Die Struktur des Universums wird im wesentlichen durch die Wirkung der Schwerkraft (Gravitation) bestimmt. Befinden die Objekte sich frei im Raum, dann werden sie sich im gegenseitigen Schwerefeld bewegen.
Die Sterne unserer Galaxis bilden zusammmen mit der interstellaren Materie und mit der möglicherweise vorhandenen dunklen Materie ein großes, gravitativ gebundenes System. Alle Objekte bewegen sich. Die meisten rotieren innerhalb der Scheibe der Milchstraße nahezu auf Kreisbahnen um das gemeinsame Massenzentrum (das Zentrum der Galaxis), andere bewegen sich in elliptischen Bahnen (mit dem Massenzentrum der Galaxis als einer der Fokalpunkte) bis weit in den ausgedehnten Halo der Galaxis.
Um eine Bewegung zu charakterisieren muss man die Lage des Objekts sowie seine Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit kennen. Für die Lage braucht man die Entfernung. Die Größe der Bewegung findet man durch die Messung der zwei Komponenten in der die Bewegung aufgeteilt werden kann: die radiale Geschwindigkeit und die Geschwindigkeit senkrecht zur Blickrichtung, die Transversalgeschwindigkeit genannt, mit der Richtung dieser Komponente projektiert an der Himmelssphäre.
Für die Messung der Bewegungen der Sterne braucht man also auch eine sehr genaue Bestimmung ihrer Positionen. Unter Position versteht man zwei Winkel die (ähnlich wie die geografische Breite und Länge einen Punkt auf der Erdoberfläche festlegen) die Richtung des Sterns an der Himmelskugel angeben. Und da die Sterne weit von uns entfernt sind, sind die Bewegungen senkrecht zur Sehrichtung an der Himmelssphäre so klein, dass sie erst nach langer Zeit sichtbar werden können. Das alles ist eine nicht ganz so einfache Aufgabe!
Die Messung von Positionen und Bewegungen dient der Studie der Kinematik der Sterne und der Gaswolken, um die Struktur und Entwicklung unserer Milchstraße besser zu verstehen (siehe auch Entschlüsselung der großräumigen Struktur der Milchstraße). Die heute beobachtbaren Bewegungen verraten immer noch etwas über die Verhältnisse beim Entstehen der Sterne oder sogar über das Entstehen der Galaxis. Des weiteren liefern Bewegungen Information über die Gesamtmasse der Galaxis.
Die fundamentale Methode zur Bestimmung der Entfernungen ist die sogenannte "parallaktische" Methode. Das Prinzip beruht darauf, dass wenn man sich selber bewegt, ein nicht allzu weit entferntes Objekt sich gegenüber sehr weit entfernten Objekten im Hintergrund eine scheinbare Bewegung hat. Diese scheinbare Verlagerung des nahen Objektes heisst die parallaktische Verlagerung. In der Astronomie ist die eigene Bewegung gegeben durch den Umlauf der Erde um die Sonne (siehe Bild). Man macht nun eine Himmelsaufnahme eines Sternfeldes und wiederholt sie nach einem halben Jahr (die Erde ist nun auf der anderen Seite der Sonne), um diese Aufnahmen (Foto, oder CCD) in Ruhe miteinander zu vergleichen (Astrometrie !). Auf diese Art kann man die meist sehr kleinen scheinbaren Bewegungen des nahen Sterns gegenüber dem fernen Hintergrundfeld bestimmen (siehe die im Diagramm mit Pfeilen angegebenen Verlagerungen). Die Position des bewegenden Objektes wird auf jede Aufname mit speziellen Geräten micrometergenau gemessen (wie angedeutet, im Vergleich mit den anderen Sternen), und dann mit Hilfe der Plattenskala (wieviele Grad pro cm) in Winkelmaß umgerechnet. Es bleibt noch die trigonometrische Aufgabe: mit dem Durchmesser der Erdbahn als Basislinie und dem spitzen Winkel aus der Positionsverlagerung kann die Höhe des Dreiecks mit dem Stern an der Spitze berechnet werden. Die Höhe ist, selbstverständlich, die Entfernung des Sterns.
Die Spitzenwinkel (par) sind sehr klein und werden daher in Einheiten von Bogensekunden angegeben. Da der Spitzenwinkel kleiner ist je größer die Entfernung des Sterns, ist die Entfernung d des Objektes dann einfach proportional zum Kehrwert des Winkels, also d=1/par. Astronomen geben daher Entfernungen in Einheiten von parsec (Parallax-Sekunde = pc) an. Mit der Erdbahn als Basis sind die dazugehörigen Zahlen 1 pc = 206265 Erdbahnradien = 3.086 1013 km. Man kann Entfernungen auch in Einheiten von Lichtjahren angeben: eine Entfernung von 1 pc wird vom Licht in 3.26 Jahre zurückgelegt. (In der Sprache der populären Astronomie wird eine Entfernung immer in Einheiten von Lichtjahren angegeben, das hat sich eben so eingebürgert. Man verwendet für die "Übersetzung" manchmal einfach einen Faktor 3.3, oder sogar 3.) Es muss hier angemerkt werden, dass Entfernungen größer als etwa 100 pc mit irdischen Teleskopen nicht parallaktisch festgestellt werden können. Sehr große Entfernungen werden mit ganz anderen als parallaktischen Methoden bestimmt.
Eine erhebliche Verbesserung wird durch die Anwendung von Satelliten erreicht. Der Vorteil liegt in der Tatsache, dass die Abbildung dabei nicht durch die Unruhe der Erdatmosphäre oder durch systematischen Unterschiede der verwendeten Teleskopen verschlechtert wird (zu Satelliten siehe unten). Positionen können dann sehr viel genauer festgelegt werden und somit auch die Positionsänderungen im Sinne der Parallaxe.
Die parallaktische Methode kann nur erfolgreich bei nahen und als Pünktchen erscheinenden Sternen angewendet werden. Die parallaktische Verlagerung weit entfernter Sterne ist viel zu klein! Und Gaswolken haben eine diffuse Struktur, die keine scharfen Anhaltspunkte für eine genaue Positionsbestimmung bietet.
Auch bei Radiowellenlängen können mit Hilfe der
Radiointerferometrie
sehr genau Positionen von Objekten bestimmt werden.
Besonders geeignete Objekte sind Quasare,
die als punktförmige Radioquellen gleichzeitig
im Optischen und mit Radiowellen zu sehen sind,
so dass hier eine Verknüpfung der Positionen
aus dem Optischen und dem Radiobereich möglich wird.
= Bestimmung der Radialgeschwindigkeit =
Die Bestimmung einer Geschwindigkeit in radialer Richtung (von uns weg oder auf uns zu) ist im Grunde einfach. Wenn das Objekt Strahlung aussendet, kann man die Strahlung in seinen Farben zerlegen und spektroskopisch registrieren. Die fast immer vorhandenen Spektrallinien zeigen unter Umständen eine Verschiebung nach Doppler, d.h., wenn das Objekt sich von uns weg bewegt, sind die Wellenlängen der hier eintreffenden Strahlung etwas länger, und umgekehrt. Aus der Änderung (dw) der Wellenlänge gegenüber der Wellenlänge (w) selber lässt sich die Geschwindigkeit v mit v = c . dw / w berechnen (die Konstante c ist die Lichtgeschwindigkeit).
Diese Methode wird sowohl im optischen Bereich als auch im Radiobereich,
wo die Instrumente eine sehr hohe Spektralauflösung ermöglichen,
angewendet.
So lange das gemessene Spektrum genug Signal und spektrale Struktur hat,
ist die Bestimmung der Radialgeschwindigkeit einfach und auch an Objekte in
großer Entfernung möglich (z.B. zur Bestimmung der sogenannten
kosmischen Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien).
= Bestimmung der Transversalgeschwindigkeit =
Wegen der generell großen Entfernungen der Sterne erscheinen uns die Bewegungen senkrecht zur Sehrichtung, die wir nur aus einer Änderung der Position mit der Zeit ableiten können, äusserst klein, auch wenn die Geschwindigkeit (z.B. in km/s) groß sein mag. Nur bei sehr genauen Positionsmessungen über längere Zeitintervalle kann man hoffen, die Transversalbewegung als Positionsänderung (wiederum in Bezug auf das Hintergrundfeld der fernen Sterne, besser noch Galaxien) zu sehen und zu messen. Es gibt seit Ende des 19. Jh. fotografische Himmelsaufnahmen, die mit heutigen Aufnahmen verglichen werden können. Ein Fundus bildet die Sammlung der Fotoplatten der "Carte du Ciel", aber auch andere Sammlungen werden verwendet. So ist inzwischen auch die erste komplette Himmelsfotografie des "Palomar Sky Survey" aus der Mitte des 20. Jh. als "Erstepochenmaterial" sehr geeignet.
Die Transversalbewegungen werden aus dem Vergleich der Positionen auf alten und neuen Himmelsaufnahmen erfasst (Astrometrie !). Dies liefert die sogenannte Eigenbewegung eines Sterns in Bogenmaß pro Zeiteinheit. Mit Hilfe der Entfernung des Sterns wird diese Eigenbewegung in der Transversalgeschwindigkeit in km/s umgerechnet.
Während man auf der Erde meist ettliche Jahre warten muss,
erlauben Satelliten, wegen der gesteigerten Genauigkeit der Positionsmessung,
schon innerhalb einer Satelliten-Mission
die genaue Bestimmung der Eigenbewegung.
Astrometrische Geräte
Das Spezialgebiet der Positionsmessungen nennt man Astrometrie. Zuerst (19. Jh.) hat man die relative Positionen der Sterne durch direkte Beobachtungen im Okular eines Teleskops festgestellt. Die erste Parallaxe wurde 1837 von Bessel bestimmt. Die Schwierigkeit war eben, dass man bei der Suche nach nahen Sternen noch nicht weis, welcher der Sterne nah ist und daher eine messbare parallaktische Bewegung zeigen wird! Seit der Fotoplatte in der Astronomie auch zur Registrierung der Positionen anwendung fand, wurden (möglichst großflächige) Himmelsaufnahmen gemacht, die nachher verglichen werden. So kann die Verlagerung der nahen Objekte im Vergleich mit dem fernen Hintergrundfeld einfach entdeckt werden. Seit 1983 verwendet man auch das CCD.
Auf Grund der ersten Positionsmessungen konnte man bis Ende des 19.Jh. die ersten "jährlichen" Parallaxen bestimmen und so die Entfernungen dieser Sterne berechnen. Dies führte Anfang des 20. Jh. zur Erstellung des Hertzsprung-Russell-Diagrams. Auch findet man so (wenn die notwendige lange Zeitbasis vorhanden ist) die Eigenbewegungen.
Messungen mit Satelliten sind frei von Störungen durch die Erdatmosphäre und liefern daher schon nach wenigen Jahren die gewünschten Daten zu Positionen und daher über die Eigenbewegungen der Sterne. Die astrometrischen Satelliten messen dazu zwei Himmelsfelder gleichzeitig, so dass sehr genaue relative Positionen über den ganzen Himmel bestimmt werden können. Diese Positionen werden zu "absoluten Positionen", indem man sie mit den Positionen sehr weit entfernter Galaxien verbindet.
Vom Erdboden: | |||
1800 - 1880 | visuell durchs Fernrohr | ungenau | mühselig |
1880 - 1980 | Fotoplatten | ziemlich genau | große Felder |
1980 - | CCDs | ziemlich genau | kleine Felder |
Satelliten: | |||
1987 - 1991 | Hipparcos 110 000 Sterne |
sehr genau | ganzer Himmel |
1991 - | HST | sehr genau | nur in sehr kleinen Feldern |
2004 - 2006 *) | DIVA
35 Millionen Sterne |
sehr genau | ganzer Himmel |
2012 - 2016 | GAIA
2 Milliarden Sterne |
sehr, sehr genau | ganzer Himmel |
*) Der DIVA-Satellit wurde nach 5 Jahren an Vorstudien durch Gruppen in Heidelberg, Potsdam, Bonn und an weiteren Orten im Sept 2000 vom DLR als nächstes deutsche Raumprojekt empfohlen (auch in Vorbereitung auf GAIA). Bau sollte ab 2002, Start im 2004, Messungen bis 2006, Fertigstellung der Resultate bis 2008 sein. Wegen Geldmangel wurde das Projekt immer wieder verzögert und schliesslich Ende 2002 beendet. Der Versuch zusammen mit amerikanischen Kollegen zu einem angepassten Projekt mit Namen AMEX zu kommen, wurde von der NASA nicht honoriert. |