Optische und UV Astronomie – Rasanter Wandel der Technik

Klaas S. de Boer,   Argelander Institut für Astronomie, Univ. Bonn

Schöne Bilder astronomischer Objekte sind nicht aus dem täglichen Leben wegzudenken. Viele Objekte im Universum sind uns allen allmählich vertraut, da die bildhafte Information inzwischen so einfach in Farbe zu bekommen ist. Wie weit zurück liegt die Zeit der Bilder in nur Schwarz-Weiß? Erstaunlich, es sind weniger als 50 Jahre! In dieser Zeitspanne hat die Astronomie eine rasante Entwicklung erlebt, die mit den vielen und immer vielfälltigeren Daten und deren Analyse das Weltbild fast aller Menschen berührt hat.

Entwicklungen werden in vielen Bereichen der Wissenschaften von neuen Technologien getrieben. Nachdem die fotografische Platte die astronomische Forschung über fast ein Jahrhundert gut bedient hatte brachten vorsichtige Schritte zum Ausnutzen des lichtelektrischen Effekts im Photomultiplier (Elektronen-Vervielfacher) seit den 1950er-Jahren eine Erneuerung. Aber erst mit der Entwicklung der Elektronik und deren Mikroschaltungen wurde es möglich, Detektoren mit hoher Ausbeute, die CCDs, zu bauen und für die Astronomie einzusetzen. Dazu kam die Elektronik für die Steuerung von Instrumenten und Teleskopen sowie die Benutzung von Rechnern. Dies alles hatte große Auswirkungen auf alle Gebiete der Astronomie.

Da die Technologie zum Messen in jedem Wellenlängenbereich eigene Probleme zu bewältigen hatte, entwickelten sich wellenlängenorientierte Zweige in der Astronomie. Inzwischen sind die Gebietsabgrenzungen diffus, die Forschung richtet sich auf Objekte und benutzt dazu Daten aus allen möglichen und für die jeweilige Erforschung sinnvollen Wellenlängenbereichen. Die neuen Technologien fanden allerdings zuerst Anwendung im optischen Bereich, gerade deshalb, weil "andere" Wellenlängen nicht durch die Erdatmosphäre dringen. Die Astronomie mit Radiostrahlung wurde Mitte des 20. Jahrhunderts etabliert; sie arbeitete mit sequenziellen elektrischen Signalen, die anfänglich noch zu Papiergrafiken verwandelt wurden, um sie später per Hand auszuwerten.

Die Entwicklungen in der Astronomie mit ultravioletter Strahlung laufen gewissermaßen parallel zu der für die optische Astronomie, daher werden diese Bereiche beide vorgestellt. Die Fülle an Entwicklungen von Teleskopen und Geräten macht es unmöglich, alles zu besprechen. Dafür, dass die Auswahl mit den persönlichen Erfahrungen des Autors zusammenhängt, möge der Leser Verständnis haben.

1.   Teleskope und Detektoren, das A und O der Astronomen

Um möglichst viel und genau zu messen, brauchen Astronomen "viel" Licht und effiziente Detektoren. Viel Licht kommt zum Detektor, wenn das Teleskop eine große Öffnung hat.

1.1 Teleskope

Teleskope wurden immer größer gebaut. War in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Teleskop mit Hauptspiegel von knapp 1 Meter Durchmesser groß, zählt inzwischen ein Observatorium kaum, wenn es kein Teleskop mit einem Spiegel deutlich größer als 4 Meter hat. „Großteleskope“ haben Hauptspiegel mit 8–10 m Durchmesser.


1.   Die Hauptspiegel der vier ESO VLT 8.2m Teleskope werden je von 150 per Rechnersteuerung verstellbaren Stützen getragen (Foto ESO). Die Analyse des Abbilds eines "künstlichen Sterns" (mit einem Laserstrahl erzeugt, siehe Bild 2) liefert Informationen für die fortlaufende Anpassung der von den Stützen auszuübenden Tragkraft. Diese Technik heisst "aktive Optik".

Die größten Hauptspiegel sind aus kleineren Teilen zusammengesetzt. Das größte Teleskop ist z.Z. das GranTeCan von über 10,4 m; sein Hauptspiegel hat 12 Segmente. Ein spezielles ist das South African Large Telescope, bei dem in der Fokalebene eine ovale Fläche von etwa 10–11 m mit 91 spiegelnden Hexagonen abgedeckt ist. Große Hauptspiegel erfordern große Spiegelhalterungen. Damit wird die Mechanik groß und schwerfällig. Seit etwa 30 Jahren setzt man auf große Hauptspiegel, die dünn sind und aktiv unter der ganzen Fläche unterstützt werden (Bild 1). Es werden damit zwei Vorteile erreicht: zum einen kann die Mechanik des Teleskops leicht bleiben, zum anderen erlaubt die aktive (rechnergesteuerte) Unterstützung eine ständige Anpassung der Form des Hauptspiegels, um sehr scharfe Abbildungen zu ermöglichen.

An der Europäischen Südsternwarte (ESO) hat man diese neue Technik der aktiven Optik zuerst erprobt. Zunächst erfolgte dies an einem 1-m-Spiegel im ESO Hauptquartier, dann wurde das New Technology Telescope (3,5 m) gebaut, mit aktiver Optik versehen und 1989 in Chile fertiggestellt. Danach kam das große Projekt, das Bauen des Very Large Telescope (VLT) auf dem Berg Paranal im Norden von Chile. In allen der vier 8,2-m-Teleskope (das erste wurde 1999 fertig) ist die aktive Optik eingebaut (Bild 2). An vielen anderen Sternwarten wurde diese Technik dann auch bei deren großen Teleskopen eingesetzt.

2.   Das Very Large Telescope der ESO auf dem Paranal in Chile "in action". Aus einem der vier 8.2m Teleskop-Gebäuden geht ein Laserstrahl hoch, mit dem in einen Atmosphärenschicht in etwa 90 km Höhe ein "künstlicher Stern" (leuchtende Na-Atome an der Stelle des Laserbündels) erzeugt wird. Dessen Abbild wird benutzt, um den dünnen Hauptspiegel fortlaufend derart anzupassen, dass die Abbildung des Himmels möglichst scharf ist. (Foto ESO/S. Burnier).

Jede Aufnahme mit einem Teleskopan der Erdoberfläche leidet unter der "Unruhe" in der Atmosphäre, Sternbildchen sind nicht scharf. Auch dabei kann die beschriebene aktive Optik helfen. Messen ohne Luftunruhe wäre noch besser, aber das ist eben nur aus dem Weltraum möglich. Gerade deswegen auch wurde das Hubble Space Telescope (HST) mit seinem 2,4-m-Hauptspiegel gebaut. Mit dem HST, genannt nach Edwin Powell Hubble, der als erster 1929 die Expansion des Universums klar nachwies, sollte insbesondere in anderen Galaxien nach Sternen des Typs der Cepheiden gesucht werden. Das Pulsationsverhalten von Cepheiden ist gut bekannt, und aus der Art des Lichtwechsels zusammen mit der gemessenen Helligkeit der jeweiligen Cepheide kann die Entfernung des Sterns und seiner Galaxie abgeleitet werden. Das HST sollte helfen, den Entfernungsmaßstab für das Universum wesentlich zu verbessern, und so kam es auch.

Das VLT war allerdings für eine weitere Innovation entworfen worden. Das Vermögen von Teleskopen, Objekte räumlich aufzulösen, ist bestimmt durch das Verhältnis von Wellenlänge und Apertur. Da in der Radioastronomie bei langen Wellenlängen gearbeitet wird, war diese der optischen Astronomie bei der räumlichen Auflösung immer weit unterlegen. Man hatte aber in der Radioastronomie schon lange Signale verschiedener Teleskope zusammengeführt, „zur Interferenz“ gebracht. Zum Teil wird dies erst später im Rechner durchgezogen.

3.   Zeichnung des Paranal Platforms.
Die verschiedenen Teleskope (die 4 großen und einige kleine) sind angegeben. Die drei roten Linien zeigen, mit welchen Kombinationen der Teleskope bisher optische Interferometrie betrieben wurde. Bild nach ESO/eso0432b.

Das Zusammenführen der Signale von Teleskopen in gewisser Entfernung voneinander erlaubt es, mit Hilfe der Interferometrie eine räumliche Auflösung zu erreichen gleich der eines Teleskops mit dem Durchmesser dieser Entfernung. Mit der Interferometrie gewinnt eine Messung sehr viel an räumlichen Details.

Optische Interferometrie zu betreiben ist, im Vergleich mit Radio-Interferometrie, technisch sehr schwierig. Der Grund ist die Wellenlänge, mit der im Optischen gearbeitet wird. Vom Radio bei etwa 5 cm bis zum Sichtbaren bei 500 nm bedeutet einen Sprung von einem Faktor hunderttausend in der Wellenlänge. Die notwendige technische Genauigkeit beim Zusammenführen des Lichts zweier Teleskope muss mit dem gleichen Faktor ansteigen. Die ESO hat auch kleinere 1,8 m Teleskope auf der VLT Plattform am Paranal gebaut, um damit die Interferometrie auszuprobieren (Bild 3). Die Technik erfordert noch viel Arbeit, um sie regelmäßig einsetzen zu können.

1.2 Entwicklung neuer Detektoren

Damals war die fotografische Emulsion (in der Astronomie fast immer auf Glasplatte) der bildhafte Detektor schlechthin. Sie erlaubt es, ziemlich große Himmelsflächen auf einmal abzubilden. Allerdings ist die fotografische Emulsion „langsam“:

4.   Ein rundes Siliziumplättchen (Durchmesser 10 cm) mit 4 CCDs von je 2000x2000 Pixel zu 15 mikrometer, wie 1991 hergestellt von Loral (USA). Für den Einsatz in Messgeräten müssen die CCDs aus dem Plättchen geschnitten und elektronisch montiert werden.
Foto Autor.

  Das Auslesen eines CCDs. Zuerst wird die Ladung in den Pixeln reihenweise nach unten in das horizontale Register geschoben um dort jede Reihe seitwärts auszulesen und die Ladungsmenge der einzelnen Bildelemente in einen digitalen Wert zu verwandeln.
Bild Autor.

Die „Quantenausbeute“ liegt eher im Bereich von 2 - 4 % und ihre Empfindlichkeit ist nicht linear, die Schwärzung der Platte ist nicht linear proportional zur Lichtmenge. Der Photomultiplier, der auf dem lichtelektrischen Effekt basiert, ab den 1950er-Jahren viel eingesetzt, hat eine Quantenausbeute im Bereich um 30 %, arbeitet linear, aber man kann damit nur einen Punkt des Himmels messen (also nicht flächenhaft).

Der flächenhafte Halbleiterdetektor CCD, „charge-coupled device“, benutzt den inneren lichtelektrischen Effekt in jedem im CCD vorhandenen Bildelement. CCDs bestehen aus einer dichten Packung Halbleiterdetektoren in einem Siliziumplättchen (Bild 4). Die Elemente (auch Pixel genannt) konnten mit der Zeit immer kleiner gemacht werden, z. Z. sind für astronomische Anwendungen 10 –15 Mikrometer üblich. In jedem Bildelement über die ganze Fläche des CCDs wird Licht vom abgebildeten Himmelsbereich zur Ladung, später wird die gesammelte Ladung bildhaft „ausgelesen“ und weggeschrieben. Es gibt vieles zu beachten, um zu einer hohen Quantenausbeute bei CCDs zu kommen.


5.   Das Pan-STARRS Teleskop (Hawaii) hat eine Fokalebene, zugedeckt mit 64 OTAs, die je 8x8 CCDs von je 600x600 Bildelementen enthalten. Foto PanSTARRS.

Zum Beispiel kann die Empfindlichkeit gesteigert werden, in dem das CCD abgeschliffen und von der Rückseite belichtet wird. Und um die Empfindlichkeit für blaues Licht zu verbessern, wird das CCD noch mit einer geeigneten Deckschicht versehen. Dies alles zu erklären, führt hier zu weit.

Die Signalausbeute der „verbesserten“ CCDs liegt so im Bereich von über 70 %, ein riesiger Fortschritt gegenüber der fotografischen Platte. CCDs haben aber einen Nachteil: Sie produzieren immer auch ein Rauschsignal, so dass sich die elektronischen Bildelemente bald von alleine mit Ladung füllen. Dieses „Eigenrauschen“ nimmt aber rapide mit sinkender Betriebstemperatur ab. In der astronomischen Anwendung werden CCDs daher immer bis unter -100 °C gekühlt, bei irdischen Teleskopen wird die Detektor-Einheit meist mit flüssigem Stickstoff kalt gehalten.

1.3 Gesamtgewinn Teleskope und Detektoren

Die Entwicklungen bei den Teleskopen und bei den Detektoren haben für die astronomische Messung einen riesigen Gewinn geliefert. Die CCD-Belichtungen können wiederholt und die jeweiligen Signale einfach im Rechner addiert werden, um so effektiv zu einer längeren Gesamtbelichtungszeit zu kommen. Fotografisch konnte man auch mehrere Aufnahmen machen, aber da sich das Licht nicht linear in Schwarzung verwandelte, war eine Addierung illusorisch.

Fassen wir die Gewinne zusammen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die erreichbare Belichtungszeiten für Fotoplatte und CCD identisch sind.

Aus der Tabelle geht hervor, dass mit modernen Teleskopen und mit CCDs als Detektoren um einen Faktor von grob 2500 empfindlicher gemessen werden kann als vor 40 Jahren. Ein Faktor um 2500 bedeutet, dass Objekte bis zu einer um einen Faktor 50 größeren Entfernung gesehen werden können. Das ist schon viel und entspricht einem Sprung im zugänglichen Volumen des Universums von einem Faktor von knapp 125.000. Noch weiter kommt man, wenn Belichtungen mit CCDs oft wiederholt und addiert werden.

1.3 Kameraverschluss.

Da die Siliziumplättchen nicht beliebig groß hergestellt und elektronisch bedient werden können, gab es eine Einschränkung bei der Größe der Himmelsfläche, die in einer Belichtung abgebildet werden konnte.


6.   Eine große Kamera braucht einen großen Kameraverschluß und die Kamerablende muss sehr homogene Belichtungen liefern. Die Lösung ist ein rechteckiger rechnergesteuerter Verschluss mit seitwärts bewegenden Blenden (siehe Text). Das Foto zeigt den Kameraverschluß mit 480 mm Öffnung für das Pan-STARRS Teleskop (Fokalebene sieh Bild 5), zur Demonstration der Größe gefüllt mit 16 Ananassen, kurz vor Versand nach Hawaii.   Foto K.Reif (www.bonn-shutter.de).

Alsbald versuchte man, die Fokalebene mit mehreren, nebeneinander platzierten CCDs abzudecken, jedes CCD mit eigener Ausleseelektronik (Bild 5). Je größer nun die zu belichtende und von CCDs abgedeckte Fokalebene war, desto wichtiger wurde es, einen Kameraverschluss zu haben, der keine Vignettierung (wie von einer Iris-Blende verursacht) oder sonstige positionsabhängige Belichtungszeiten erzeugen würde.

Die erarbeitete Lösung besteht aus einer rechteckigen Kamera-Öffnung mit zwei Blenden, die jede für sich die Öffnung abschließen können. Sie bewegen sich nacheinander, wie folgt: Die eine Blende wird zur Seite bewegt (z. B. nach links) und öffnet die Kamera, am Ende der Belichtung wird die zweite Blende (die noch rechts steht) auch nach links bewegt, dabei die Kamera schließend. In der darauffolgenden Belichtung ist die Bewegung der Blenden nach rechts, die erste öffnet, die zweite schließt. Die Blenden müssen sich nicht unbedingt schnell bewegen, sondern mit gleichem Geschwindigkeitsprofil, um die erwünschte gleichmäßige Belichtungszeit der ganzen, mit CCDs zugepflasterten Fokalebene zu erreichen.


7.   Weltkarte mit den Orten der mehr als etwa 50 Teleskope, an den die Bonn-Shutter im Einsatz sind. Gelber Punkt: Bonn.   Bild K.Reif.

Der in Bonn entwickelte Kameraverschluss lieferte dies alles. Exemplare in Größen zwischen 60 und 600 mm KameraÖffnung kommen weltweit in z. Z. etwa 50 Teleskopen zum Einsatz. Große Verschlüsse sind bei OmegaCAM (ESO Chile, 370 mm), One Degree Imager (NOAO, 450 mm) und Pan-STARRS (Hawaii, 480 mm; siehe Bild 6) und Dark Energy Camera (CTIO Chile, 600 mm) eingebaut. Das größte ist inzwischen eine Sonderanfertigung für die Zwicky Transient Facility (Mt. Palomar, USA, mit 1,3 Meter kreisförmiger Öffnung). Auf einer Weltkarte ist angegeben, an welchen Orten Bonn-Shutter im Einsatz sind (Bild 7).

2   Spektrofotometrische Instrumente

Astronomen haben schon lange das Licht von Objekten in Farben zerlegt, um aus den Charakteristika die Eigenart der Objekte abzuleiten. Es gibt dafür zwei Möglichkeiten:

2.1 Farbfilter

Zum einen kann das einkommende Licht gefiltert werden, um Aufnahmen z. B. im blauen, grünen undroten Bereich des Spektrums zu gewinnen. Der Vergleich solcher Aufnahmen (die Technik der Fotometrie) gibt sofort eine gute Indikation für die Temperatur des leuchtenden Objekts (siehe de Boer 2001).


8.   Links: Der Krebsnebel wurde gleichzeitig in vier Wellenlängenbereichen aufgenommen. Unterschiedliche Atome und Ionen im Nebel leuchten je nach den vorherrschenden physikalischen Bedingungen bei unterschiedlichen Wellenlängen bzw im Kontinuumslicht (hier: O[II] 373 nm, Hβ 486 nm, Hα 656 nm, NIR 800 nm). Eine astronomische Himmelsaufnahme mit CCD ist aber grundsätzlich "farblos", die Farbe kennt man aus dem verwendeten Farbfilter. Foto Reif et al. (1999).
  Mitte: Jedes Element in einem digitalen Farbbild hat drei Intensitätswerte: einen für je blau, grün und rot. Wenn man astronomische Himmelsaufnahmen, die jede für sich "farblos" sind, zu einem schönen farbigen Bild zusammenfügen will, muss die "farblose Intensität" auf die richtige Art über die Farbelemente verteilt werden.
  Rechts: Das Komposit der vier "farblosen" Krebsnebel Aufnahmen. O[II] wurde auf blau abgebildet, Hβ auf grün, Hα auf gelb (was eine Umverteilung auf grün und rot bedeutet) und NIR auf rot. Bild K.Reif.

Solche getrennten Aufnahmen, die je für sich „farblos“ sind (Bild 8), kann man im Rechner kombinieren. In der elektronischen Darstellung eines Farbbilds hat jedes Element drei Werte zugeteilt bekommen: einen Wert für die rote Helligkeit, einen Wert für die grüne und einen Helligkeitswert für blau. Der Bildschirm hat die dementsprechende Struktur und leuchtet mit blauen, grünen und roten Pünktchen (oder mit kleinen Strichen). Aus der Variation der Intensität dieser drei Farben macht unser Auge die große Palette an Farbnuancen. Der Astronom muss nun für jedes „farblose“ Bild bestimmen, welche Kombination an blau, grün und rot im zusammengefügten Bild die beste Wirkung hat. So wird eine hohe Intensität in einem mit rotem Farbfilter aufgenommenen Bild selbstverständlich zu einer hohen Zahl bei rot. Für Originalfarben anders als pur blau, grün und rot muss eine geeignete Verteilung der Intensität auf die Farbwerte gemacht werden (z. B. violett auf blau und rot verteilen). Auf diese Art werden die schönen Bilder astronomischer Objekte aus farblosen Aufnahmen erzeugt.

2.2 Spektroskopie

Die andere Möglichkeit ist die Spektroskopie. Das Licht wird in Wellenlängen aufgespalten, so dass feine Strukturen, die Spektrallinien, sichtbar und messbar werden. Diese Linien geben Aufschluss über die chemische Zusammensetzung des leuchtenden Objekts. Zugleich liefert eine eventuelle Verschiebung der Spektrallinien gegenüber deren Soll-Lage Information über die Geschwindigkeit des Objekts (Doppler Effekt). Es braucht keine weitere Begründung dafür, dass der Gesamtfaktor an gewonnener Empfindlichkeit (Tabelle oben) neben dem Entfernungsgewinn auch eine höhere Spektralauflösung erlaubt.

Eine Fülle an neuen Spektrographen wurde für die neuen Teleskope entwickelt. Mal sollten sie hohe Spektralauflösung liefern, bei anderen ging es um schwache Objekte und sollte es nur eine niedrige Auflösung sein. Ein spezieller Typ der Spektrographen ist erwähnenswert. Es handelt sich um den Multiobjekt-Spektrographen.

9.   Multi-Objekt Spektroskopie basiert auf Lichtleitern, die von geeigneten Stellen in der Fokalebene das Licht zum Spektrografen bringen. Entweder arbeitet man mit einer für jede Belichtung zu erstellenden Platte mit Löchern, oder (technisch aufwendig) mit Lichtleitern an rechnergesteuerten Armen. Bild nach Miszalski aus einer Studie für das South African Large Telescope.

Wenn in einem Himmelsfeld an vielen Stellen Spektren gewonnen werden sollen, z. B. in einem Sternhaufen oder in einer ganzen Galaxie, so wäre es sehr vorteilhaft, an jeder Stelle einen Spektrographen anzuschließen. Dies gelingt, indem man zuerst das Himmelsfeld aufnimmt, dann eine Metallplatte in Größe des Felds erstellt, an der an den gewünschten Stellen Löcher gebohrt werden, um dort Lichtleiter anzukoppeln. Jeder der Lichtleiter führt zum Spektrographen, so dass in einer Belichtung gleichzeitig von allen ausgewählten Stellen ein Spektrum gewonnen werden kann. Alternativ, aber technisch aufwendiger ist es, im Gerät rechnergesteuerte Arme, jeder mit einem Lichtleiter daran, zu haben (Bild 9). Als Beispiel sei der für das ferne Rot ausgelegte Fibre Multi-Object Spectrograph, FMOS, am Japanischen 8,2-m-Subaru-Teleskop auf Hawaii genannt. Bis zu 400 Lichtleiter konnten gleichzeitig angeschlossen werden. Der Gewinn an Teleskopzeit ist evident. FMOS und vergleichbare Multi-Objekt-Spektrographen an anderen Teleskopen haben inzwischen große Mengen an Spektren geliefert.

3   Astronomie mit ultraviolettem Licht

Sterne sehen ist optische Astronomie seit dem 17. Jahrhundert, auch mit Hilfe von Teleskopen. Um 1940 wurde entdeckt, dass Objekte im Universum auch Radiostrahlung freisetzen. Da diese Strahlung die Atmosphäre durchdringt, konnte sich bald eine „Radioastronomie“ entwickeln. Über Messungen aus dem Raum wurde schon von Oberth (1923) spekuliert. Nach ersten Versuchen Anfang der 1950er-Jahre mit Raketen- und Ballon-Instrumenten zur Messung der Sonne im Ultravioletten, und da 1957 der erste Satellit um die Erde kreiste,

10.   Aus Messungen im sichtbaren Teil des Spektrums an interstellaren Absorptionslinien von Ca+ wurde von Münch (1952) abgeleitet, dass sich "Hochgeschwindigkeitswolken" im Halo der Milchstraße auf die Scheibe zu bewegen. Das solche Wolken zusammenhaltende Medium sollte heiss sein (Spitzer 1956) und solches Gas ist nur im UV-Spektralbereich detektierbar. Dieses Medium wurde erst 1978 mit dem International Ultraviolet Explorer Satelliten im ultravioletten Teil des Spektrums von Hintergrund-Sternen in den Magellanschen Wolken nachgewiesen. Bild Autor.

machten sich Astronomen bald Gedanken über die Ausnutzung dieser Technik zur Erforschung des ultravioletten Lichts aus dem Universum. Insbesondere hat Lyman Spitzer (1956, 1962) in Princeton darüber spekuliert, was Messungen im ultravioletten Licht bringen könnten, und ob man heißes Gas detektieren könnte, das um die gerade entdeckten Hochgeschwindigkeitswolken im Halo der Milchstraße existiert (Bild 10), oder molekularen Wasserstoff, der üppig in der Milchstraße vorhanden sein sollte.

Da die Technik für die Optik von Teleskopen und Detektoren im Ultravioletten die gleiche ist wie die im Optischen, konnte die technische Aufgabe sich quasi fast beschränken auf die Entwicklung ferngesteuerter Geräte.

3.1 Ballone

Zuerst wurden UV-Messgeräte (Teleskop mit Detektor) zusammen mit Steuerelektronik an stratosphärischen Ballonen getestet. Dies ist an sich nicht ohne Probleme. Das Instrument muss vom Boden aus steuerbar sein, und die Daten müssen auf Kommando heruntergefunkt werden können.


11.   Experimente die UV-Licht (oder IR-Strahlung) brauchen, wurden vor dem Satellitenzeitalter mit einem Helium-Ballon in die Stratosphäre (40 km Höhe) gebracht, bis über die das UV Licht absorbierende Ozonschicht (bis über den IR absorbierenden Wasserdampf der Erdatmosphäre).   Links: Vor dem Start wird der Ballon mittels Schläuche zu einem kleinen Teil mit Helium-Gas gefüllt.  Bild Autor.   Mitte: Kurz nach dem Start eines Experiments sind Ballon, Fallschirm und Experiment gut zu sehen.  Bild NCAR.   Rechts: Auf Flughöhe hat sich der Ballon komplett entfaltet.  Bild Winzen Balloons.

Die mit Helium gefüllten riesigen Ballone erreichen 40 km Höhe, wo unter Umständen starke Winde das Gerät wegtreiben. Da man selbstverständlich das Instrument wiederverwenden möchte, wird ein Fallschirm in den Aufhängestrang aufgenommen (Bild 11) und der Ballon am Ende des Fluges freigesetzt. Dass es bei diesen Experimenten zu mancher Überraschung kam, mag nicht verwundern: bei Expeditionen am Ballonstartplatz in Palestine, Texas, landete das herunterkommende Gerät einmal in einem See, ein anderes Mal kam ein Gerät erstaunlich schnell herunter, da versehentlich der Fallschirm falsch herum im Strang montiert worden war.

Die astronomischen Messungen mit Ballonen dienten vorwiegend der UV- und IR-Astronomie. Das UV wird in der Ozonschicht in etwa 35 km Höhe absorbiert, das infrarote Licht vom allgegenwärtigen Wasserdampf, den es aber über 40 km Höhe kaum noch gibt.

3.2 Satelliten

Im Jahre 1968 wurde der erste wahrhaft astronomische Satellit gestartet. Mit diesem amerikanischen OAO-2 (OAO1 war fehlgeschlagen) wurden mit einer relativ großen Öffnung die ersten UV-Messungen an Sternen und Nebeln gemacht. 1972 startete der TD1A der ESRO (später ESA), der mit Spektroskopen im Wellenlängenbereich von 200 bis 300 nm detaillierte Informationen über Sterne lieferte. Ein außergewöhnlicher Satellit, der amerikanische Copernicus, dessen Realisierung vom erwähnten Spitzer zur Entdeckung der heißen Phase im interstellaren Gas sowie zur Entdeckung des molekularen Wasserstoffs angestrebt worden war, startete auch 1972. Mit dem Copernicus konnten sehr hoch aufgelöste Spektren im Bereich von 90 bis 140 nm gewonnen werden. Eine Besonderheit des Geräts war die Bauweise des Photomultipliers. Da das Glas der Röhre diese kurzen UV-Wellenlängen absorbiert hätte, wurde der Photomultiplier „offen“ gelassen, also ohne Glas; für das zum Funktionieren notwendige Vakuum hat man auf die Luftleere der Satellitenbahn gesetzt. Dieser Photomultiplier konnte daher am Boden kaum getestet werden! Aber alles hat hervorragend funktioniert. Die andere Besonderheit war, dass der Photomultiplier von einem Wägelchen aus das abgebildete „Rowland“-Spektrum abtastete. Mit dem Copernicus konnte man allerdings keine Sterne schwächer als Helligkeit 7 vermessen. Immerhin wurden mit ihm verschiedene neue Phasen des interstellaren Mediums entdeckt, darunter die heiße Phase, dokumentiert durch Absorptionslinien von C3+, N4+, und O5+. Eine weitere sehr erfolgreiche Mission für UV-Photometrie war der Astronomical Netherlands Satellite, ANS (1974–1977), mit dem die Erkenntnisse des OAO-2 verfeinert und vertieft wurden.


12.   Der International Ultraviolet Explorer wurde 1978-1996 in einer über Brasilien gelegenen geostationären Bahn betrieben und konnte an den Bodenstationen Goddard Space Flight Center (USA) und Villafranca (Spanien) in "real time" gelenkt werden. Bild zusammengestellt vom Autor.

Die Erfolge der ersten UV-Satelliten führten dann zum International Ultraviolet Explorer, IUE (UK/NASA/ESA). Er war mit zwei Spektrographen ausgestattet. Der Detektor, eine Caesium-Tellurium-Kathode (die UV-Licht in visuelles Licht verwandelt) mit TV-Kamera, war in London entwickelt und gebaut worden. Der IUE, für eine Betriebsphase/Lebenszeit von drei Jahren vorgesehen, sollte in einer geostationären Bahn in 35.000 km Höhe arbeiten. So konnten Astronomen sowohl an der Bodenstation im Goddard Space Flight Center (GSFC, Maryland) als auch in Villafranca, Spanien (VILSPA, ESA, bei Madrid) diesen Satelliten in Echtzeit lenken (Bild 12). Der Start war 1978. Während der Erprobungsphase am ersten Tag gab es Fragen zur Empfindlichkeit, die von den Experten in einem Nebenzimmer zum Kommandoraum diskutiert wurden. Die Überwachung der Standregelung wurde vernachlässigt, bis jemand laut rief: „Hey, watch your satellite!“ Schleunigst wurde ein korrigierendes Kommando ausgesetzt, um zu verhindern, dass der Satellit aus der gerade durch das Standregelungs-System gewonnenen Kontrolle weggleiten würde.

Ein Beispiel aus den vielen neuen Erkenntnissen: Schon im ersten Jahr konnte die Existenz des heißen Gases im Halo der Milchstraße an Hand der Absorption durch C3+ nachgewiesen werden (Savage & de Boer 1979).


13.   Das Deutsche Spaceshuttle Platform ASTRO-SPAS wurde November 1998 mit Hilfe seines langen Arms freigesetzt, um nach 2 Wochen ebenso wieder eingefangen zu werden. Eines der wissenschaftlichen Experimente war ORFEUS, womit in kurze Zeit doch vieles Neues im Fern-UV entdeckt werden konnte. Darunter war, aus interstellaren Absorptionslinien, der Nachweiss der Existenz molekularen Wasserstoffs H2 in den Magellanschen Wolken und sehr heisses Gas (O+5) im Halo der Milchstraße. Foto NASA.

Der IUE hat mit seinem 45-cm-Hauptspiegel über erstaunliche 18 Jahre (bis 1996) weit über 25.000 UV-Spektren verschiedenster Objekte aufnehmen können.

Das Hubble Space Telescope, HST, trat 1990 in die Spuren vorangegangener Satelliten. Mit seinem 2,4-m-Hauptspiegel und seinen ausgefeilten CCDs als Detektoren war das HST um viele Faktoren empfindlicher als der IUE. Zudem kann das HST im UV und im Visuellen (120–800 nm) messen. Es wurde vom Spaceshuttle in eine niedrige Bahn um die Erde gebracht. Die Messinstrumente der Fokalebene konnten von Astronauten ausgetauscht werden. Das HST wurde das Arbeitspferd der Astronomen.

Das Fern-UV, zwischen 90 und 130 nm, war seit dem Copernicus-Satelliten nicht mehr zugänglich gewesen. Erste Messungen wurden 1996 mit dem Gerät ORFEUS auf der deutschen Space-Shuttle-Plattform ASTRO-SPAS gemacht (Bild 13), bald gefolgt vom Satelliten Far Ultraviolet Spectroscopic Explorer, FUSE (NASA, 1999–2007). In diesem Wellenlängenbereich konnte man insbesondere die Zusammensetzung des interstellaren Gases untersuchen. Sehr wichtig dabei war, dass der molekulare Wasserstoff, H2, mit seinen vielen Fern-UV-Absorptionslinien, in Hochgeschwindigkeitswolken im galaktischen Halo (Widmann et al. 1998) und sogar bis in die Begleitgalaxien unserer Milchstraße, die Magellanschen Wolken, mit ORFEUS entdeckt werden konnte (Richter et al. 1998).

4   Zukunft

Sehr viele Projekte sind für die Astronomie im optischen Bereich in Arbeit. Eines der eindrucksvollsten ist das E-ELT, das von ESO beschlossene European Extremely Large Telescope der 40-m-Klasse, das auf dem Cerro Armazones im Norden von Chile errichtet werden soll. Die Oberseite des flachen Berges wurde im Juni 2014 gesprengt, um eine Fläche für das Teleskop zu erhalten. Das Teleskop soll 2024 fertig sein und als ein Bestandteil des VLT-Observatoriums auf dem Paranal betrieben werden.

Bei der Astronomie mit Satelliten arbeitet die NASA vorwiegend an Satelliten zur Erforschung der Sonne und des Planetensystems. Zusammen mit der ESA wird das James Webb Space Telescope entwickelt, ein Nachfolger für das HST, das im visuellen und im infraroten Teil des Spektrums messen wird. Neben ESA-Projekten zur Untersuchung des Planetensystems in allen Facetten ist für 2020 der Start von Euclid geplant, auch eher im rötlichen Bereich messend, um die Rotverschiebung von Galaxien zu untersuchen.

Der Autor bedankt sich bei U. Backes und K. Reif für Anregungen und Informationen.

Literatur
de Boer, K.S. (1978): "Hé, let op je satelliet"; Volkskrant 22. Feb.; Amsterdam
de Boer, K.S. (2001): "Das Hertzsprung-Russell-Diagramm und das Maß der Sterne"; A+R 38, 18
Hubble, E. (1929): Proc. Nat. Acad. Sciences 15, 168
Münch, G. (1952): PASP 64, 312
Oberth, H. (1923): "Die Rakete zu den Planetenräumen"; Oldenbourg-Verlag, München
Reif K., Bagschik K., de Boer K.S., et al. (1999): SPIE 3649, 109
Richter P., de Boer K.S., Widmann H., et al. (1998): Astron. & Astrophys. 338, L9
Savage, B.D., de Boer, K.S. (1979): Astrophys. J. 230, L77
Spitzer, L. (1956): Astrophys. J. 126, 20
Spitzer, L. (1962): "The beginnings and future of space astronomy"; 3rd COSPAR Symposium
Widmann, H., de Boer K.S., Richter P., et al. (1998): Astron. & Astrophys. 338, L1
 Aktive Optik: https://www.eso.org/public/teles-instr/technology/active_optics/
 Bonn Shutter: http://www.bonn-shutter.de/
 CCDs: https://en.wikipedia.org/wiki/Charge-coupled_device
 Großteleskope: https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_largest_optical_reflecting_telescopes
 Hubble Space Telescope: https://en.wikipedia.org/wiki/Hubble_Space_Telescope
 Interferometrie: http://www.eso.org/public/teles-instr/technology/interferometry/
 ORFEUS: https://astro.uni-bonn.de/~deboer/orfeus/orfeus-bericht.html
 Pan-STARRS: http://project.pan-starrs.ifa.hawaii.edu/public/home.html
 VLT: http://www.eso.org/public/teles-instr/paranal-observatory/vlt/


Nahezu identisch veröffentlicht in Astronomie+Raumfahrt Heft 167, 2018-5, p.5-12
Letzte Anpassung: 2019.01.28   (angefangen Aug. 2017)