Das Hertzsprung-Russell-Diagramm und das Maß der Sterne

    Klaas S. de Boer
    Argelander Institut für Astronomie (Abt. Sternwarte), Univ. Bonn

 

Wenn wir uns abends den Sternenhimmel anschauen, sehen wir helle und schwache Sterne. Die unterschiedlichen Helligkeiten können durch Unterschiede in der Entfernung, aber auch durch Unterschiede in der eigenen Helligkeit erklärt werden. Bei genauer Betrachtung sind einige Sterne rötlich, andere bläulich. Sterne sind eben nicht alle gleich. Die Geschichte zur Entdeckung der Eigenschaften der Sterne beginnt in der Mitte des 19. Jahrhundert.

Dieser Text ist für Studenten und für interessierte Laien, die ihre Kenntnisse vertiefen wollen. Er setzt voraus, dass man weiß, was ein Logarithmus ist und dass man Erfahrung im "Lesen" von Grafiken hat. Einzelheiten der Strukturen in den aus Messungen abgeleiteten Hertzsprung-Russell-Diagrammen werden in Verbindung mit der Theorie gedeutet.

Sterne sind nicht alle gleich

Die Entfernung eines Sterns wurde zum ersten Mal 1838 von Bessel bestimmt. Von diesem nahen Stern hatte er im Vergleich mit den Sternen im Hintergrund eine jährliche Bewegung (die parallaktische Bewegung) festgestellt. Die Bewegung ist die Abbildung der Bahn der Erde um die Sonne. Über die Möglichkeit, so die Entfernung der Sterne zu bestimmen, wurde schon lange spekuliert, z.B. auch von Galileo (siehe Sobel, 1999). Am Anfang des 20.Jh waren von ausreichend vielen Sternen parallaktisch bestimmte Entfernungen bekannt, um die Sterne wirklich unter einander vergleichen zu können. So entstand das nach dessen Erfindern genannte Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD). Darin wurde klar, dass es riesig große, ausgedehnte Sterne gibt, aber auch sehr kleine, kompakte. Und es gibt große Unterschiede in der Farbe der Sterne.

Heutzutage kann man mit den sehr genauen Entfernungen, so, wie sie mit dem Hipparcos-Satelliten gewonnen wurden, ein HRD mit vielen tausend Sternen erstellen (Abb. 1). Die intrinsische Helligkeit der Sterne ist dort gegen deren Farbe aufgetragen.

Sterne sind heiße Gaskugeln, wie man an der Sonne sehen kann. Das HRD liefert unmittelbare Information über die Beschaffenheit der verschiedenen Sterne, d.h. über Größe der Oberfläche und über die Eigenschaften der abgegebenen Strahlung. Letztere Erkenntnisse gehen auf die vor hundert Jahren entdeckte Planck-Funktion zurück.

Hauptziel dieses Textes ist es, die Verbindung zwischen dem HRD (in seinen verschiedenen Gattungen) und der Planck-Funktion zu beschreiben. Die Eigenschaften der Sterne sollten damit verständlicher werden.

Abb. 1: Die beobachtbare Farbe eines Sterns (der Farbindex B−V) sowie die für die Entfernung korrigierte Helligkeit im Visuellen ("absolute" Helligkeit MV) sind in einem Farben-Helligkeitsdiagramm (FHD) eingetragen. So werden Unterschiede in den Eigenschaften der Sterne sichtbar. (Wie unten näher erklärt, die eigene Farbe der Sterne ist unmittelbar mit deren Temperatur verknüpft, die Helligkeit ist mit der Gesamtleuchtkraft des Sterns verbunden. Sterne mit gleicher Farbe aber unterschiedlicher Helligkeit müssen daher unterschiedlich groß sein.)
Die Eintragungen, so, wie sie aus den Messungen mit dem Hipparcos-Satelliten abgeleitet wurden, zeigen die Vielfalt der möglichen stellaren Eigenschaften, aber auch, dass einige Wertekombinationen nicht oder nur selten vorkommen. Die Farbigkeit in diesem Diagramm ist ein Maß für die Dichte der Datenpunkte im jeweiligen Bereich.
Die Sterne auf dem Streifen von rechts unten bis links oben sind die Sterne der sogenannten Hauptreihe. Sterne der anderen Bereiche haben eigene Typenbezeichnungen, die im Text erläutert werden. Sie charakterisieren zum Teil die äußere Erscheinungsform, aber oft nur die Lage in solchen Diagrammen. (Fig. ESA, öffentliches Datenarchiv des Hipparcos-Projekts)

Temperatur und Strahlung

Alle Objekte geben elektromagnetische Strahlung (EM-Strahlung) ab, deren Intensität von Wellenlänge zu Wellenlänge (oder Frequenz zu Frequenz) unterschiedlich ist. (Die Wellenlänge λ der Strahlung ist mit der Frequenz f verknüpft durch c = λ × f mit c die Lichtgeschwindigkeit.) Auch Menschen strahlen! Wenn man sich neben jemanden setzt, spürt man die elektromagnetische Strahlung des anderen Körpers als "Wärmestrahlung", EM-Strahlung im Infrarot-Bereich. Es gibt offenbar einen klaren Zusammenhang zwischen Strahlung und Temperatur: Warme Körper strahlen generell mehr als kühle.

Man kann in einem einfachen Experiment zeigen, dass alle Objekte mit hoher Temperatur eher bläulich-weiß strahlen, dass kühle Objekte eher rötlich sind und schwächer strahlen. Erhitzt man ein Metallstäbchen an einem Ende mit einer Flamme, dann sieht man beim langsamen Aufwärmen das Stäbchen von dunkel über dunkel rot und schwach rot zu hell weiß strahlen.

Die Planck-Funktion

Schon Ende des 19. Jh. war ein Teil des Verhaltens der Wärmestrahlung bekannt. Sie wurde in Experimenten mit idealen Strahlungsquellen, sogenannten Schwarzkörperstahlern, untersucht. Wien hatte 1896 den Verlauf der Intensitäten bei hohen Frequenzen theoretisch hergeleitet. Seine Formel erklärte aber nicht das Verhalten bei niedrigen Frequenzen. Rayleigh und Jeans fanden die richtige Beschreibung im Bereich niedriger Frequenzen, aber nach deren Formel stiegen die Intensitäten bei hohen Frequenzen auf unendlich große Werte an. Es gelang Planck Oktober 1900 die richtige Formel zu finden. Weitere historische Einzelheiten sind bei Simonyi (1990) zu finden.

Die von allen Objekten abgegebene elektromagnetische Strahlung wird durch die Planck-Funktion beschrieben (siehe Abb. 2 für eine anschauliche Erklärung). Sie gibt die Menge der aus einer Einheitsfläche abgestrahlten Energie Bf an, die in einem Raumwinkel in einem Frequenzintervall in einer Sekunde freigesetzt wird:

Bf = 2 h (f3/c2)   (e(h f / k T) −1)−1.

Es gibt drei bedeutsame Aspekte der Planck-Funktion: Erstens, diese Formel kann für den Fall eines kleinen Wertes des Exponenten (h f / k T << 1) mit Hilfe einer Reihenentwicklung zur Rayleigh-Jeans-Formel umgerechnet werden: Bf = 2 (f2/c2) k T. Dieser Ausdruck, Juni 1900 von Rayleigh und Jeans abgeleitet, zeigt, dass dann B proportional zu f2 ist. Zweitens, für große Werte des Exponenten (h f / k T >> 1) kann die -1 in der Planck-Funktion vernachlässigt werden, und man findet die Wiensche Formel: Bf = 2 h (f3/c2) e(-h f / k T). Und drittens, die Lage der maximalen Intensität kann aus der Funktion abgeleitet werden und hängt von der Temperatur ab. Die Relation (Wienscher Verschiebungssatz) lautet: λ(max.Intens.) × Temperatur = 3 107 mit λ in Angström und T in Grad Kelvin.

Abb. 2: Die Planck-Funktion in logarithmischer Form. Die Kurven sind mit der jeweiligen Temperatur markiert; die Kurve ohne Zahl ist die für 3000 K, die Kurve von 300 K entspricht etwa der Temperatur der Erde. Bei höheren Temperaturen steigt die abgestrahlte Gesamtmenge der Energie rasant, und zwar mit T4.  In einer logarithmischen Darstellung bleibt die Form der Kurven bei unterschiedlichen Temperaturen gleich, die Maxima verschieben sich proportional zur Temperatur zu höheren Frequenzen (kürzeren Wellenlängen).
Der vertikale Streifen deutet den sichtbaren Bereich des Spektrums an (von links: UV-blau-grün-gelb-rot).
Sterne strahlen nahezu gemäß der Planck-Funktion. Sterne existieren in einem sehr großen Temperaturbereich, der von kühl (etwa 3000 Grad Kelvin), über mittelmäßig heiß wie die Sonne (etwa 6000 Grad) bis sehr heiß (bis über 100 000 Grad) reicht. Heißere Sterne strahlen gigantisch viel mehr blaues als rotes Licht ab. Dadurch erscheint uns ein kühler Stern rötlich, ein heißer Stern bläulich. Die Steigung, so, wie sie im Spektrum gemessen werden kann (angedeutet von Querlinien bei den Kurven von 3000 K und 10 000 K) korreliert mit der Temperatur. Die Steigung zwischen den Farbfilter-Bereichen B und V liefert den Farbindex B−V.
Diagramm erstellt von T. Kaempf und M. Altmann, Stw. Uni Bonn; siehe auch de Boer & Seggewiss (2008, Kap.1).

Bei grafischer Darstellung der Planck-Funktion gibt es zwei Möglichkeiten: die "lineare" und die "logarithmische". Da die Planck-Funktion sehr große Wertebereiche streift, wird fast immer die logarithmische Darstellung gewählt (siehe Abb. 2).

Die Gesamtmenge der Energie, die durch eine Einheitsfläche abgestrahlt wird, findet man nach Integration über alle Frequenzen:

S =  ∫ Bf df =  σ T4     in W m-2 .

Diese empirisch gefundene Relation (mit Konstante σ=sigma) wird nach den Entdeckern (1897, 1884) Stefan-Boltzmann-Gesetz genannt. Sie zeigt, dass ein Körper, der an der Oberfläche z.B. 2 mal so heiß ist wie sein Nachbar, insgesamt 24= 16 mal soviel Energie abstrahlt!

Oberfläche einer Kugel

Ein Stern ist ein nahezu kugelförmiger Körper, der Strahlung abgibt. Die Größe der Oberfläche A einer Kugel wird gegeben durch:

A = 4 π R2     in m2,

mit R der Radius der Kugel. Der Radius der Sonne ist Ro = 696000 km.

Gesamtenergie

Die Gesamtenergie, die von einer nach Planck strahlenden Kugel freigesetzt wird, nennt man die Leuchtkraft, L. Man findet sie aus dem Produkt der Kugeloberfläche (A) mit der pro Flächeneinheit abgestrahlten Energie (S), also

L  =  A × S  =  4 π R2   ×   σ T4     in Watt .

Wir können nun ein Diagramm (Abb. 3) erstellen und grafisch nachvollziehen, wie die Leuchtkraft mit der Temperatur und der Fläche des Objektes zusammenhängt. Die Darstellung ist wieder logarithmisch, da sonst die Grafik schnell zu klein wäre, um alle realistisch bei Sternen auftretenden Werte der Parameter zu fassen. Ganz deutlich ist, dass bei gleichem Radius die Leuchtkraft je nach Temperatur der Oberfläche einen unterschiedlichen Wert hat.

In derartigen Betrachtungen werden die Parameter L und R immer in Einheiten der Leuchtkraft und des Radius der Sonne gegeben: Lo und Ro. Dabei ist "o" das Symbol für die Sonne. Man verwendet also Einheiten von L/Lo und R/Ro. Bei der Temperatur T wird diese Art der Normierung nicht gemacht.

Abb. 3. Das Diagramm von log L/Lo mit log T zeigt wie groß die Leuchtkraft L von kugelförmigen Objekten mit Radius R/Ro ist, die bei Temperatur T gemäß der Planck-Funktion strahlen. Der Maßstab der Skalen in log L und log T wurde mit Absicht so gewählt, dass eine Erhöhung der Temperatur um eine Zehnerpotenz, die zu einer Erhöhung der Leuchtkraft (wegen S=σT4) um 4 Zehnerpotenzen führt, eine Verschiebung von genau gleicher Länge bei beiden Achsen bewirkt.    Die Reihe der in diesem Diagramm eingezeichneten Punkte gibt die Lage wahrer Sterne. Dabei geben die Markierungen: O5, B0, B5, A0, F0, Sonne (mit Typ G2), K0, M0 (jeweils mit V für die Leuchtkraftklasse der Hauptreihensterne) den sogenannten Spektraltyp an. Der Spektraltyp kann aus Spektren der Sterne abgelesen werden.
 
Dieses Diagramm zeigt nur Parameter der Sternoberfläche.
 
In Abb. 6 sind Wege der Sternentwicklung zu finden.
Bild: de Boer &Seggewiss (2008).

Bevor wir einen Vergleich mit Sternen durchführen können, muss erst besprochen werden, wie man die Temperatur und die Helligkeit eines Objektes messen kann.

Messungen an Sternen

Temperaturbestimmung

Um die Temperatur der Sterne zu bestimmen, wird meistens auf die Physik der Planck-Funktion zurückgegriffen. Man versucht dabei, der Steigung der Intensitätsverteilung auf die Spur zu kommen.

Eine Messung der Intensität j bei einer Frequenz f1 liefert j(f1). Die Messwerte der Sterne werden wegen der grossen Unterschiede in der Intensität immer logarithmiert. In Anknüpfung an alte Helligkeitsskalen für die Sterne (aus der Antike) gibt es beim Logarithmieren noch einen Vorfaktor, −2.5, und die logarithmierten Intensitäten werden Magnituden (mag) genannt.

Aus Messungen in unterschiedlichen Frequenzbereichen, z.B. bei f1 und f2, kann das Intensitätsverhältnis gebildet werden. Daraus ergibt sich

−2.5 log (j(f1) / j(f2)) = [−2.5 log (j(f1)] − [−2.5 log j(f2)] .

Viele Messungen werden im Sichtbaren gemacht. Der Frequenzbereich (oder Wellenlängenbereich) von f2 liegt dabei mitten im visuellen Teil des Spektrums und die logarithmierte Intensität −2.5 log j(f2) wird V genannt, f1 liegt im blauen Bereich und −2.5 log j(f1) heißt B (beide in mag). Aus Messungen dieser Art wird das Verhältnis beider gemessener Intensitäten j(f1) / j(f2) gebildet, dass dann den Farbindex B−V liefert.

Ein Farbindex ist daher die Steigung zwischen den Messpunkten bei f1 und f2 in einem logarithmischen Intensitätsdiagramm (siehe z.B. Abb. 2). Diese Steigung wird nun mit den Werten verglichen, die laut Planck-Funktion im Bereich f1 bis f2 vorkommen können. Finden wir unser Verhältnis in der Planck-Funktion wieder, so hat unsere Strahlungsquelle gerade die Temperatur dieser Planck-Funktion.

Betrachtet man nun, wie sich die Steigung B−V bei einer Planck-Funktion ändert, wenn man von einem Körper niedriger Temperatur allmählich zu einem Körper hoher Temperatur wechselt, so sieht man eine deutliche Änderung (siehe Abb. 2). Sie erreicht letztendlich eine feste Steigung, da oberhalb einer bestimmten Temperatur alle Planckkurven im B,V-Bereich die gleiche (große) Steigung haben. Dies wird sofort klar, indem man die Rayleigh-Jeans-Relation logarithmiert

Aus den Messungen an Sternen folgt so die Temperatur aus dem Verhältnis der Intensitäten. Man beachte, dass eine derartige Messung unabhängig ist von der Entfernung des Objekts! Es muss noch angemerkt werden, dass Sterne nicht genau wie Schwarzkörper strahlen; die Abweichungen sind aber bekannt und können aus der detaillierten Physik der Sternatmosphären erklärt werden. Die Temperatur kann auch aus Informationen über die Spektren der Sterne abgeleitet werden, aus dem Spektraltyp (siehe unten bei HRD).

Entfernungen

Die Entfernungen d der nahen Sterne kann mit Hilfe der Trigonometrie bestimmt werden. Wegen des Umlaufs der Erde um die Sonne können wir nahe Sterne aus unterschiedlicher Richtung sehen. Ein naher Stern scheint sich im Jahresrhythmus vor dem Hintergrund der weit entfernten Objekte zu bewegen. Das ist die sogenannte parallaktische Bewegung (siehe Abb. 4).

Abb. 4. Skizze der Methode zur Bestimmung der Entfernung eines Sterns von der Erde in ihrer Bahn um die Sonne. Aus der Verlagerung (Winkelmaß in Bogensekunden) eines Sterns im Halbjahresrhythmus gegen das Hintergrundsternfeld, gemessen aus Vergleich mehrerer Himmelsaufnahmen (Photoplatte, CCD), kann zusammen mit dem bekannten Wert des Erdbahndurchmessers die Entfernung des Sterns trigonometrisch berechnet werden. Dies ist die parallaktische Methode. Bild: Autor.

Die Entfernung wird von Astronomen aus der parallaktischen Verlagerung par berechnet, d = 1/par, und mit dem Wort Parsec (von Parallax-Sekunde) angegeben. Ein Parsec (pc) entspricht 3 x 1013 km (oder 3 Lichtjahren). Astronomen haben dann vereinbart, dass, zum besseren Vergleich der Sterne untereinander, die Helligkeiten der Sterne auf eine Entfernung von 10 pc umgerechnet werden. Diese Helligkeit wird die absolute Helligkeit genannt.

Absolute Helligkeit und Leuchtkraft

Die mit einem Gerät bei einer Frequenz gemessene Intensität j(f) eines Sterns kann dann mit Hilfe der Entfernung auf die absolute Intensität des Sterns (bei Frequenz f) umgerechnet werden:

J(f) = j(f) × d2

Integriert man über die Intensitäten aller Frequenzen, dann bekommt man:

L = ∫ J(f) df ,

die Leuchtkraft  L des Sterns.

Die Sterne und die Theorie

Nachdem alle Messungen und Umrechnungen durchgeführt worden sind, können wir unsere Daten in einem Diagramm mit log L/Lo und log T auftragen. Dieses Diagramm kann mit dem theoretischen Diagramm (Abb. 3) kombiniert werden. Man stellt sofort fest, dass es Sterne mit sehr unterschiedlichen Parametern gibt.

Drei Gattungen des Diagramms:
    das HRD, das FHD und das L - T Diagramm

Der Begriff Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) ist im Sprachgebrauch (leider) mehrdeutig.

Mit dem ursprünglichen HRD ist das Diagramm von Spektraltyp gegen absolute Helligkeit gemeint. Die absolute Helligkeit (MV) ist (wie oben beschrieben) die für die Entfernung korrigierte Helligkeit. Der direkt beobachtbare Parameter Spektraltyp (SpT) ist eine Charakterisierung des >vorhandenen Musters von Absorptionslinien im Sternspektrum. Die Absorptionslinien werden durch die in der Sternatmosphäre vorhandenen Atome und Ionen verursacht, die sich in temperaturabhängigen Anregungs- und Ionisationszuständen befinden. Die Sequenz der Spektraltypen ist daher gleichzeitig eine Temperatursequenz (siehe Abb. 5, links). In kühlen Atmosphären sind die Elemente vorwiegend neutral, in heißen Atmosphären selbstverständlich vorwiegend ionisiert.

Auch das Diagramm, in das Leuchtkraft L und Temperatur T der Sterne (wie oben beschrieben, Abb. 3) gegeneinander aufgetragen werden, heißt HRD. Hier spricht man vom physikalischen HRD. Die Leuchtkraft wird logarithmisch, die Temperatur meist auch logarithmisch dargestellt (siehe Abb. 5, rechts).

Ein weitere Möglichkeit, die stellaren Parameter zu vergleichen, gibt ein Diagramm, in das die direkt beobachtbaren Werte der Farbe (der Farbindex B−V) und der absoluten Helligkeit (MV). Es ist das Farben-Helligkeitsdiagramm (FHD), wofür Farbindizes sowie Parallaxen gemessen werden müssen (siehe Abb. 5, mitte). Das auf Messungen des Hipparcos-Satelliten basierende sehr genaue FHD von relativ nahen Sternen (mit parallaktischen Entfernungen) wurde in Abb. 1 wiedergegeben.
Bei Ensembles wie Sternhaufen braucht nur V eingetragen zu werden. Ein derartiges V,B−V Diagramm kann mit dem "Soll"-Diagramm verglichen werden, um so zur Bestimmung der Entfernung der Sterngruppe zu kommen.
 

Abb. 5. Die drei Gattungen des "HRD":


MV vs SpT
(ursprüngliches HRD).


MV vs B−V
(das FHD).


L vs T
(theoretisches HRD).

Die drei Diagramme enthalten die gleichen Sterne. (Bild: Torsten Kaempf, Stw. U.Bonn)

Wichtige Anmerkung: Die Parameter des HRD (alle drei Gattungen) geben Information nur über die Sternoberfläche!

Bedeutung der Lage der Sterne im HRD

Es fällt auf, dass die im HRD oder im FHD eingetragenen Parameterwerte der Sterne nicht gleichmäßig im Diagramm verteilt sind. Offenbar treten nicht alle Wertekombinationen bei Sternen auf. Dies wird sichtbar in beiden Gattungen des HRD sowie im FHD. Insbesondere fällt die sogenannte Hauptreihe auf, die Ansammlung der Datenpunkte von rechts unten nach links oben. Sie stellen die Sterne dar, die in ihrem stabilen, länger dauernden Hauptreihenlebensstadium sind. In diesem Stadium findet die relativ ruhige Fusion von Wasserstoff zu Helium im Zentrum dieser Sterne statt, die Hauptlebensphase, die etwa 90% eines Sternlebens ausmacht.

Bei heißeren Hauptreihensternen ist die Leuchtkraft sehr viel größer als bei den kühleren Sternen. Die Erklärung kann aber nicht die Temperatur der Oberfläche alleine sein. Die Formel der Gesamtenergie (oben) gibt zwar die Leuchtkraft proportional zu T4, aber die Hauptreihe liegt nicht genau entlang einer Linie mit konstantem R (siehe Abb. 3). Offenbar ist bei Sternen der Hauptreihe zu höherer Temperatur hin (nach links die Hauptreihe hoch) die Leuchtkraft größer als nur gemäss T4, und deswegen muss auch der Radius größer sein.

Hier sei noch angemerkt, dass, obwohl die Hauptreihensterne links oben mehr Masse enthalten als die rechts unten, sie dennoch eine kleinere Lebenserwartung haben. Dies geht auf die große Energieproduktion zurück, die proportional zu M3 ist.

Rechts oberhalb der Hauptreihe findet man weitere Datenpunkte. Es ist der Bereich der rötlichen Sterne, die je nach Wert von B−V oder nach deren Spektraltyp eine niedrige Temperatur haben. Sterne mit großer Leuchtkraft (helle Sterne, rechts oben) müssen wegen L = 4 π R2 σ T4 eine viel größere Oberfläche haben als die lichtschwachen (rechts unten)! Die rechts-oben liegenden Datenpunkte stellen daher Rote Riesensterne dar. In Anlehnung an diese Benennung werden die Hauptreihensterne auch Zwergsterne genannt.

Es gibt links unten auch einige Datenpunkte im Diagramm (gut im FHD zu sehen). Wählt man einen blau-weißen Wert von B−V und vergleicht dann die absolute Helligkeit eines solchen Sterns mit der eines Hauptreihensterns gleicher Farbe, so muss man auf einen sehr viel kleineren Radius des lichtschwachen Sterns schließen. Solche Sterne heißen daher Weiße Zwerge.

Mit Hilfe dieser einfachen Betrachtungen kann man aus den Messungen sofort etwas über Ausdehnung und Temperatur der Sternoberfläche ableiten.

Aber eine weitere, wichtige Schlussfolgerung muss hier gemacht werden. Wenn Objekte sehr unterschiedliche Energiemengen produzieren (unterschiedliche Leuchtkraft haben) bei nahezu gleichem Radius (so wie es bei Hauptreihensternen ist), so muss es einen weiteren wesentlichen Unterschied geben. Der Unterschied in der Energieproduktion kann nur auf eine höhere interne Temperatur zurückgehen, die dann durch eine sehr große Masse erklärt werden kann. Die Sterne der Hauptreihe bilden eine Sequenz in Masse.

Die Unterschiede der Verzweigungen in HRD und FHD

Die dicht mit Datenpunkten besetzten Bereiche im HRD bzw FHD haben (wie oben angegeben) eigene Namen. Sie werden oft als Verzweigungen der Hauptreihe gesehen und heißen daher zum Teil "Ast". Die bekanntesten Bereiche sind der Riesenast (Kurzfassung für den Bereich der Roten Riesen), der Horizontalast (ein Bereich teilweise horizontal quer vom Riesenast zum Blauen hin), der asymptotische Riesenast (ein Bereich etwas blauer als der Riesenast, der sich zum Roten hin dem Riesenast annähert), und der Unterriesenast (der die Hauptreihe von unten mit dem Riesenast verbindet). Oberhalb des blauen Teils der Hauptreihe findet man die blauen Überriesen.

Die Lage und Form dieser Äste ist in den drei Gattungen der Diagramme unterschiedlich. Diese Unterschiede gehen im wesentlichen auf die Formel der Gesamtenergie und der Planck-Funktion zurück, zum Teil aber auf die Eigenart der astronomischen Beobachtungsparameter.

Das heiße Ende der Hauptreihe

Die Hauptreihe hat nach links oben zum heißen Ende hin eine ganz unterschiedliche Form in den Diagrammen.

Im FHD hat die Hauptreihe eine Begrenzung nach links in B−V. Sie tritt auf, da bei Sternen heißer als etwa 20000 K (log T > 4.3) der Farbindex B−V seinen Grenzwert erreicht. Die Temperatur dieser Objekte ist so hoch, dass die Messungen in B und V eben im Rayleigh-Jeans-Bereich der spektralen Energieverteilung erfolgen, und die heißen Sterne dann alle den gleichen B−V aufweisen. In einem FHD wird daher die Hauptreihe im Blauen steil nach oben zeigen. Es ist noch zu erwähnen, dass auch mit Farbindizes aus anderen Wellenlängenbereichen FHDs erstellt werden können.

Im HRD (SpT gegen MV) gibt es eine derartige Grenze nicht, da an die Definition der Spektraltypen keine Grenze gesetzt ist. Die Spektraltypen sind eine Temperatursequenz, und bei immer heißeren Sternen wird es immer wieder neue spektrale Strukturen geben, die zu der Definition weiterer Spektraltypen führen kann.

Im HRD (L gegen T) gibt es daher auch keine Grenze nach links.

Form des Riesenastes

Die Form des Riesenastes ist auch ganz verschieden in FHD und HRD.

In den Temperatur-Diagrammen (oder Logarithmus der Temperatur) läuft der Riesenast steil nach oben. Dies rührt daher, dass die Sterne nur einen kleinen Temperaturbereich aber einen großen Radiusbereich abdecken.

In den Spektraltyp-Diagrammen tritt in Erscheinung, dass im Bereich niedriger Temperaturen schon bei geringen Temperaturunterschieden starke Änderungen in den spektralen Strukturen auftreten. Es ist also einfach, schon für kleine Temperaturunterschiede neue Spektraltypen zu definieren. Der Riesenast biegt weit nach rechts.

In den Farb-Diagrammen spielt die Tatsache eine Rolle, dass die Bereiche B und V der spektralen Energieverteilung jetzt auf der Wienschen Seite der Planck-Funktion liegen, und daher bei geringem Temperaturunterschied schon große Änderung im Wert von B−V zeigen. Auch hier biegt daher der Riesenast weit nach rechts.

Lage des Anschlusses von Riesenast an die Hauptreihe

Der Riesenast ist gewissermaßen mit der Hauptreihe verbunden. Dies wird allerdings nicht bei allen Sterngruppen so sichtbar.
Sterne mit großer Anfangsmasse entwickeln sich schnell und ändern dabei nach dem Hauptreihenstadium das äußere Aussehen gewaltig (siehe unten für die physikalischen Gründe). Daher findet man in älteren Sterngruppen keine Sterne der oberen Hauptreihe. Sterne geringer Anfangsmasse entwickeln sich im Vergleich langsam. Und ältere Sterngruppen haben einen wohl ausgebildeten Riesenast. Je älter die Sterngruppe, um so deutlicher gibt es Sterne im Anschlussbereich zwischen Riesenast und Hautpreihe.

Lebenserwartung; Alter

Für Hauptreihensterne gilt in etwa L ∼ M3. Das bedeutet, dass das Hauptreihenstadium eine wohldefinierte Zeit andauert. Dies folgt aus Lebenserwartung t = Brennvorrat / Brennrate, also  t = M / L  ∼  M / M3  =  1/ M2 .  Die Lebenserwartung eines Sterns ist umgekehrt proportional zum Quadrat seiner Masse. Dazu wäre noch zu berücksichtigen, dass Sterne nur bis zu 10% ihrer Masse über Kernfusion in Strahlung verwandeln können.

Aus der Lebenserwartung der Sterne (Dauer des Hauptreihenstadiums) kann abgeleitet werden, dass die Lage des Anschlusses zum Riesenast ein Maß für das Alter der Sterngruppe ist. Je niedriger der Anschluss im Diagramm liegt, um so älter ist die Gruppe.

Wie wird ein Hauptreihenstern zu einem Roten Riesen?

Vergleiche von Sternhaufen zeigten, dass die FHDs solcher Sterngruppen ziemlich unterschiedlich aussehen. Insbesondere ist die Hauptreihe manchmal nur zu einem geringen Teil mit Datenpunkten besetzt. Manchmal gibt es aber keine blauen Hauptreihensterne, dafür viele Rote Riesen. Dies deutet auf Sternentwicklung hin und zwar von Hauptreihensternen zu Roten Riesen (siehe auch de Boer & Seggewiss 2008; Kap. 9).

Die Verwandlung wird von den Entwicklungen im Sterninneren ausgelöst. Während der Fusion von Wasserstoff (H) zu Helium (He), dem H-Brennen, wird effektiv aus vier H-Atomen ein He-Kern erzeugt. Da die Gase im Sterninneren voll ionisiert sind, daher die 4 H-Atome eigentlich 4 Protonen und 4 Elektronen sind und das He ein alpha-Teilchen plus 2 Elektronen, wird durch die Fusion die Zahl der Teilchen von 8 auf 3 reduziert. Diese 3 Teilchen brauchen weniger Platz als die 8, die mittlere Masse der Teilchen ist höher, und der Kernbereich des Sterns schrumpft allmählich. Dabei steigt die innere Temperatur, wodurch die Kernfusion beschleunigt wird. Diese Änderungen sind ganz langsam aber stetig, so dass in dieser Phase des Zentralbrennens die Leuchtkraft des Sterns fast unbemerkt ansteigt. Im Zentrum des Sterns bildet sich allmählich ein Bereich gefüllt mit immer mehr He und immer weniger H.

Irgendwann ist die H-Fusion im Sterninneren so weit fortgeschritten, dass fast alle H-Atome in He verwandelt sind. Dann kommt der Moment, in dem im Inneren das Brennmaterial für die H-Fusion verbraucht ist: die Kernfusion gerät ins Stocken. Durch das Fehlen der Energieproduktion wird sich das Innere des Sterns kontrahieren. Dadurch steigt die Temperatur an und damit auch die Temperatur um die zentrale Helium-Zone. Dabei wird das Gas um diese zentrale Zone heiß genug, um den dort noch immer vorhandenen H zur Fusion zu bringen. Um den He enthaltenden Zentrumsbereich herum gibt es jetzt eine H-brennende Schale und die Leuchtkraft kehrt zu etwa dem vorherigen Niveau zurück oder steigt weiter an.

Nun aber ist der Stern grundsätzlich anders in seinem Aufbau als vorher. Die Energiequelle (die H-brennende Schale) liegt dichter an der Oberfläche, als die beim Zentralbrennen. Dadurch fällt die Temperatur nach außen viel steiler ab als zuvor. Und bei steilem Temperaturabfall tritt Konvektion auf. (Dies ähnelt der Situation an warmen sonnigen Tagen in der Erdatmosphäre, wo

Abb. 6. Entwicklung von Hauptreihensternen zu Roten Riesen, danach viele weitere Stadien.
Für angegebene Anfangsmassen sind Wege der Entwicklung gezeigt, also wie die stellaren Merkmale sich mit der Zeit ändern.
 
Die schraffierten Bereiche deuten lang andauernde Entwicklungsstufen an.
Nach Maeder und Meynet (1989).

es zu Konvektion und in der vertikalen Strömung zur Bildung von Quellwolken kommt.) Die Hülle des Sterns muss jetzt einen verstärkten Abtransport von Energie bewältigen. Sie wird von innen her heißer und dehnt sich aus. Dieser Prozess dauert so lange, bis eine neue stabile Situation zustande gekommen ist. Modellrechnungen zeigen nun, dass der Stern sich dabei leicht zu 10-fachem Durchmesser ausdehnt. Solche ausgedehnten Sterne sind die uns schon bekannten Roten Riesen.

Es sind die Entwicklungen im Sterninnern, die Änderungen der Gesamtstruktur der Hauptreihensterne antreiben. Abb. 6 zeigt ein HRD mit Wegen der Sternentwicklung. Die von der Hauptreihe nach rechts gehenden Linien zeigen, wie die Parameter eines Sterns sich mit der Entwicklung ändern. Sterne haben eine lange stabile Phase im Bereich der Haupreihe (das schraffierte Gebiet mittig im Diagramm), sie entwickeln sich danach zum Stadium der Roten Riesen, eine weniger lange stabile Phase (nach oben rechts schraffiert).

Die auf das Riesenstadium folgenden Änderungen sind sehr vielfältig und werden hauptsächlich durch die Anfangsmasse der Sterne bestimmt (siehe z.B. de Boer 2001). Massereiche Sterne explodieren später als Supernova, Sterne wie die Sonne werden ganz ruhig zu Weißen Zwergen. Es gibt dabei aber viele Variationen und viele interessante Zwischenstufen. Sie alle zu beschreiben sprengt den Rahmen dieses Aufsatzes.


Literatur:
de Boer K.S.,
"Von der Geburt bis zum Tod der Sterne", 2001, in "... und Er würfelt doch",
      Müller-Krumbhaar H., Wagner H.-F., (Hrsg.), Wiley-VHS Verlag, ISBN 3-527-40328-0
de Boer, K.S., Seggewiss, W., 2008, "Stars and Stellar Evolution"; EDPSciences, ISBN 978-2-7598-0356-9
Maeder A., Meynet G., 1989, Astronomy & Astrophysics, 210, p. 155
Simonyi K., "Kulturgeschichte der Physik", 1990, Verlag Harri Deutsch, ISBN 3 87144 689 0
Sobel D., "Galileo's Daughter", 1999, Fourth Estate Ltd., ISBN 1-84115-494-6


(2017.12.08) Ursprünglich veröffentlicht in "Astronomie + Raumfahrt", Heft 6, Nov./Dez. 2001; aktualisiert Dez. 2017