Web-Projekt Physik des Monats             November

Instrumente und Methoden;     Astronomie:     Röntgen- und Gamma-Strahlen


Die Photonen im Röntgen- und Gamma- (X- und γ-)Bereich sind die mit den höchsten Energien. Die Bedeutung dieses Bereichs des Spektrums liegt darin, dass hier die sich im Universum abspielenden hochenergetischen Prozesse sichtbar werden. Dabei handelt es sich meistens um Strahlung aus ganz heissen Gasen (1-10 Million Grad), wie z.B. die Gase der Korona der Sonne oder auch die heisse Komponente des interstellaren Gases. Schliesslich finden auch hochenergetische Prozesse im Wechselspiel vieler Doppelsterne mit einem kompakten Begleiter statt, bei denen Gas von einem Stern auf den begleitenden Weissen Zwerg, auf einen Neutronenstern oder in ein Schwarzes Loch strömt. Auch Gasströme in Kernen aktiver Galaxien können zur Freisetzung hochenergetischer Photonen führen.

Röntgen- und Gamma-Photonen solch hoher Energie dringen leicht in Materie ein, wo sie in Wechselwirkung mit der Materie (Ionisation, Kernreaktionen, Streuung, Compton-Effekt) ihre Energie verlieren. Da die Erdatmosphäre auch mit diesen Photonen wechselwirkt, ist die Atmosphäre nicht durchlässig. Man kann die ausserhalb der Erde freigesetzten X- und γ-Photonen nur mit Hilfe von Detektoren in Raketen oder Satelliten messen.

Eine große Schwierigkeit bei der Detektion von Röntgen- und Gamma-Quellen ist, dass die Photonen nicht von herkömmlichen Spiegeln reflektiert werden, da sie eben einfach in das Material eindringen. Man weiss daher nicht sofort, aus welcher Richtung sie kommen. Allerdings findet bei streifendem Einfall an gut polierten metallischen Flächen Reflexion doch statt. Die Detektion der Photonen basiert dann wieder auf der Interaktion der Photonen mit dem Material des Detektors: Es werden Elektronen freigesetzt oder Lichtblitze ausgelöst, die mit Hilfe bekannter Techniken in verwertbare Signale verwandelt werden.

Die streifende Reflexion wurde als erstes ausgenutzt, indem man mit einer Sammlung paralleler gut polierter Metallplatten eine gewisse Richtungsempfindlichkeit erreichte. Man "sieht" alle Photonen aus einem ganzen Streifen am Himmel, aber die aus seitwärtigen Richtungen kommenden werden von den Platten absorbiert. Wenn man den Himmel mit diesem Detektor in unterschiedlicher Ausrichtung abtastet, kann man aus Orientierung und ermitteltem Signal doch die Position einer Quelle bestimmen. Die Methode wurde bei den ersten Röntgendetektoren in Raketenexperimenten und Satelliten verwendet.

Die ersten Röntgen-Experimente hatten aufrechte parallele Platten vor den Detektoren, die sogenannten "Kollimatoren". Nur Photonen, die zwischen den Platten unversehrt vom Himmel zum Detektor gelangten, wurden als Signal detektiert. Abgebildet ist eine Lösung, in der es auch kleine Querstreben gibt. So entsteht eine gewisse Richtungsempfindlichkeit, wie sie mit dem rechteckigen Konus links angegeben wird. (Bild von Rossi 1966)

Später hat man leicht gebogene Flächen bei streifendem Photonen-Einfall verwendet (nach Wolters, 1952), um so eine "abbildende Optik" zu bekommen. Dies wurde sehr erfolgreich beim deutschen Röntgensatelliten (ROSAT) angewandt, und dann ebenfalls bei späteren Satelliten.

Das ROSAT-Teleskop ist eigentlich ein multiples Teleskop, aufgebaut aus mehreren, ineinander gesetzten Teleskope.
Bild aus einer ROSAT-Broschüre.
   
Technische Zeichung von ROSAT. Die an den inneren Flächen der ineinander gesetzten Teleskope (vergleiche mit dem Bild links) reflektierte Photonen (siehe gestrichelte Linien; 2 Reflexionen) liefern eine scharfe Abbildung der Quelle auf dem Detektor.
Quelle des Bildes

Die Photometrie liefert Information über die spektrale Verteilung der abgestrahlten Intensitäten und (im Wesentlichen unter Verwendung der Planck-Funktion) über die Temperatur der Objekte. Eine Komplikation bei der Deutung der Photometrie ist, dass das interstellare Gas selber auch Photonen absorbiert. Im Röntgenbereich spricht man von weicher und von harter Röntgenstrahlung, je nach Energiebereich der Photonen. Der γ-Bereich umfasst alles, was energiereicher als die Röntgenstrahlung ist. Detektiert wurden bisher Photonen mit Energie zwischen 100 keV (=0.1 MeV) bis 10 TeV (=10.000.000 MeV). Von den Photonen mit höchster Energie gibt es allerdings nur ganz ganz wenige.
Die Spektroskopie, die wegen der technologisch schwierigen Entwicklung der Instrumente erst spät zum Tragen kam, liefert Information über die Spektrallinien und (im Wesentlichen unter Verwendung der Boltzmann-Statistik) über die Bedingungen wie Temperatur und Dichte in den leuchtenden Gasen.

Die Strahlung im X- und γ-Bereich stammt sowohl aus diffusen Quellen (Gaswolken) als auch aus "Punktquellen" (Doppelsterne, Pulsare, Quasare, Kerne aktiver Galaxien). Es werden fast immer flächenhafte Abbildungen gewonnen. Allerdings war die räumliche Auflösung bei den ersten X- und γ-Teleskopen nicht sehr gut, bedingt durch die Schwierigkeit gut abbildende Optik herzustellen.

Gammastrahl-Astronomie wird auch von der Erdoberfläche aus gemacht. Dann detektiert man allerdings mit herkömmlichen Teleskopen nur Lichtblitze, die bei der Wechselwirkung von γ-Quanten mit Atomen der oberen Erdatmosphäre freigesetzt werden. Die Techniken sind die, die auch bei einem Teil der Höhenstrahlen-Astronomie eingesetzt werden.

Die wichtigsten astronomischen X- und γ-Experimente (Missionen) sind in der Tabelle aufgeführt.

Röntgenstrahlung (X-rays) γ-Strahlung (γ-rays)
Missionen Universum
1960 - Raketen,
Ballon Missionen
Raketen,
Ballon Missionen
1970 UHURU  
1972 - 1982 Copernicus, ANS, SAS-3
Einstein (HEAO-2)
EXOSAT, Ginga
Cos-B
1990 - 2000 ROSAT (1991-2000) CGRO (1991-2000)
ASCA (1993-2000)
1998 - XMM (seit 1999), Chandra (seit 1999) BeppoSax (seit 1998)
Intergral (seit 2003)
Missionen Sonne
1950 - 1980 Raketen
Ballon Missionen
 
1960 - 1980 Orbiting Solar Observatories  
1990 - SOHO (seit 1995)  

Wichtige Entdeckungen waren:

UHURU: Röntgen-Punktquellen, die die ersten Hinweise auf die Existenz stellarer Schwarzer Löcher gaben (siehe auch Nobelpreis Physik 2002).
Raketen der Wisconsin-Gruppe: Allgegenwärtige Röntgen-Hintergrundstrahlung; diffuse Strahlung aus dem Halo der Milchstraße.
Einstein: Röntgendoppelsterne, und diffuse Röntgenstrahlung.
Rosat: Röntgenschatten von interstellaren Gaswolken (wie die Schatten von Knochen bei einem medizinischen Röntgenbild) gegen heissen/leuchtenden Hintergrund.
Chandra: Heisse "Blasen" in anderen Galaxien (siehe auch das Interstellare Medium).
XMM: Auflösung des Röntgenhintergrunds in vorwiegend Punktquellen (Galaxien).

Cos-B: Erste komplette Himmelskartierung in X-Licht; Compton-Strahlung durch Wechselwirkung schneller Elektronen mit galaktischen dichten (molekularen) interstellaren Gaswolken.
Compton Gamma Ray Observatory mit 4 Detektoren BATSE, COMPTEL, EGRET, OSSE: Genaue Zeitpunkte und grobe Positionen von Gamma-Ray-Bursters (Hypernova-Explosionen); Nachweis der Emission durch radioaktiven Zerfall von in Supernovae-Explosionen erzeugtem Aluminium; Pulsare sind stark im γ-Bereich.
BeppoSax: Sehr genaue Positionen von Gamma-Ray-Bursters (Hypernova-Explosionen) innerhalb weniger Minuten nach Entdeckung! Damit wurden sofortige Nachfolgebeobachtungen im Visuellen von der Erde aus möglich.

OSO: Heisse Gase der Sonnenkorona in EUV Licht (sehr weiche Röntgenstrahlung).
SOHO: Heisse Gase der Sonnenkorona, Variationen der Sonnenausstrahlung.


Literatur:
Trümper, J. 1991, Sterne und Weltraum, Band 30, Nr.4, S.234; Die Erforschung des Röntgenhimmels mit ROSAT
Lilienthal, D. 1992, Sterne und Weltraum, Band 31, Nr.6, S.372; Das lokale interstellare Medium und die weiche Röntgenstrahlung (ROSAT)
Hasinger, G., Reichert, U. 2003, Sterne und Weltraum, Band 42, Nr.9, S.28; Röntgenlicht vom fernen Universum (zu Chandra und XMM)
Schönfelder, V., Kanbach, G. 1990, Sterne und Weltraum, Band 29, Nr.2, S.79; Das Compton Observatorium GRO
Schönfelder, V. 1994, Sterne und Weltraum, Band 33, Nr.1, S.28; Das Compton Observatorium. Spektakuläre Entdeckungen am Gamma-Himmel
Klose, S., Greiner, J., Hartmann, D. 2001, Sterne und Weltraum, Band 40, Nr.3, S.230; und 40, Nr. 4, S.335; Kosmische Gammastrahlenausbrüche
Schönfelder, V. 2002, Sterne und Weltraum, Band 41, Nr.7, S.34; Das Compton-Gammastrahlen-Observatorium
Autor: K.S. de Boer       Sternwarte, Universität Bonn, Auf dem Hügel 71, D-53121 Bonn
mail to: deboer@astro.uni-bonn.de
Veröffentlicht am 2004.11.03 im Projekt Physik des Monats auf www.astro.uni-bonn.de/~deboer/pdm/pdminstastgx.html
Fassung 2004.11.08