Web-Projekt     Physik des Monats             Januar

Astrophysik

Thema 1: Gravitation und Struktur des Raumes

Die Bildung von Strukturen im Universum wird von der Gravitation bestimmt. Stellen wir uns gigantische Materiewolken im Universum vor, so werden solche Wolken durch die Wirkung der Gravitation zusammengehalten. Unter günstigen Bedingungen werden sie zu kompakteren Strukturen kontrahieren und so können sich Galaxien und darin Sterne oder Planeten bilden.

Sterne sind stabile kugelförmige Gebilde. Die stabile Struktur wird durch das Gleichgewicht der zusammenziehenden Wirkung der Gravitation und der auseinandertreibenden Wirkung des Gasdrucks im sehr heissen Sterninneren bestimmt.

Gravitation

Die Darstellung der Gravitation als anziehende Kraft zwischen Massen verdanken wir der Kombination von Newtons Einblick in die Mathematik und den vielen vorhandenen genauen Messungen. Zu letzteren gehören Messungen an Planetenbahnen (z.B. Kepler), am freien Fall (Galilei), am Pendel (z.B. Huygens) sowie den darauf basierenden Beschreibungen ihrer Gesetzmässigkeiten. Zu der damaligen Diskussion um das Weltbild (Sonne im Zentrum des Planetensystems) siehe Sobel (1999). Newton hat die Gravitation als eine fundamentale Kraft gesehen, die vieles im täglichen Leben bestimmt. Aus dem von ihm entwickelten Formalismus für Gravitation konnte er alles Bekannte im Bereich der Mechanik ableiten sowie zu Vorhersagen kommen, die man mit Experimenten überprüfen kann.

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zu Planetenbahnen

Bahnen der Planeten unseres Sonnensytems

      [Link zu einer Beschreibung des Sonnensystems in Aufsicht (auf englisch)]

Die Gravitation war die physikalische Theorie, die gebraucht wurde, um die ersten astronomischen Beobachtungen, die Bewegungen der Planeten, zu erklären. Aus den Beobachtungen Tycho Brahes leitete Kepler seine Gesetze der Planetenbewegung ab. Auch an unserem Planetensystem ist ersichtlich, dass gravitative Systeme über einen grossen Zeitraum stabil sind. Die aus den Bewegungen der Planeten abgeleiteten Grössenverhältnisse bilden auch heute noch die Grundlage der Entfernungsbestimmung im Weltall.

Relativitätstheorie

Ein sehr wesentlicher Schritt zu dem Verständnis der Auswirkung der Gravitation geht auf die Allgemeine Relativitätstheorie von Einstein zurück. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte er aus der Erforschung des Elektromagnetismus und der gemessenen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit die Spezielle Relativitätstheorie, die insbesondere Phänomene bei grossen Geschwindigkeiten gegenüber der Newtonschen Theorie anders beschreibt. Die Auswirkung, die relativistische Geschwindigkeit auf die Wahrnehmung hat, kann in Modellierungen zur Raumzeitverzerrung angeschaut werden, z.B. über den Link zu der in Tübingen entwickelten Relativitätsgalerie.

Raumkrümmung

Es gelang allerdings zunächst nicht, die Gravitationskraft innerhalb der Speziellen Relativitätstheorie konsistent zu beschreiben. Es brauchte 10 Jahre harter Arbeit, bis Einstein eine geniale Lösung dieses Problems fand. Seine Allgemeine Relativitätstheorie von 1915 postulierte, dass Gravitation als Krümmung des Raumes beschreibbar ist. Die Gravitationskraft wird also durch die Krümmung des Raumes in der Umgebung grosser Massen (z.B. Sterne) hervorgerufen. Die Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt neben der lokalen Wirkung der Gravitation auch die Struktur des Raumes auf grossen Skalen, so z.B. auch die Struktur des Universums. Alle heute ernsthaft diskutierten Weltmodelle basieren auf den Gesetzen der Einsteinschen Theorie, die sich bei allen Tests durch Messungen extrem gut bewährt hat.

Lichtablenkung

Einsteins Relativitätstheorie machte die erstaunliche Vorhersage, dass das nahe am Sonnenrand vorbei strahlende Sternlicht durch die Raumkrümmung in der Nähe der Sonne messbar abgelenkt werden würde. Dies wurde 1919 erstmalig durch Beobachtungen während einer Sonnenfinsternis nachgewiesen (Ja! Man kann dann mit einem Teleskop Sterne sehen!). Es machte Einstein bei Laien berühmt. Seither wurde die Lichtablenkung an der Sonne bei vielen Sonnenfinsternissen bestätigt.

Lichtablenkung und/oder Raumkrümmung

Die grosse Bedeutung der Relativitätstheorie liegt darin, dass in ihr die Theorie der Ausbreitung der elektromagnetischen Strahlung und die Struktur des Raumes zusammen behandelt wurden. Dabei liefert die Notwendigkeit der Invarianz physikalischer Vorgänge bei der Transformation von Koordinatensystemen die Äquivalenz folgender Beschreibungen:
a) Licht wird in einem starken Schwerefeld gravitativ abgelenkt
b) Durch eine grosse Masse wird der Raum stark gekrümt, sodass die Position einer Hintergrundlichtquelle als verschoben erscheint.

Modelle für Struktur des Universums; Expansion

Am Anfang des Jahrhunderts existierten Modelle zu der Struktur des Universums (de Sitter, Einstein, Schwarzschild), die alle statisch waren. Nach systematischer Untersuchung von Galaxien stellte Hubble 1929 einen Zusammenhang zwischen Entfernung und Geschwindigkeit fest. Das Universum expandiert, und zwar nach v=Ho x d, mit v= Geschwindigkeit und d= Entfernung der Galaxie. Die Konstante heisst die Hubble-Konstante, mit Ho etwa 75 km/s pro Megaparsec Entfernung. Die Entdeckung der Expansion führte dazu, dass Weltmodelle entwickelt wurden, in denen das Universum als Ganzes expandiert. Solche Weltmodelle sind mit der Allgemeinen Relativitätstheorie beschreibbar. Sie sagen voraus, dass unser Universum vor etwa 13 Milliarden Jahren quasi als Explosion (Urknall, Big Bang) aus einem kleinen Volumen heraus entstanden ist. Die "Glut der Explosion" ist auch heute noch als Kosmische Hintergrundstrahlung sichtbar, die 1946 von George Gamow vorhergesagt und 1965 von Penzias und Wilson entdeckt wurde.

Gravitationslinsen

Eine weitere Vorhersage für die gravitative Lichtablenkung folgt aus der Relativitästheorie. Wenn Licht durch grosse Massen abgelenkt wird, so müsste auch Licht von sehr weit entfernten Objekten durch die Masse näher gelegener Galaxien (oder Galaxienhaufen) abgelenkt werden. Falls diese ablenkenden Massen stark genug sind, so müsste es auch Situationen geben, wo das Licht auf zwei (oder mehreren) Seiten an den Massen vorbei läuft und trotzdem unser Teleskop erreicht. In so einem Fall würde man die gleiche Quelle an zwei oder mehreren Positionen am Himmel sehen. Die Vorhersage der Existenz solcher Gravitationslinsen mit deren Auswirkung wurde mit der Entdeckung 1979 eines Quasar, der als Doppelbild am Himmel erscheint, bestätigt. Weiterhin werden die Lichtbündel von solchen Quellen stark verzerrt, so dass diese Quellen uns grösser erscheinen können, als sie ohne Lichtablenkung wären. Besonders extreme Beispiele für diesen Effekt ist das Auftreten sogenannter Einstein-Ringe, die zum ersten Mal 1988 gesehen wurden. Auch die leuchtenden Bögen und bananenförmige Bilder von Galaxien werden durch Ablenkung des Lichtes weit entfernter Galaxien im Schwerefeld eines näheren Galaxienhaufens bewirkt. Bilder können über den Link zu Einstein Ring und Gravitationslinsen gefunden werden.

Schwarze Löcher

In der Endphase der Entwicklung sehr massereicher Sterne kann es nach einem Supernova Ereignis zu einem Gravitationskollaps kommen, dessen Auswirkungen bereits 1916 von Karl Schwarzschild beschrieben wurden. In der Umgebung eines derart kollabierten Objektes ist die Schwerkraft so gross, dass weder Materie noch Licht aus dem Bereich innerhalb des Radius Rs entweichen kann (siehe Bild). Dieser Radius heisst der Schwarzschild-Radius und wird gegeben durch Rs=2GM/c2 , mit M=Masse des Objekts, G= Gravitationskonstante, und c= Lichtgeschwindigkeit. Derartige Objekte bezeichnet man als Schwarze Löcher.

   

Die drei-dimensionale Geometrie des Schwerefeldes um ein Schwarzes Loch kann als eine ``Delle'' in einer zwei-dimensionalen Ebene dargestellt werden. Das Licht eines Objektes tief in so einer ``Delle'' kann einen aussenstehenden Beobachter nicht mehr erreichen; das Objekt ist jenseits des Beobachtbaren, jenseits des ``Horizonts''.
Das Wort ``schwarz'' deutet auf diese Unmöglichkeit, das Wort ``Loch'' deutet auf die skizzierte Geometrie.
(Bild von einer Webseite zu Black Holes)

Materie, die von aussen in ein solches Objekt einströmt, wird auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, ehe sie im Schwarzschild-Bereich (der ``Horizont'') verschwindet. Kurz zuvor strahlt sie jedoch energiereiche Photonen ab. Diese Röntgen-Photonen können heutzutage mit Röntgen-Satellitenteleskopen (z.B. ROSAT 1990-1997; Chandra seit 1999, und andere Röntgen-Satelliten) beobachtet werden. Wegen den grossen Geschwindigkeiten muss die komplette Beschreibung der Physik relativistisch gemacht werden. Eine ausführliche Beschreibung der Phänomene um ein Schwarzes Loch ist in dem Link auf Black Holes zu finden.

Es gibt inzwischen aus Untersuchungen an Doppelsternen eindeutige Hinweise auf die Existenz stellarer Schwarzer Löcher mit einer Masse von 4-20 Sonnenmassen. (Da ein Schwarzes Loch für uns unsichtbar ist, gibt nur die Umgebung Hinweise auf die Existenz solcher Objekte.)

Die Studie der grossen Geschwindigkeiten der Sterne in der Nähe des galaktischen Zentrums führt zu dem Schluss, dass ein Schwarzes Loch existiert im Zentrum der Milchstraße, mit einer Masse von etwa 2.5 Millionen Sonnenmassen. Dies ist eine erstaunlich grosse Masse. Es gibt aber Galaxien mit sehr aktiven Kerngebieten, in denen ebenfalls ähnlich schwere schwarze Löcher vermutet werden.

Im Jahr 1970 stellte Stephen Hawking die quantenmechanische Überlegung an, dass die Schwarzen Löcher eine höhere Temperatur als ihre Umgebung besitzen und deshalb auch verdampfen können. Dies ginge bei stellaren Schwarzen Löchern langsam, aber nach Verlust von Masse immer schneller. Diese Vorstellung zeigt, dass im Endstadium des Universums wohl doch nicht alle Materie in Schwarzen Löchern eingesammelt ist, sondern eher ein Gemisch aus Photonen und Leptonen übrig bleibt (siehe dazu auch Teilchenphysik).

Gravitationswellen

Eine bisher unbestätigte Vorhersage Einsteins (von 1916!) stellen die Gravitationswellen dar. Alle Sterne sind in Bewegung; dabei ziehen sie die von ihnen erzeugte Krümmung des Raums mit sich durchs Universum. Die dadurch erzeugte Störung in der Raumzeit breitet sich wellenförmig mit Lichtgeschwindigkeit nach allen Seiten aus. Besonders heftige und energiereiche Ereignisse im Sternenleben, wie die Implosion eines Sterninneren die zu einer Supernova führt, oder die Entstehung von Schwarzen Löchern (siehe oben), sind von Gravitationswellen begleitet. Gelingt es uns sie nachzuweisen, so bekommen wir völlig neue Informationen über diese Vorgänge. Die zur Zeit im Bau befindlichen Gravitationswellendetektoren sollen im Jahr 2001 zum Einsatz kommen.

Dunkle Materie

Spiralgalaxien rotieren. Wenn die normale Gravitationstheorie gilt, würde man zum Rand einer Galaxie hin eine langsamere Rotation erwarten, falls das Schwerefeld von der sichtbaren Materieverteilung der Galaxie hervorgerufen wird. Die Rotation von Galaxien wird mit Hilfe der Radiospektroskopie der Wasserstoffemission (siehe zu atomarer Struktur bei Atomphysik) bestimmt. Das Rotationsverhalten von Galaxien wird von der Rotationskurve beschrieben (siehe dazu Entschlüsselung der großräumigen Struktur der Galaxis). Man hat nun bei nahezu allen der gemessenen Galaxien (auch bei unserer Milchstraße!) festgestellt, dass die Bahngeschwindigkeit der Rotation nach aussen hin nicht abnimmt.

Zur Erklärung dieser Phänomene gibt es zwei Hypothesen:
1. Es wird postuliert, dass es nicht-sichtbare Materie gibt, die zu stärkerer Gravitation in den Aussenbereichen führt und somit die grosse Rotationsgeschwindigkeit erklären kann. Diese Materie heisst daher Dunkle Materie. Spekulationen über die Art dieser Materie sind vielfältig: Schneebälle im interstellaren Raum, sich frei bewegende planetenartige Objekte oder dergleichen, oder aber auch `Elementarteilchen' wie Neutrinos, Strings, `Axionen' oder andere (siehe Teilchenphysik).
2. Es wird spekuliert, ob die Gravitationsgesetze und damit die Relativitätstheorie für grosse Entfernungen unvollständig oder, besser gesagt, sogar nicht richtig sind.

Neben der Rotation von Spiralgalaxien gibt es weitere starke Hinweise auf die Existenz Dunkler Materie; so ist zum Beispiel die beinahe exakte Isotropie der Kosmischen Hintergrundstrahlung, der Überrest des Big Bang, kaum ohne die Existenz Dunkler Materie verständlich. Ausserdem zeigen Messungen der Materieverteilung in Galaxienhaufen, dass diese zu etwa 80 % aus Dunkler Materie bestehen.

Eine andere Sorte der hypothetischen Dunklen Materie ist die, die existieren müsste, wenn das Universum euklidisch wäre. Es wird auch gefordert in Modellen für die Anfangsphase des Universums. Dies gehört zu dem Fragenbereich der Kosmologie.

Mehr ist zu finden in dem Zusatzkapitel Dunkle Materie. Weshalb? Wieviel? Wo?.
Eine wissenschaftliche Beschreibung des Problems ist zu finden in der Veröffentlichung The Dark Matter Problem.
- Hawking, S., 1998, Die illustrierte kurze Geschichte der Zeit, Rowohlt, Reinbeck, ISBN 3-498-02944-4
- Henkel, O., 2000, Einstein für Einsteiger. Teil I: Worum geht es in der Relativitätstheorie? Sterne und Weltraum, 39, S. 142 (Heft 2-3/2000)
- Nollert, H.-P., Ruder, H., 2000, Gravitationswellen - Das neue Fenster zum Weltall, Astronomie+Raumfahrt Heft 5/2000, 37 Jrg, Seite 14
- Sobel D., 1999, Galileo's Daughter, Fourth Estate Ltd., ISBN 1-84115-494-6 (es gibt auch eine Übersetzung auf Deutsch)

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Siehe auch Aufsätze und Links


Autor: K.S. de Boer       Sternwarte, Universität Bonn, Auf dem Hügel 71, D-53121 Bonn
mail to: deboer@astro.uni-bonn.de
Veröffentlicht am 2000.01.14 im Jahr der Physik auf www.astro.uni-bonn.de/~deboer/pdm/pdmastro.html
Verschiedene Anpassungen und Textkorrekturen bis Juni 2004, zu einer selbständigen Seite gemacht im Juli 2004.
Fassung 2014.10.25