Geschichte der Astronomie : Acta Historica Astronomiae : Vol. 12


Peter Brosche:

Der Astronom der Herzogin

Leben und Werk von Franz Xaver von Zach 1754-1832


Einleitung


Zu seinen Lebzeiten war Franz Xaver von Zach ein bekannter Astronom und Geodät, ein in ganz Europa geschätzter Ratgeber bei der Errichtung neuer Observatorien, einer der Geburtshelfer der modernen Kartographie. Heute findet man ihn selbst in großen modernen Lexika nicht mehr. Waren seine Leistungen wirklich so leicht-flüchtiger Natur? Wir glauben das nicht. Es ist vielmehr so, daß seine wesentlichen Verdienste auf Gebieten liegen, deren Rang in den Naturwissenschaften erst heute anerkannt werden, und dann unter so modisch klingenden Rubriken wie „Management der Forschung", daß man nicht auf die Idee kommt, dergleichen schon im 18. Jahrhundert zu suchen und zu finden. Es ist auch nicht so, daß Zach keinem unmittelbaren wissenschaftlichen Ideal nachgejagt wäre. Sein Traum war die Entdeckung des zwischen Mars und Jupiter fehlenden Planeten. Er hatte die Jagd nach ihm organisiert, durch Gründung einer Astronomischen Gesellschaft und einer von ihr zu leistenden Durchmusterung - beides Erst-Leistungen! Als dann Piazzi den ersten Planetoiden fand, war es wiederum Zach, der mittels der von ihm ins Leben gerufenen ersten astronomischen Fachzeitschriften die Entwicklung des ganzen Gebiets unerhört beschleunigte und förderte, ja vielleicht überhaupt erst ermöglichte, denn viele der neuentdeckten Planeten wären wieder verlorengegangen, wenn nicht der rasche Austausch der Beobachtungen und die Anregung zur Bahnberechnung von ihm vermittelt worden wäre. Einer, der selbst eine große Rolle in der Entwicklung der theoretischen Methoden gespielt hatte, erkannte Zachs Bedeutung in diesem Zusammenhang ausdrücklich an: kein Geringerer als Carl Friedrich Gauß, dessen Lehrer in praktischer Astronomie Zach war. Auch im späteren Leben hat Zach selbst wissenschaftlich gearbeitet; so war er einer der ersten, die die Abweichung der Lotlinie durch den Einfluß von Bergen nachweisen konnten. Aber seine größten Leistungen waren stets „katalytischer" Natur: als Anreger, Vermittler, Gelegenheitsmacher, ja, geradezu Kuppler der Wissenschaft! Wenn die chemische Reaktion abgelaufen ist, wird der Katalysator nicht mehr gebraucht, im Endprodukt ist er nicht mehr zu finden. Der Chemiker weiß, daß ohne den Katalysator das Produkt nicht zustandegekommen wäre. Nur der Laie ahnt nichts davon. Sind wir nicht in der Wissenschaftsgeschichte Laien, wenn wir Männer wie Zach vergessen? Gerade auf einem Gebiet, das zum schwierigsten überhaupt gehört, nämlich in der Wissenschaftstheorie, muß die Empirie besonders ernst genommen werden. Sie besteht aus der Geschichte der Wissenschaften. Die Geschichte der Astronomie und der exakten Geowissenschaften der Goethe-Zeit kann aber nicht geschrieben werden, wenn man Zach ignoriert.


Html-Version: Wolfgang R. Dick. Eingerichtet: 13. August 2001