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Web-Projekt     Physik des Monats             Januar


Astrophysik

Thema 2: Physik der Sterne

Sterne sind leuchtende Gaskugeln. Ihre Struktur wird aufrecht erhalten durch die Bilanz zweier Kräfte: die von der eigenen Masse ausgeübte Schwerkraft und der entgegenwirkende innere Gasdruck.

Sterne erzeugen die für die Strahlung benötigte Energie selber. Die Struktur der Sterne lässt sich in drei Teile zerlegen:

Von Sternen sehen wir nur die Oberfläche; das Innere ist bislang verborgen geblieben.

Das Sterninnere

Im Zentrum eines Sterns ist die Temperatur derart hoch (meistens mehr als 10 Millionen Grad), dass die Kerne der vollionisierten Atome miteinander wechselwirken und es zu Kernfusionen kommt, und dabei wird Energie freigesetzt.
Es ist eigentlich so, dass die Schwerkraft die Sternmaterie über die Kerfusion zu einem Zustand geringerer Energie zwingt. Die von einem Stern abgestrahlte Energie kann man daher als verwandelte gravitative Energie betrachten.

Die Erforschung der Einzelheiten der Kernfusion gehört zum Bereich der Kernphysik. Im Zentrum der Sonne wird durch Fusion Wasserstoff (H) zu Helium (He), wobei die Masse des He-Atoms etwas geringer ist als die Masse der vier benötigten H-Atome. Der Massenunterschied führt wegen E=mc2 (siehe bei Relativitätstheorie) zu der Verwandlung von Masse in Energie. Die Fusion von H zu He (1937 theoretisch geklärt durch Bethe und von Weizsäcker) läuft über verschiedene Prozesse. Der wichtigste ist die sogenannte Proton-Proton-Kette. Darin verschmelzen H-Atome über Zwischenschritte zu He.

          Die Fusion der Wassertstoffatome zu Heliumatome läuft in der Sonne über die Proton-Proton-Kette. Zusätzlich werden noch Neutrinos freigesetzt   (Bild aus Staguhn)

Bei massereichen Sternen, die eine höhere innere Temperatur haben, dominiert der C-N-O-Zyklus bei der Bildung des Helium aus Wasserstoff. Hier wirkt Kohlenstoff wie ein Katalysator: Es nimmt ein Proton auf und über verschiedene Zerfallsprozesse, Aufnahme weiterer Protonen und mit N und O als Zwischenstufen wird am Ende ein He und das C freigesetzt. Bei diesen Prozessen werden auch Neutrinos abgestrahlt, die in Neutrinodetektoren nachgewiesen werden können (siehe Teilchenphysik und Astro-Teilchenphysik). In massereichen Sternen sind innere Temperatur und innerer Druck hoch genug, um auch schwerere Elemente über Kernfusion zu erzeugen (1957 theoretisch geklärt durch Burbidge, Burbidge, Fowler und Hoyle in einer Publikation bekannt als B2FH).

Die Hülle

Die im Zentrum produzierte Energie wird als Strahlung an die Umgebung abgegeben. Das Gas im Sterninneren ist gut in der Lage die Strahlung zu absorbieren, um sie dann wieder zu emittieren, so dass die Energie nur langsam in Richtung Sternoberfläche diffundiert. Der Bereich zwischen Sterninneren und Sternatmosphäre ist gewissermassen passiv.

Die Sternatmosphäre

Die Schichten eines Sterns dicht an der Oberfläche sind beschränkt durchsichtig. Sie wirken wie Nebel: Bei dickem Nebel kann man nicht durch schauen, bei dünnem einigermassen. Nur aus den obersten Schichten gelangt Strahlung nach aussen. Auf solche Strahlung werden dann durch die Atome Merkmale des Oberflächengases in Form von Absorptionen aufgeprägt. Sie liegen bei wohldefinierten Wellenlängen und entstehen dadurch, dass Elektronen der Atome der Sternatmosphäre eine genau bestimmte Energie aufnehmen können: Das Atom wird in einen angeregten Zustand versetzt. Die Einzelheiten dieser atomaren Prozesse gehören zum Bereich der Atomphysik.

Diese Absorptionslinien der Sternatmosphäre sind in spektroskopischen Aufnahmen der Sterne zu sehen. Die heute noch gültige Harvard-Spektralklassifikation wurde von Cannon entwickelt. Die Untersuchungen der Struktur der Sternatmosphären wurden ganz wesentlich von Unsöld geprägt. Die Interpretation der Spektren liefert Information über Temperatur, Druck und Dichte des Gases der Sternatmosphäre.

Die Sonne

Es ist, selbstverständlich, sehr viel über die Atmosphäre der Sonne bekannt. Dauerhaft werden an vielen Sonnenobservatorien neue Daten gewonnen. Einige Links: zum Satellitenobservatorium SOHO sowie zu täglich neuen SOHO Aufnahmen der Sonne; zum Kippenheuer Institut für Sonnenphysik.
Weiter der Link zu Sonnenphysik und Erdklima.

Gesamtstruktur der Sterne, Lebenserwartung

Zum Verständnis der Gesamtstruktur der Sterne haben viele Astrophysiker beigetragen. Von grosser Bedeutung war Eddington, der die Masse-Leuchtkraft-Beziehung der Sterne entdeckte. Diese Beziehung besagt, dass die Leuchtkraft L proportional zu M3 (mit M gleich Masse des Sterns) ist. Daraus folgt, dass Sterne, die ihr Leben mit viel Masse anfangen und deswegen mehr Brennstoff (Masse) vorrätig haben, dennoch eine kürzere Lebenserwartung haben als Sterne die mit wenig Masse anfangen. Sterne mit mehr Masse brauchen eine höhere interne Temperatur um einen stabilen Zustand zu bewahren, und bei höherer Temperatur laufen die Kernfusionsprozesse rasant schnell ab. Die Lebenserwartung eines Sterns ist deswegen proportional zu 1/M2.

Ein sogenannter ``Planetarischer Nebel'' ist eine leuchtende Gaswolke um einen schrumpfenden, alten Stern mit hoher Temperatur an der Sternoberfläche. Als ``roter Riese'' (das Stadium vor dem mit Planetarischem Nebel) hat der Stern die äussere Hülle des Sterns in die Umgebung abgeblasen.
(Bild Ringnebel im Sternbild Leier; Aufname Hubble Space Telescope, HST)

       

Sterne wie die Sonne blähen sich nach längerer Zeit auf, werden zu Roten Riesen, verlieren Materie, und schrumpfen dann wieder zu einem kompakten Objekt. Im Zentrum wird dann Helium über Kernfusion in Kohlenstoff verwandelt. Nach einer weiteren Phase als Roter Riese bleibt ein kontrahierender Stern. Dessen heisse Oberfläche strahlt die weggeblasene Materie an, die dann selber zum Leuchten angeregt wird. Die leuchtende Gase werden Planetarischer Nebel (siehe Bild) genannt. Die Sonne (mit selbstverständlich 1 Mo = eine Sonnenmasse) ist etwa 4.5 Milliarden Jahre alt und wird insgesamt etwa 9 Milliarden Jahre leben. Das Endstadium, das 2-3 Milliarden Jahre später erreicht wird, ist das eines Weissen Zwerges.

Sterne, die mit weniger als einer Sonnenmasse anfangen, können weit älter werden.

Supernovae

Massereiche Sterne (mit etwa 50 Mo an Materie) haben eine Lebenserwartung von etwa 1 Million Jahren. Sie beenden ihr Leben nach vielen Zwischenstufen (Roter Riese, Blauer Überriese, AGB-Stern, WR-Stern) mit einer Explosion, als Supernova. Im Zentrum findet eine Implosion statt: Bei sehr hoher Temperatur und hohem Druck fangen Protonen die freien Elektronen ein. Dadurch entstehen Neutronen (siehe auch Kernphysik). Das Innere des massereichen Sterns stürtzt ein und es bildet sich so ein Neutronenstern. Die Hülle fällt auch hinein, wird dann wie bei Schusser zurück- und herausgeschleudert. Dies ist ein Supernova-Ereignis. Als stellarer Überrest bleibt der schnell rotierende Neutronenstern, der sich meistens als Pulsar bemerkbar macht. Beim Elektroneneinfang werden auch Neutrinos freigesetzt. Die Neutrinos von der Supernova 1987A in der Grossen Magellanschen Wolke wurden in Neutrinodetektoren (z.B. Kamiokande) nachgewiesen.
Link zu Bildern mit Supernova 1987A (siehe Bildchen des Überrestes von SN 1987A) und zu Neutronensternen, deren Zentralbereich wohl ein Quark-Gluon-Plasma enthält (siehe Kernphysik)).

       

Bild der leuchtenden Gasstrukturen um Supernova 1987A in der Grossen Magellanschen Wolke. Die zentrale helle Quelle ist die sich ganz schnell ausdehnende Sternhülle. Die helle weisse Sterne gehören der Umgebung an, haben nichts mit der Supernova zu tun. Die Ringe sind von der Supernova angeleuchtete Strukturen, deren Ursprung noch immer ungeklärt ist.
(Aufnahme Hubble Space Telescope, HST )

Viele Sterne kommen als Doppelsterne vor. Die zwei Sterne bewegen sich umeinander und haben sonst ein nahezu unabhängiges Leben. Der massereichere wird zuerst zu einer Supernova und es bleibt ein Paar bestehend aus einem Neutronenstern und einem normalen Stern. Der normale leichtere Stern entwickelt sich weiter, wird zu einem Roten Riesen und überträgt dann Materie auf den Neutronenstern. Dessen Masse wächst dadurch und so kann er zu einem Schwarzen Loch werden. Die Physik der Materie in solchen Objekten ist Bestandteil der Teilchenphysik.

Kalibration der Sternparameter

Bevor die Physik der Sterne auf feste Füsse gestellt werden konnte, musste die Gesamtstrahlung der Sterne im absoluten Sinne bestimmt werden. Dies erforderte die Messung der Entfernungen. Erst nachdem für ausreichend viele Sterne parallaktische Entfernungen bekannt waren, konnten Hertzsprung und Russell geeichte Diagramme erstellen, später bekannt als Hertzsprung-Russell Diagramme. Sie erlauben es, direkt aus Beobachtungen die Parameter der Sterne abzuleiten .

Theoretische Modellierung führte dann zum Verständnis der Gesamtstruktur. Die Struktur eines Sterns wird letztendlich bestimmt durch a) die Anfangsmasse, b) das Alter, c) die ursprüngliche chemische Zusammensetzung, in Reihenfolge der abnehmenden Bedeutung.

Das was wir von den Sternen sehen ist nur deren Oberfläche, die eben nur das tut, was wegen den Anfangsbedingungen und die darauffolgende Entwicklung (dominiert durch das was im Inneren passierte) von der notwendigen Bilanz zwischen inneren Druck, Energiestrom und Gravitation bestimmt wird.


Bücher und Aufsätze zum hier behandelten:
- Chown, M., 1999, The magic furnace (wie die Energiequelle der Sonne gefunden wurde), Jonathan Cape Verlag, ISBN 0224042068
- Staguhn, G., 2000, Die Jagd nach dem kleinsten Baustein der Welt, Hanser Verlag, ISBN 3-446-19902-0
- de Boer, K.S., 2001, in Von der Geburt bis zum Tod der Sterne, "...und er würfelt doch! Die Erforschung des ganz Grossen, des ganz Kleinen und des ganz Vielen"; Müller-Krumbhaar H., Wagner H.-F., (Hrsg.), ISBN 3-527-40328-0, WILEY-VCH Verlag Berlin GmbH, D-13086 Berlin; p. 71-83
- de Boer, K.S., 2001, Das Hertzsprung-Russell-Diagramm und das Maß der Sterne, Astronomie+Raumfahrt, Heft Dez, 2001
"Nobelpreis Physik 2002: Neutrinos und Röntgenastronomie"

Nachschlagwerke:
- Pannekoek, I., 1961, A history of astronomy, Allen and Unwin, London
- Paturi, F., 1996, Harenberg Schlüsseldaten Astronomie, Harenberg Lexikon Verlag, ISBN 3-611-00537-1
- Simony, K., 1990, Kulturgeschichte der Physik, Verlag Harry Deutsch, Thun Frankfurt a.M., ISBN 3-87144-689-0

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Siehe auch Aufsätze und Links


Autor: K.S. de Boer       Sternwarte, Universität Bonn, Auf dem Hügel 71, D-53121 Bonn
mail to: deboer@astro.uni-bonn.de
Veröffentlicht am 2000.01.14 im Jahr der Physik auf www.astro.uni-bonn.de/~deboer/pdm/pdmastro.html
Verschiedene Anpassungen und Textkorrekturen bis Juni 2004, zu einer selbständigen Seite gemacht im Juli 2004.
Fassung 2014.10.27