Geschichte der Astronomie : Personen : Biographische Enzyklopädie der Astronomie (Projekt)


Biographische Enzyklopädie der Astronomie

Thesen für ein internationales Projekt

Von Wolfgang R. Dick, Potsdam

Vorgestellt beim Splintertreffen Astronomiegeschichte während der Internationalen Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft in Heidelberg, 14. September 1998


Die Situation

1. Es gibt kein umfassendes Nachschlagewerk mit astronomischen Biographien.

Bisher vorliegende Sammlungen von Astronomenbiographien in Buchform sind:

Abbott, David (Ed.): Astronomers. London: Blond Educational, 1984. vii, 204 S. (The biographical dictionary of scientists)

ca. 200 Biographien, keine Literaturangaben; in Englisch

Herrmann, Dieter B. (Hrsg.): Biographien bedeutender Astronomen. Eine Sammlung von Biographien. Berlin: Volk und Wissen Verlag, 1991. 159 S.

ca. 30 Biographien, Literaturangaben; in Deutsch

Kolchinskij, Il'ya Grigor'evich; Korsun', Alla Alekseevna; Rodriges, Modest Geraklifovich: Astronomy. Biograficheskij spravochnik. Kiev: Naukova dumka, 1977, 21986. 510 S.

ca. 500 Biographien, z.T. Literaturangaben; in Russisch

Keine dieser Sammlungen ist auch nur annähernd vollständig. Sie beschränken sich auf "bedeutende" Astronomen. Umfang und Qualität der Kurzbiographien sind unterschiedlich, zum Teil sind keine Quellen angegeben. Sie sind allein wegen der Sprache nicht allen Lesern zugänglich.

2. Es existiert eine überwältigende Menge an biographischer Information, die allerdings über eine große Zahl von Quellen verstreut und vielfach schwer zugänglich ist.

Umfassender - auch hinsichtlich von Astronomenbiographien - als die oben genannten Sammlungen, die sich auf Astronomen konzentrieren, sind Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch und das Dictionary of Scientific Biography. Diese sind allerdings teuer und schwer zugänglich, auch bei weitem nicht vollständig und zum Teil veraltet, da sie natürlich neuere Veröffentlichungen nicht mehr berücksichtigen können. Daneben gibt es eine Vielzahl von biographischen Nachschlagewerken, speziell für die Wissenschaft oder allgemeiner Art, die auch Astronomen umfassen: Allgemeine Enzyklopädien in verschiedenen Sprachen, biographische Werke wie Who's Who oder Kürschners Gelehrtenkalender, biographische Nachschlagewerke der Physik, Mathematik und anderer Gebiete, die Porträtgallerien der Astronomischen Gesellschaft. Ein - allerdings kleiner - Teil der allgemeinen biographischen Wörterbücher ist im Internationalen Biographischen Index erfaßt, der neuerdings auch im Internet zugänglich ist (siehe Beispiel 7 im Anhang). Biographische Aufsätze und Nachrufe sind in Zeitschriften und Nachschlagewerken enthalten, die z.T. in Bibliographien wie Astronomischer Jahresbericht / Astronomy and Astrophysics Abstracts oder ISIS Current Bibliography nachgewiesen sind, allerdings ohne kumulativen Personenindex; nur für Sky & Telescope gibt es einen Personenindex im Internet. Daneben sind Kurzbiographien in vielen astronomiehistorischen, wissenschaftshistorischen und auch astronomischen Büchern enthalten. Ein klassisches und bekanntes Beispiel ist Newcomb-Engelmanns Populäre Astronomie, ein wissenschaftlich besseres Beispiel ist z.B. Astronomie in Bayern 1914-1945 von F. Litten. Für diese Bücher gibt es keinen kumulativen Personenindex, und nicht einmal in jedem Buch ist ein Personenverzeichnis enthalten. Auch in Dissertationen lassen sich Biographien finden. Außerdem existieren noch nicht erschlossene biographische Dokumente in Archiven.

Wer nach biographischen Informationen über Astronomen sucht, muß also eine riesige Zahl von potentiellen Quellen durchsehen, insbesondere wenn es sich um weniger "bedeutende" Personen handelt. Für zahlreiche Aufgaben kann aber dieser Aufwand nicht getrieben werden. Zudem sind viele dieser Publikationen schwer zugänglich oder wegen ihrer fremden Sprache nicht nutzbar.

3. Es gibt zahlreiche private Sammlungen von Biographien.

Mir sind mindestens 10 Personen in Deutschland, Großbritannien, Rußland und den USA bekannt, die über biographische und/oder biobibliographische Sammlungen zur Astronomie verfügen, z.T. in Datenbankform. Die Archenhold-Sternwarte in Berlin besitzt eine recht umfangreiche biobibliographische Kartei. Alle diese Sammlungen sind auf privater Basis entstanden und nicht öffentlich zugänglich. Es sollten Anstrengungen unternommen werden, sie zu vereinigen und zu veröffentlichen.

4. Die derzeit umfassendste und konzentrierteste Quelle für Biographien ist das World Wide Web im Internet.

Das World Wide Web (WWW) auf der Basis des Internet ist de facto eine Ansammlung von Publikationen in elektronischer Form, die jeweils auf einem Rechner (in Ausnahmefällen als "mirrors" auf mehreren Rechnern) abgelegt und jedem WWW-Nutzer sofort zugänglich sind, sofern der das betreffende Dokument speichernde Rechner (Host) nicht gerade außer Betrieb ist. Ein kleiner Teil dieser Publikationen liegt auch gedruckt vor.

Das WWW besitzt, ähnlich wie die Gesamtheit der Druckerzeugnisse, keinen zentralen Index, wohl aber auswählende, thematische oder lokale Register, sogenannte Linksammlungen. Anders als bei gedruckten Bibliographien muß das ausgewählte Dokument nicht erst umständlich beschafft werden, sondern ist im Idealfall über den Link (einen elektronischen Verweis auf die Adresse des Dokuments) zufort zugänglich. Im Unterschied zu gedruckten Werken sind auch Volltextrecherchen möglich, teilweise direkt auf den Hosts, teilweise in sogenannten Suchmaschinen, die automatisch einen Teil der weltweit vorhandenen Dokumente auswerten. Über das WWW sind auch Datenbanken direkt zugänglich.

Vorteile des WWW sind u.a. die relativ leichte Zugänglichkeit auch entlegener Quellen, die sofortige Verfügbarkeit neuer oder korrigierter Dokumente, die relativ geringen Publikationskosten und die mögliche Einbeziehung von Farbbildern, Animationen, Videosequenzen, Tonaufzeichnungen und Datenbanken. Nachteile des WWW sind u.a. der gegenwärtig noch beschränkte Umfang an Sonderzeichen, Symbolen und typographischen Gestaltungsmöglichkeiten sowie vor allem die völlig ungenügende Sicherstellung der langfristigen Archivierung. Noch schneller als ein Dokument erscheint, kann es auch wieder verschwinden. Die Archivierung obliegt allein den Autoren oder den hinter ihnen stehenden Institutionen. Es gibt im WWW keine Bibliotheken, die im gesellschaftlichen Auftrag sammeln und archivieren.

Die bisher einzige umfassende Linksammlung zur Astronomiegeschichte ist Astronomiae Historia (URL: www.astro.uni-bonn.de/~pbrosche/astoria.html), die ich für den Arbeitskreis Astronomiegeschichte und die IAU Commission 41 unterhalte. Sie enthält derzeit Verweise auf mehrere tausend biographische Dokumente zu mehr als 1250 Personen, die in irgendeiner Beziehung zur Astronomie stehen. In Ansätzen bietet die Sammlung auch selbst Texte an. (Siehe Beispiele 1 bis 4 im Anhang.) Unter Benutzung dieser Linksammlung und gegebenfalls von Suchmaschinen besteht im WWW also ein direkter Zugang zu der bisher umfangreichsten Sammlung von Astronomenbiographien. Daß sie physisch über die ganze Welt verteilt ist, spielt für den Nutzer kaum eine Rolle.

Natürlich gibt es in gedruckter Form weitaus mehr Astronomenbiographien, die allerdings im Unterschied zum WWW nur schwer zugänglich sind, schon allein deshalb, weil es kein umfassendes Verzeichnis gibt. Insofern ist das WWW derzeit die umfangreichste kompakte Quelle biographischer Daten. Qualität und Umfang der angebotenen Informationen sind allerdings extrem unterschiedlich. Die langfristige Bewahrung ist nicht gesichert, ein großer Teil der Dokumente wird wieder verlorengehen.

5. Es besteht Bedarf nach einem biographischen Wörterbuch der Astronomie, und es ist Zeit, eine internationale "Biographische Enzyklopädie der Astronomie" zu initieren.

Biographische Informationen brauchen wir für verschiedenste Zwecke, sei es einfach aus privatem Interesse oder für Publikationen. Ein typischer Fall ist der Personenindex für ein Buch, der auch Lebensdaten enthalten soll. Die meisten von uns werden schon einmal vergeblich nach den Daten einer bestimmten Person gesucht haben. Auch die Anfragen in HASTRO-L, der Internet-Diskussionsgruppe zur Astronomiegeschichte, zeigen den Bedarf an.


Das Projekt einer "Biographischen Enzyklopädie der Astronomie"

1. Es sollte keine Auswahl der Personen geben.

Die Enzyklopädie sollte alle Personen mit Beziehungen zur Astronomiegeschichte enthalten, für die biographische Informationen verfügbar sind. Gerade für weniger "bedeutende " Astronomen ist es schwer, biographische Informationen zu finden. Außerdem läßt sich kein objektives Auswahlkriterium festlegen. Für soziologisch-statistische Studien darf das Material nicht schon vorselektiert sein. Durch Aufnahme aller Personen der Astronomiegeschichte kann schließlich auch einem gewissen Trend zum "Personenkult" in der Wissenschaftsgeschichtsschreibung entgegengewirkt werden.

Personen mit Beziehungen zur Astronomiegeschichte sind neben Astronomen und Astrophysikern auch Astrologen (zumindest bis zur frühen Neuzeit); andere Sternwarten- und Institutsmitarbeiter; Amateurastronomen; Astronomiehistoriker; Wissenschaftler benachbarter Gebiete (Physiker, Mathematiker, Geodäten usw.), die astronomische Arbeiten ausgeführt haben; Pioniere der Raumfahrt (darunter z.B. die ersten Raketentechniker und die ersten Astronauten auf dem Mond); Instrumenten- und Globenhersteller; Mäzenaten; Wissenschaftsmanager mit bedeutendem Einfluß auf die Astronomie; Musiker, Künstler und Schriftsteller, die astronomische Themen aufgriffen. Im Zweifelsfall sollte eine Person eher aufgenommen als ausgeschlossen werden. Zu überlegen ist, ob auch Wissenschaftler erfaßt werden sollten, deren Arbeiten indirekt eine große Rolle bei der Entwicklung der Astronomie spielten.

Die Enzyklopädie kann auch zugleich ein "Who's Who im Weltraum" sein, indem Personen aufgenommen werden, deren einzige Beziehung zur Astronomie ist, daß nach ihnen ein astronomisches Objekt benannt wurde (Mondkrater, Kleiner Planet usw.).

2. Dies ist ein langfristiges Projekt ohne Abschluß.

Wegen des großen Umfangs an Materials und der großen Zahl zu erfassender Personen wird das Projekt lange Zeit in Anspruch nehmen. Da es ständig neue Astronomengenerationen gibt und auch für ältere Zeiten ständig neues Material publiziert wird, kann das Projekt keinen Abschluß finden. Die Inhalte und die Form der Präsentation können sich natürlich im Laufe der Zeit ändern.

3. Kurzbiographien sollten im Internet und gedruckt als Loseblattausgabe erscheinen.

Die Vor- und Nachteile einer Publikation im Internet wurden bereits oben genannt. Da nicht jeder Zugang zum Internet hat und eine langfristige Dokumentation/Archivierung gewährleistet werden muß, ist eine parallele gedruckte Ausgabe notwendig. Eine Loseblattsammlung hat den Vorteil, daß neue Biographien alphabetisch einsortiert und vorhandene Einträge jederzeit durch korrigierte oder erweiterte ersetzt werden können. Außerdem braucht bei der Publikation nicht auf verspätet eingehende Beiträge gewartet zu werden. Die Gestaltung sollte so sein, daß eine Zitierbarkeit gewährleistet ist.

Längere biographische Studien sollten wie bisher in Büchern und Zeitschriften erschienen (mit Verweisen in den Kurzbiographien), können aber später auch in elektronischer Form angeboten werden, nachdem die Verlags- und Autorenrechte abgelaufen sind oder die Eigentümer der Rechte zugestimmt haben.

Die Loseblattausgabe sollte in einfacher Form gedruckt werden, so daß sie kostengünstig und nahezu jedermann zugänglich wird. Eine einfache und billige Form ist der Druck mit Laserprinter, die Herstellung gewöhnlicher Kopien und die Herausgabe im Eigenverlag. Es dürfte sich auch schwerlich ein Verlag finden lassen, der die Herstellung übernimmt und einem parallelen Angebot im Internet zustimmt. Eine spätere Publikation in Buchform ist damit nicht vollkommen ausgeschlossen. Bei einem einfachen Kopierverfahren muß keine Auflage vorgegeben werden, sondern es kann je nach Bedarf produziert werden. Etwas teurer und aufwendiger ist die Herstellung jedes Exemplars mit dem Laserdrucker. Nachteil einfacher Techniken ist die schlechtere Haltbarkeit.

Für den Vertrieb sollte ein Verlag oder Buchhändler gefunden werden, der die Lieferung in Kommission übernimmt. Er sollte weltweit liefern können und verschiedene Zahlungsmöglichkeiten einschließlich Kreditkarten akzeptieren.

Es kann auch an eine CD-ROM-Version gedacht werden, sofern sich jemand findet, der die dabei entstehenden technischen Fragen löst.

4. Das Projekt sollte ein internationales Unternehmen sein.

Wegen der Internationalität der Astronomie, dem Wirken vieler Astronomen in verschiedenen Ländern und dem Vorliegen von Quellen in zahlreichen Sprachen (siehe Beispiel 7 im Anhang) kann das Unternehmen nur ein internationales sein. Wenn sich die entsprechenden Herausgeber und Übersetzer finden, können die Kurzbiographien auch in verschiedenen Sprachen veröffentlicht werden.

5. Die Teilnahme vieler Autoren wird unausweichlich zu inhomogenen Ergebnissen führen.

Wegen des großen Umfangs an Materials müssen sich an dem Projekt viele Autoren beteiligen. Die Erfahrung zeigt, daß selbst bei detaillierten Vorgaben die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen. Eine Vereinheitlichung ist nur bedingt möglich und führt zu einem großen Arbeitsaufwand für die Herausgeber sowie zu Verzögerungen. Da in vielen Nutzungsfällen auch Teilinformationen brauchbar sind, und Kurzbiographien ohnehin keine erschöpfenden Antworten liefern können, ist es besser, zunächst ein Produkt zu haben, auch wenn es nicht perfekt ist. Gerade im Fall einer Loseblattausgabe kann später ergänzt und ausgetauscht werden.

Minimalforderung ist, daß die Autoren ihre Quellen angeben.


Einige Details und offene Fragen

1. Sollen lebende Personen aufgenommen werden?

Bei Forschungen zur Zeitgeschichte werden auch biographische Daten lebender Personen benötigt. In diesen Fällen besteht vor allem ein Problem hinsichtlich des Datenschutzes sowie der Verfügbarkeit von Daten. Es gibt allerdings zahlreiche biographische Nachschlagewerke über Zeitgenossen, und auch der "Poggendorff" enthielt bei seinem Erscheinen vor allem Biographien lebender Personen. Der Vorteil ist, daß die Daten von den betreffenden Personen selbst stammen und damit in der Regel zuverlässig sind. Aufgenommen werden können natürlich nur publizierte Daten sowie solche, deren Publikation die Betroffenen ausdrücklich zustimmen. Zu klären ist, ob Daten aus "Homepages " im WWW als publiziert gelten können (z.B. durch Anfrage beim Bundesdatenschutzbeauftragten).

Sollten sich Mitarbeiter am Projekt finden, die Fragebögen erstellen und versenden, können auch diese als Quelle benutzt werden. Dabei könnten dem Adressaten des Fragebogens zwei Möglichkeiten eingeräumt werden: Er stimmt einer sofortigen Publikation zu, oder er überläßt die Daten nur für Archivzwecke, zur Verwendung zu einem Zeitpunkt, den er selbst bestimmt.

2. Welche Daten sollen aufgenommen werden?

Soweit bekannt, sollten unbedingt angegeben werden:

Mögliche weitere Angaben können sein:

Beispielgebend könnten die von Richard S. Westfall verfaßten Biographien zum Galileo-Projekt sein (siehe Beispiel 5 im Anhang).

3. Nationalität und Religion

Die oft praktizierte Angabe der Nationalität in der Form "deutscher Astronom" usw. ist in vielen Fällen problematisch. Ebenso schwierig ist für frühere Zeiten die Angabe von Landesbezeichnungen. Zahlreiche Orte gehörten gleichzeitig zu verschiedenen territorialen Einheiten (z.B. Altona zu Dänemark und dem Deutschen Reich). Copernicus ist de facto in Polen geboren, kann aber nicht als polnischer Astronom bezeichnet werden. Unterschieden werden muß zwischen Staatsbürgerschaft, Nationalität (die verschieden definiert wird), Muttersprache(n).

Diese Frage muß anhand von Beispielen noch ausführlich diskutiert werden. Ein gänzlicher Verzicht auf die Angabe der Nationalität wäre nicht wünschenswert. Oft läßt sich nur daraus die soziale Stellung erklären. Auch die Religionszugehörigkeit (oder Nichtzugehörigkeit) kann wichtig für die Biographie sein. Ist Jüdisch nur eine Religionszugehörigkeit oder auch eine Nationalität? (Meines Wissens gilt in Deutschland offiziell nur ersteres, in Israel aber letzteres.) Die Frage ist, ob dies in eine Kurzbiographie gehört oder nur ausführlicheren Darstellungen vorbehalten wird. Ohne ausführliche Kommentare zu den historischen Hintergründen kann der Leser zu falschen Schlüssen und Assoziationen kommen.

(Vgl. Beispiele 5 und 6 im Anhang.)

4. Namen

In vielen Fällen stellen die Namen ein schwieriges Problem dar. In älteren Zeiten benutzten auch die Betroffenen selbst verschiedene Schreibweisen. Diese sollten alle angegeben werden, gegebenfalls mit Querverweisen in einem Register. Dies betrifft auch Änderungen des Namens im Laufe des Lebens; hier ist eine Angabe des Zeitpunktes der Änderung wünschenswert. Bei Namen aus Sprachen mit nicht-lateinischer Schrift (griechisch, kyrillisch, arabisch, chinesisch, japanisch usw., dazu zahlreiche Varianten) kommt das Problem der Transliteration hinzu. Sollen sämtliche Transliterationsformen angeben werden? Soll auch der Name in der Schrift der Originalsprache angeben werden? Bei Transliterationen und auch in anderen Fällen stellen die Sonderzeichen (å, æ, ï, ø usw.) ein technisches Problem dar, da sie nicht immer verfügbar sind und bei Umformatierungen meist verlorengehen.

In einigen Fällen ist die alphabetische Einordnung problematisch: Brahe, Tycho oder Tycho Brahe? Galilei, Galileo oder Galileo Galilei? Hanbury Brown, Robert oder Brown, Robert Hanbury? Die Liste läßt sich beliebig fortsetzen, und alle Varianten kommen in der Literatur vor. Welche Teil des Namens ist der wichtigste, sollte also bei der alphabetischen Einordnung bevorzugt werden? Unsere heutige deutsche Variante mit Vor- und Familiennamen ist nur eine unter vielen. In welchen Fällen bleiben Namensteile wie van im Alphabet vor dem Familiennamen und wann nicht? (Beispiele: Van de Graaf, Robert Jemison, aber Hoff, Jacobus Henricus van't.) Nach welchen Regeln soll sortiert werden, wenn der Name Umlaute und andere Sonderzeichen enthält? Sollen Leerzeichen bei der Sortierung berücksichtigt (wie es der Computer macht) oder ignoriert werden (wie z.B. in der modernen Brockhaus Enzyklopädie)?

Welche Adelstitel (Sir, Freiherr, usw.) gehören zum Namen? Soll der Rufname hervorgehoben werden, und wenn ja, wie? (Nicht immer ist es der erste Vorname. In der Literatur, selbst bei sehr qualifizierten Autoren, findet sich z.B. Struve, Friedrich G. W. statt richtig Struve, F. G. Wilhelm.)

5. Stil

Sollen die Kurzbiographien in Stichpunkten oder als Text geschrieben werden? Ersteres ist platzsparend, letzteres liest sich leichter. Ich schlage vor, die Entscheidung dem jeweiligen Autor zu überlassen, da dies auch von seinen schriftstellerischen Fähigkeiten und seinem Geschmack abhängt. Vielleicht findet sich irgendwann jemand, der alles vereinheitlicht.

6. Umfang und Format

In einer Loseblattausgabe sollte jeder Person ein Blatt gewidmet werden. (Oder können auch mehrere Blätter zugelassen werden?) Der maximale Umfang hängt dann vom gewählten Blattformat und in gewisser Weise auch von der Schriftgröße sowie dem Stil (siehe Punkt 5) ab. A4 hat technische Vorteile in der Herstellung, paßt aber schlecht in Buchregale und ist für die meisten Kurzbiographien zu groß. Es bietet sich daher A5 an.

In der WWW-Version spielt der Umfang keine Rolle.

7. Zuverlässigkeit der Daten

Die ideale Variante wäre, daß jede Kurzbiographie von demjenigen Spezialisten geschrieben oder zumindest kontrolliert wird, der sich schon lange wissenschaftlich mit der jeweiligen Person befaßt hat. Allerdings gibt es nur für die wenigsten Personen einen Spezialisten, und nicht immer wird dieser auch bereit sein, sich an dem Projekt zu beteiligen. Es ist daher ein Verfahren zu finden, wie die Daten in den Kurzbiographien geprüft werden können: Vergleich mit vorhandenen Quellen, Prüfung auf Plausibilität u.ä. Die meisten Fehler werden sich aber erst bei der Benutzung zeigen; die Leser werden daher aufgerufen, Fehler zu melden, damit diese in späteren Ausgaben korrigiert werden können. Die Kurzbiographien könnten zuerst im WWW publiziert und erst nach einer gewissen Zeit, wenn eine Prüfung durch Leser stattgefunden hat, auf Papier gebracht werden.

8. Vorgehensweise

a) Publikmachen des Projekts.

b) Kontaktaufnahme von Interessenten, die mitarbeiten wollen, untereinander. Finden einer geeigneten Kommunikationsmöglichkeit aller Beteiligten.

c) Austausch über die bei den Interessenten vorhandenen Quellen, Informationen, Interessen, Fähigkeiten, und eventuell schon vorliegenden unveröffentlichten Kurzbiographien.

d) Aufteilung von Arbeiten.

e) Erstellung, Sammlung und Korrektur von Kurzbiographien; evtl. Übersetzungen; Übertragung in das benötigte Datenformat.

f) Publikation.

Perspektivisch sollte auch an eine Datenbank gedacht werden, die über das WWW und evtl. auf CD-ROM zugänglich ist. Dies ist jedoch eine sehr anspruchsvolle und aufwendige Aufgabe, die zunächst zurückgestellt werden sollte.



Anlagen

Beispiel 1: Buchstabe A des WWW-Verzeichnisses von Personen mit Beziehungen zur Astronomie. Jede unterstrichene Wortgruppe stellt einen Verweis (Link) zu einem anderen internen oder externen Dokument dar.

Beispiel 2: Ernst Abbe hat in diesem Verzeichnis eine eigene Seite. Die deutschsprachige Seite verweist nur auf deutschsprachige Dokumente. Die englischsprachige Seite ist umfangreicher. Perspektivisch soll zu jeder Person eine eigene Seite angelegt werden.

Beispiele 3 und 4: Auch Pelerin de Prusse hat eine eigene Seite. Da sich extern keine Biographie fand, wird eine eigene angeboten, die Giancarlo Truffa (Italien) zu diesem Zweck erstellte.

Beispiel 5: Eine von zahlreichen Biographien, die von Richard S. Westfall für das Galileo Project an der Rice University erstellt wurden. Diese können in verschiedener Hinsicht beispielgebend sein, auch wenn sie nicht in allen Fällen perfekt sind.

Beispiel 6: Copernicus-Biographie von Westfall für das Galileo Project. Dieses Beispiel zeigt, daß eine Angabe der Nationalität z.T. recht schwierig ist.

Beispiel 7: Einträge zu Argelander im Internationalen Biographischen Index (WWW-Version, die auf der dritten Auflage der CD-ROM-Version beruht). Neben deutschen gibt es mehrere finnische Quellen zu Argelander. Das Beispiel zeigt aber auch die Unvollständigkeit des IBI.


Wolfgang R. Dick. September 1998. Html-Version: 24. Nov. 1998