Sternatmosphäre

Wenn wir einen Stern sehen, sehen wir seine Oberfläche. Sie ist gasförmig und wird die "Sternatmosphäre" genannt. Fast alles, was wir über Sterne wissen, basiert auf dem Licht, das aus der Sternatmosphäre austritt. Astronomen müssen die Sternatmosphäre verstehen, um den Stern verstehen zu können.

Strahlungsstrom

Im Innern der Sterne wird über Kernfusion Energie erzeugt. Die Energie diffundiert Richtung Oberfläche. Der Energiestrom ist ein Strom von Photonen, ein Strahlungsfeld, das im Sterninneren die Form der Planck-Funktion hat (Schwarzkörperstrahlung).

Die Bedingung für das Auftreten eines Strahlungsfeldes nach Planck ist, dass alle möglichen Wechselwirkungsprozesse derart oft auftreten, dass "alles" im Gleichgewicht ist, und das Strahlungsfeld ist dann auch "isotrop". Dieser Zustand wird "thermodynamisches Gleichgewicht" genannt (thermodynamic equilibrium, TE). Also: Temperatur und Bewegung sind im Gleichgewicht mit der Strahlung.

Für viele Betrachtungen wird mit einem "lokalen" TE gearbeitet (LTE), da große Einheiten (ein Stern) eben doch nicht im Gleichgewicht sind (ein Stern verliert eben Energie).
Nahe der Sternoberfläche stimmt das TE immer weniger. Hier wird das Strahlungsfeld immer asymmetrischer (weniger isotrop), da die Strahlung aus der Atmosphäre entweicht.

Messungen an Sternen sind Messungen an der Sternatmosphäre

Mit Messungen wird Kenntnis über die spektrale Struktur des Sternlichts gesammelt. Grobe Messungen (z.B. mit Filtern: U,B,V usw.) liefern Information über das Kontinuum. Spektral fein aufgelöste Messungen erlauben es, Spektrallinien auszuloten.

Das spektrale Kontinuum wird grobweg durch die Planck-Funktion gegeben, allerdings mit breitbandigen, verstandenen Abweichungen.
Die Spektrallinien sind durch atomare Absorption aufgeprägte, i.a. kleine Absorptionsstrukturen.

Was wir von Sternen messen können, ist nur das, was aus der Atmosphäre zu uns kommt. Dies bedeutet, dass Parameter wie mV, Sp.T., B-V und auch Teff Eigenschaften der Sternoberfläche sind. Die Parameter des Stern-Inneren sind nicht sichtbar.
--> In Diagrammen wie HRD und FHD sind nur Parameter der Sternoberfläche gegeben. Das sich dahinter Parameter wie Masse, Radius und Energieproduktion verbergen ist wahr, aber nicht "sichtbar". Auch das "theoretische HRD" (L,Teff) enthält nur Parameter der Oberfläche.

Theorie der Sternatmosphäre

Um die Struktur der Sternatmosphäre sowie den Energiestrom durch die Atmosphäre zu untersuchen, muss die Strahlungstransportgleichung gelöst werden.

Die komplette Strahlungstransportgleichung berücksichtigt: die Frequenz der Strahlung, ihre Richtung, die Fläche, durch die die Strahlung geht, alles zeitabhängig. Es gibt dazu aber jede Menge Vereinfachungen, die verwendet werden, um schneller Einsicht in die Wirkung der Sternatmosphäre zu bekommen. Begriff "optische Tiefe". Was bedeutet τ=1?

Einteilung des Kapitels

Im ersten Teil wird ganz allgemein die Physik und Mathematik des frequenzabhängigen Strahlungsstransports besprochen. Die allgemeinen Gleichungen sind nicht einfach zu lösen, so dass es viele Ansätze zur Vereinfachung gibt. Solche sind z.B. die "Graue Atmosphäre", die planparallele Atmosphäre, oder die Annahme der Strahlung wie im LTE.

Im zweiten Teil wird der Strahlungstransport im Frequenzbereich unmittelbar um Spektrallinien behandelt. Hier geht es darum, aus der Form der Spektrallinie und/oder ihrer Stärke etwas über die Eigenschaften der Gase der Atmosphäre zu erfahren. Die "Wachstumskurvenanalyse" erlaubt es, Verhältnisse von Materiemengen zu bestimmen und somit etwas über Temperatur, Anregungszustand, Ionisationszustand und sogar über Elementhäufigkeiten auszusagen.

Im dritten Teil wird die Boltzmann-Statistik der Energiezustände eines Atoms besprochen, die die Basis für die Interpretation der Spektrallinien ist. Angewendet auf Ionisation liefert dies die Saha-Gleichung. Beide Gesetze sind wichtige theoretische Grundlagen für die Astronomie.

Im vierten Teil wird ganz kurz etwas über die Sonne berichtet.

Die in diesem Kapitel gebrachten Formeln dienen der Anschauung und dem Verständnis.


Der Balmersprung und die Spektrallinien der Balmerserie

Der "Balmersprung" und die H-Balmerlinien dominieren viele Sternspektren. Sie sind stark in Sternen mit Teff um 10000 K, nahezu abwesend für Teff<6000 K sowie Teff>30000 K. Weshalb?

Ionisation. Das Ionisationspotential von H liegt bei 13.6 eV (äquivalent mit der Wellenlänge 912 Angström). Photonen mit mehr Energie werden das H ionisieren. In Atmospären mit hohem Teff wird das H ionisiert sein, in kühlen Atmospären nicht.

Anregung. Die Gasatome und -ionen der Sternatmosphäre stossen häufig aufeinander und auf freien Elektronen. Dabei wird kinetische Energie zur Anregung der an Atomen oder Ionen gebundenen Elektronen verwendet und das Atom gerät in einen "angeregten Zustand". Je höher die Temperatur, desto stärker die Anregung. Der erste Anregungszustand des H liegt bei 10.2 eV. Dies ist das sogenannte Balmerniveau, von dem aus die Absorption der Linien der Balmerserie stattfindet. Von diesem Niveau aus kann das H-Atom auch ionisiert werden, was zu einer Einsenkung des Kontinuums bei Wellenlängen unter 3646 Angström (der "Balmersprung") führt.

Das Vorkommen der Balmerlinien und des Balmersprungs folgt aus dem Zusammenspiel von Anregung und Ionisation. Von niedriger zu hoher Temperatur gehend, nimmt erst die Anregung zu. Bei über 10000 K wird auch die Ionisation aktiv, bis bei sehr hohen Temperaturen das H ionisiert ist. In dieser Sequenz steigender Temperatur geht die Stärke der Balmerlinien und des Balmersprungs daher hoch und wieder herunter.


www.astro.uni-bonn.de/~deboer/eida/eida-atmos.html
2004.07.26; 2006.06.12, 07.04
Link zu   Was wir über Sterne erfahren können

Die Sonne

Einige Links zu Webseiten mit Bildern der Sonne:

Satellit SOHO
echtzeit Aufnahmen SOHO
Sonnenflecken in Zeitraffe