen Sterne "funktionieren" auf die selbe Art und Weise: sie fusionieren in ihrem Kern Wasserstoff zu Helium, und kommen so zu ihrer benötigten Energie. Je massereicher ein Stern ist, desto heftiger läuft diese Reaktion ab, und desto mehr Energie produziert er. Ein Massereicher Stern ist daher hell und heiß, und oben links auf der Hauptreihe angesiedelt.

Lebensdauer entlang der Hauptreihe

Während des größten Teils seines Lebens verändert ein Stern seine Position im HRD kaum: er bleibt auf der Hauptreihe sitzen. Erst wenn der Wasserstoff im Zentrum (genannt Kern) des Sternes aufgebraucht ist, und die bisherige Fusionsreaktion also nicht unverändert weiterlaufen kann, wird er die Hauptreihe verlassen.

Wie eben schon erwähnt verläuft die Fusionsreaktion bei massereichen Sternen allerdings viel heftiger. Und so kommt es zu einer etwas unintuitiven Tatsache: bei massereichen Sternen kommt dieser Zeitpunkt viel früher. Je massereicher der Stern, desto schneller verbraucht er das Wasserstoff in seinem Kern (obwohl er insgesamt aus viel mehr Wasserstoff besteht), und desto kürzer ist sein Leben! Die Lebensdauer entlang der Hauptreihe ist im obigen HRD in magenta angegeben, in Jahren. Unsere Sonne liegt bei ungefähr 101010^{10} (also zehn Milliarden) Jahren. Da sie aber erst 4,5 Milliarden Jahre alt ist, wird sie also rund nochmal so lange auf der Hauptreihe verbleiben können. Einige schwere Sterne leben dagegen nur wenige Millionen Jahre.

Riesen, und die Zeit nach der Hauptreihe

Die Beschreibung der nächsten Entwicklungsstadien, nach dem dasein auf der Hauptreihe, ist etwas komplizierter, da sie sich je nach Sternmasse unterschiedlich (und unterschiedlich schnell) abspielen. Wir werden uns daher hier nur auf die Entwicklung von eher massearmen Sternen konzentrieren, wie unserer Sonne. Denn diese diese Entwicklung werden wir tatsächlich in unseren FHDs "sehen" können!

Nachdem der Wasserstoff im Kern verbraucht ist, findet die gleiche Fusionsreaktion nicht mehr im Kern, sondern in einer Schale um den Kern herum statt. Dabei dehnt sich der Stern aus, und wird zu einem roten Riesen: unser Stern wandert von der Hauptreihe nach "rechts oben" im HRD: er wird heller, aber auch kühler.

Bei vielen Sternen startet dann ein weiterer Fusionsprozess in ihrem Kern: das dortige Helium wird in Kohlenstoff umgewandelt. Dadurch wandert der Stern wieder etwas nach links unten: seine Oberfläche wird heißer, und seine Leuchtkraft nimmt ab. Das wichtige für unser Projekt ist nun, das seine Leuchtkraft in diesem Stadium nicht stark von seiner Masse abhängt. Alle "Helium-brennende" Sterne haben ungefähr die gleiche Leuchtkraft. Wie wir im nächsten Modul im Detail besprechen werden, ist so ein Entwicklungsstadium mit einer gut bekannten Leuchtkraft sehr nützlich. Wenn wir es schaffen, diese helium-brennenden Sterne zu identifizieren, können wir daraus ihre Entfernung abschätzen.

Das genial informative FHD eines Kugelsternhaufens

Nach diesem Exkurs zur Sternentwicklung kommen wir nun zurück zum FHD eines Kugelsternhaufens. Was hat dieses FHD mit Sternentwicklung zu tun?

Wenn du in einem Wald spazieren gehst, kannst du die Bäume nicht wachsen sehen. Aber du siehst Bäume unterschiedlicher Größen, mit und ohne Früchten, umgefallene Bäume, verrottendes Holz, keimende Eicheln, und vieles mehr. Daraus könntest du dir auch als Alien sehr wohl ein zusammenhängendes Bild machen, wie sich Pflanzen entwickeln. Und so ist es auch bei Sternen. All die soeben beschriebenen Entwicklungsstadien von Sternen spielen sich im Vergleich zu einem Menschenleben extrem langsam ab. An einem einzelnen Stern können wir diese Entwicklung daher nicht "miterleben". Auch unsere ganze Zivilisation könnte nicht einfach abzuwarten, dass sich bei einem Stern etwas tut...

Stattdessen müssen wir den ganzen Sternhaufen betrachten. Nehmen wir an, die Sterne eines Sternhaufens sind zeitgleich entstanden. Nehmen wir weiter an, dass die Massen dieser Sterne breit verteilt sind: es gibt also schwere und leichte Sterne. Diese Sterne würden nach ihrer Geburt eine wunderschöne komplette Hauptreihe in einem HRD bilden. Wenn wir in diesem Gedankenexperiement nun die Zeit "vorspulen", wird nach ein paar Millionen Jahren den ersten massereichen Sterne (ganz oben links) der Wasserstoff im Kern ausgehen. Diese verlassen dann also die Hauptreihe. Wenn wir die Zeit weiter laufen lassen, werden Schritt für Schritt immer leichtere Sterne das gleiche Schicksal erleiden. Die Hautpreihe wird also von oben links aus progressiv verschwinden.

So würde das in einem FHD aussehen:

Schematisches Farben-Helligkeits-Diagramm eines Kugelsternhaufens
Wie du siehst fehlt der obere Teil der Hauptreihe, über dem "Abknickpunkt"! Kurz nach Entstehung des Sternhaufens waren dort zwar die massereichen Sterne zu finden (gestrichelt eingezeichnet), aber diese haben sich inzwischen weiterentwickelt, und sind nun "rote Riesen" oder sogar schon auf dem Horizontalast.

Je nachdem, wo wir den Abknickpunkt in einem FHD sehen (oder ob wir ihn überhaupt sehen), können wir also sogar das alter der Sterne des Sternhaufens einschätzen. Auf diesen Punkt kommen wir im dritten Modul nochmal zurück.

Soweit die Theorie. Wie das erstellen eines FHDs in der Praxis aussieht, erfährst du auf den nächsten Seiten.


Letzte Aktualisierung: 2022-02-18 11:47