Doppelsterne

Am Himmel dicht bis sehr dicht beisammen stehende Sterne haben wohl immer eine gewisse Faszination auf Beobachter ausgelöst. Doppelsterne sind aber insbesondere astrophysikalisch sehr wichtige Objekte.

Unterscheidungen

Doppelsterne werden (und müssen) nach mehreren Kriterien in Untergruppen eingeteilt werden.

A. Optische Paare
Sterne, die projiziert am Himmel dicht zusammenstehen, aber physikalisch nichts miteinander zu tun haben (sie haben sehr unterschiedliche Entfernung). Diese haben keine astrophysikalische Bedeutung. Wenn so ein Paar nicht räumlich aufgelöst wird, sind die Spektren dennoch überlagert und täuschen vor, ein physikalisches Paar zu sein.

B. Physikalische Paare
Sterne, die gravitativ aneinander gebunden sind. Sie umkreisen sich (kreisen um den gemeinsamen Schwerpunkt). Sie haben eine große astrophysikalische Bedeutung.

Bedeutung und Unterteilung der physikalischen Paare

Die Bedeutung der physikalischen Paare liegt darin, dass aus deren Bahnen Sternmassen abgeleitet werden können. Dies setzt ausführliche und vielfältige Beobachtungen (Photometrie, Spektroskopie, Geschwindigkeitmessung) voraus. Aus Wechselwirkungen bei physikalischen Paaren werden wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung solcher Sterne gewonnen.

Die physikalischen Paare können in drei Bereiche unterteilt werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass die beiden Sterne gemeinsam und daher gleichzeitig entstanden sind. Je enger die Sterne stehen, um so stärker sind die gegenseitigen Eiflüsse mit Auswirkung auf die Sternentwicklung.

1. Weite Paare
Physikalisch gebundene "weite Paare" sind im Teleskop i.a. gut getrennt zu sehen. Eine Analyse der Bewegung der Sterne (Änderung der relativen Positionen, Radialgeschwindigkeitsänderungen) erlaubt es, die Bahnen zu bestimmen. Mit Hilfe der Keplerschen Gesetze lassen sich die Massen der Sterne ableiten. Dazu muss auch die Entfernung bekannt sein, die man mit spektroskopischen Methoden versucht zu bestimmen.

2. Enge Paare
Die engen Paare sind mit einem Teleskop i.a. nicht auflösbar. Das Spektrum zeigt die Spektren beider Sterne überlagert, gegebenenfalls auch mit gegenseitigen Radialgeschwindigkeitsvariationen. Bei einigen solcher Paare liegt die Bahnebene so, dass von uns aus gesehen die Sterne sich im Bahnrhythmus bedecken können (Bedeckungsveränderliche mit wohl definierten kurzzeitigen Helligkeitsverringerungen). Siehe die Skizze eines Bedeckungsveränderlichen.
=   Ein sich zum Roten Riesen entwickelnder und sich dabei ausdehnender Stern würde wegen des geringen Zwischenabstandes im Paar Masse auf den anderen übertragen können. Durch die sich ändernde Masse wird die Entwicklung beider Sterne verändert.
=   Die Masse, die übertragen wird, kann sich in einer "Akkretionsscheibe" sammeln. Fällt das Material in unregelmäßigen Zeitabständen und mit großer Wucht auf den Weissen Zwerg (WD), so kann es zu explosionsartiger Kernfusion auf der Oberfläche des WDs kommen und somit zu einem rasanten Anstieg der Helligkeit. Dieses Phänomen heisst ein "Nova" (ein neuer Stern).
=   Wenn einer der beiden Sterne schon zu einem WD geworden ist, kann durch die Masseübertragung die Grenzmasse eines WDs nach oben überschritten werden; der Stern wird instabil und im/explodiert als Supernova (Typ Ia). Da dies bei einer definierten Masse geschieht, haben SN Typ Ia die gleiche Helligkeit und sind daher zur Bestimmung von Galaxienentfernungen sehr geeignet (Standardkerze).
=   Wenn einer der beiden Sterne schon zu einem Neutronenstern (NS) geworden ist, kann durch die Masseübertragung die Grenze zu einem Schwarzen Loch (black hole, BH) überschritten werden.
Siehe zu solchen Fällen die Webseite mit einigen Zeichungen zur Masseübertragung.

3. Sehr enge Paare
Einige Doppelsterne stehen im Raum derart eng zusammen, dass sie sich ständig gegenseitig beeinflussen. Die gegenseitige Beleuchtung liefert erhöhte Oberflächentemperaturen auf den einander zugewandten Seiten. Und durch die gravitative Wechselwirkung sind sie nicht mehr rund, sondern in Richtung des Nachbarn ausgedehnt. Solche Sterne sind nahezu immer Bedeckungsveränderliche mit ganz weich verlaufenden Helligkeitsschwankungen. Auf Dauer verschmelzen diese Sterne miteinander.


2004.07.08   2006.07.05   www.astro.uni-bonn.de/~deboer/eida/eida-dopp.html