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Zusammenfassung

  Es wurde eine Auswahl von Galaxienhaufen zusammengestellt, mit dem Ziel intrinsische Parameter homogen zu bestimmen. Die Haufen wurden aus mehreren Durchmusterungen hoher Vollständigkeit der ROSAT-Himmelsdurchmusterung ausgewählt. ROSAT-Daten, zumeist pointierte Beobachtungen mit langer Belichtungszeit, wurden ausgewertet und wichtige Haufenparameter bestimmt. Flüsse, Leuchtkräfte, Gasdichteprofile und Gesamtmassen wurden für 90 Galaxienhaufen gemessen. Relationen zwischen intrinsischen Größen, z. B. tex2html_wrap_inline5264 , tex2html_wrap_inline10951 , tex2html_wrap_inline10809 , tex2html_wrap_inline10893 und tex2html_wrap_inline10895 wurden aufgestellt. Von einer Untermenge dieser Galaxienhaufen wurde eine röntgenflußbegrenzte Stichprobe hoher Vollständigkeit von 61 Haufen zusammengestellt. Für diese Stichprobe wurde die Leuchtkraft-, Gasmassen- und Gesamtmassenfunktion bestimmt. Der Anteil des Gases an der Gesamtmasse wurde für 88 Haufen gemessen, sowie die Abhängigkeit dieses Anteils von der Haufenmasse untersucht.

Die Zusammenstellung der bestimmten Werte der Haufenparameter an sich bildet eine nützliche Referenz, da es sich um die bisher größte anhand von Röntgendaten homogen durchgeführten Untersuchung von Galaxienhaufen bis hin zur individuellen (Gas-) Massenbestimmung handelt. Es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten. Beispielsweise werden Profile der Gasdichten benötigt, um mit Hilfe des Sunyaev-Zel'dovich-Effekts die Hubble-Konstante zu bestimmen. Weiterhin bietet die große Anzahl homogen bestimmter Massen die Möglichkeit, die hier benutzte Massenbestimmungsmethode systematisch mit anderen Methoden zu vergleichen. Die Anzahl von Galaxienhaufen in der Stichprobe mit hohen Röntgenflüssen ist durch die große Himmelsabdeckung höher als bei den meisten anderen Durchmusterungen. Das hier gezeigte tex2html_wrap_inline10711 Diagramm kann daher tiefere Durchmusterungen im Bereich hoher Flüsse ergänzen.

Es wurde gezeigt, daß die internen Parameter Leuchtkraft, Gastemperatur, Gasmasse, Gesamtmasse und der Anteil der Gasmasse an der Gesamtmasse korreliert sind. Die tex2html_wrap_inline5264 Relation bestätigt früher gefundene Relationen. Die tex2html_wrap_inline10951 und tex2html_wrap_inline10809 , sowie die tex2html_wrap_inline10893 und tex2html_wrap_inline10895 sind in dieser Arbeit erstmals empirisch ermittelt worden. Die aufgestellten empirischen Relationen lassen sich im Rahmen einer selbstähnlichen Betrachtung von Galaxienhaufen gut erklären. Dies zeigt, daß trotz großer Unterschiede bei einem direkten Vergleich der internen Parameter, Galaxienhaufen als eine relativ homogene Gruppe astronomischer Objekte aufgefaßt werden können.

Leichte systematische Abweichungen, z. B. das Abknicken der Relationen bei kleineren Haufen, bieten einen wichtigen Zugang zum Verständnis weiterer physikalischer Prozesse in Galaxienhaufen. Beispielsweise kann untersucht werden, welchen Einfluß die Galaxien auf die Entwicklung des Haufens nehmen. Die Abweichungen bekräftigen ein Bild, in dem durch galaktische Supernovae getriebene Winde in kleinen Haufen oder Gruppen einen merklichen Beitrag zur Temperatur des IHGs leisten können.

Die geringe Streuung dieser Relationen schafft die Möglichkeit, schwierig zu messende Größen über leichter meßbare Größ en für eine große Anzahl von Galaxienhaufen zugänglich zu machen. Insbesondere bieten die mit 88 Galaxienhaufen aufgestellten Relationen tex2html_wrap_inline11151 mit tex2html_wrap_inline10775 und tex2html_wrap_inline11155 mit tex2html_wrap_inline10803 ( tex2html_wrap_inline8641 und tex2html_wrap_inline10765 in Einheiten von tex2html_wrap_inline10741 und die Massen in Einheiten von tex2html_wrap_inline10905 ) erstmalig die Möglichkeit, Massen für Galaxienhaufen in großen Röntgendurchmusterungen (zugänglich in den nächsten ein bis zwei Jahren: tex2html_wrap_inline5971 Haufen) verläßlich anzugeben und damit großräumig die Massenverteilung im Universum zu beschreiben.

Die mit einer Stichprobe hoher Vollständigkeit von 61 Galaxienhaufen (z<1.6) aufgestellte Leuchtkraftfunktion kann als Referenz dienen für die Leuchtkraftfunktion des lokalen Universums und damit dessen am weitesten entwickelten Teil. Die Leuchtkraft wurde mit der Leuchtkraftfunktion von [EBELING et al. 1997, tex2html_wrap_inline11037 ,] (tieferes Fluß limit aber kleinere Himmelsabdeckung) verglichen und eine sehr gute Übereinstimmung festgestellt. Die lokale Leuchtkraftfunktion kann mit Leuchtkraftfunktionen immer tiefer gehender Stichproben verglichen werden und mögliche Entwicklungseffekte untersucht werden. Dieser Vergleich kann auch auch als Test dienen, ob und wenn ja, ab welcher Rotverschiebung Korrekturen an die Leuchtkraft-Masse Relationen angebracht werden müssen.

Die Gasmassen- und Gesamtmassenfunktion wurde erstmals mittels Röntgendaten und individuell bestimmter (Gas-) Massen aufgestellt. Der Vergleich mit früher aufgestellten Massenfunktionen zeigt Diskrepanzen. Es wurden Argumente dafür gegeben, daß die unterschiedliche Zusammenstellung und die verschiedenen Analysemethoden für einen Großteil dieser Abweichungen verantwortlich sein können.

Die Massenfunktion kann dazu benutzt werden, um mit Hilfe von analytischen Verfahren, bzw. numerischen Simulationen wichtige kosmologische Parameter, insbesondere die mittlere Dichte des Universums einzuschränken. Wegen der Abweichung früherer Massenfunktionen sind hier interessante Ergebnisse zu erwarten.

Die Normierung des Dichtefluktuationsspektrums muß mit Hilfe von Beobachtungen erfolgen. Eine Möglichkeit dazu bietet ebenfalls die hier bestimmte Massenfunktion.

Durch den festgestellten hohen Anteil der Gasmasse an der Gesamtmasse von Galaxienhaufen wird die Existenz des Problems der Baryonen-Katastrophe an einer großen Zahl von Galaxienhaufen bestätigt. Dies deutet auf eine nötige Revision des Standard-Urknall-Modells mit kritischer Gesamtdichte oder des Standardmodells der Elemententstehung hin. Eine mögliche Lösung wird durch Ansetzen einer Dichte des Universums unterhalb der kritischen Dichte erreicht.


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Thomas Reiprich
Sun Feb 14 18:22:39 MET 1999