Web-Projekt   Physik des Monats           November

Instrumente und Methoden:     Mathematik und Modellierung


Eine sehr wichtige Methode zur Erfassung der Systematiken der physikalischen Prozesse ist die Beschreibung mit mathematischen Ausdrücken. Sie werden benutzt um physikalischen Prozesse und komplizierten Systeme zu modellieren.

Stichwörter:     Mathematische Relationen     Fehler und Statistik     Modellierung     Literatur


Beispiele von mathematischen Relationen

Viele Arten von Relationen zwischen physikalischen Variabeln wurden gefunden. Sie alle zu beschreiben, führt viel zu weit. Daher werden hier nur einige als Beispiele genannt.

Lineare und quadratische Relationen
Die Auslenkung a einer Feder ist proportional zu der aufgewendeten Kraft F: F = k a ; darin ist k eine Normierungskonstante.
Die Fallgeschwindigkeit v eines Körpers ist proportional zum Quadrat der Zeit t seit Beginn des Fallens: v = 1/2 g t2; darin ist g die Gravitationskonstante.

Multiplikative Relationen
Wenn über einen Widerstand R ein Strom I fliesst, findet man eine Spannung U durch Multiplikation: U = R I (siehe bei Elektromagnetismus: Ohm'sches Gesetz).

Exponentialfunktionen
Die Druckverteilung in der Erdatmosphäre mit Höhe x wird durch eine Exponentialfunktion beschrieben, in der die Konstante h im Nenner des Exponenten eine Normierung bewirkt: P = k e(-x/h).
Eine andere Exponentialfunktion ist die nach Gauss: W = k e-x2/b , die sogenannte Glockenfunktion (siehe unten bei Statistik).

Zyklische Relationen
Viele Prozesse verhalten sich periodisch, z.B. die Bewegnung des Pendels eines Pendeluhrs. Die Amplitude a des Pendels wird in seiner Zeitabhängigkeit mit einer Winkelfunktion beschrieben: a = amax sin(t) ; darin ist t die Zeit in Einheiten der Periode der Schwingung.
Eine andere Art der Schwingung ist die der fortschreitenden elektromagnetischen Wellen, z.B. die Trägerwellen von Radio und Fernsehen (siehe Elektromagnetismus), die u.a. durch schwingende elektronische Schaltkreise erzeugt werden. Die Amplitude A und Lage x in der Zeit t werden beschrieben mit einer `e'-Funktion mit komplexem Exponent: A(x,t) = A0 ei(kx-wt) ; darin ist k ein Parameter für die Eigenschaften des Mediums und w die Frequenz der Welle.
Eine wichtige zyklische Relation ist die der Sonnenflecken. In einem etwa 22 jährigen sinusartigen Zyklus ändert sich die Zahl der Sonnenflecken. In der zweiten hälfte des Zyklus sind die Flecken anders polarisiert als in der ersten Hälfte; daher wird oft von einem etwa 11 jährigen Zyklus gesprochen.

Integral- und Differentialfunktionen
Die Bestimmung des Ertrags eines Prozesses wird durch Summierung der fortlaufenden Zwischenergebnisse erreicht. Bei diskreten Prozessen kann man sie zählen und aufaddieren: Summe = y1 + y2 + y3 + ..... wobei y eine Funktion anderer Parameter sein kann, z.B. y = F(x,t). Bei kontinuierlichen Prozessen wird das Gesamtergebnis am besten mit Hilfe einer Integration beschrieben. Die Prozedur basiert im Grunde auf Summation kleinster Beiträge, dS = y dt, mit S =∫ y dt.
Ein Beispiel einer Differentialgleichung wäre die Schrödingergleichung.

Rekursive Relationen
Bei vielen Prozessen hängen die Werte von aufeinanderfolgenden Ergebnisse derart zusammen, dass sie einander beeinflussen. So nimmt, z.B., bei der Bildung von Kristallen der Gehalt des auszukristallisierenden Stoffes in der Flüssigkeit ab, wodurch die Kristallisation langsamer wird. Oder, z.B., bei der Kernfusion im Sterninneren wird die Fusionsrate von Wasserstoff zu Helium allmählich geringer, da es bei fortschreitender Verwandlung von H in He allmählich immer weniger H-Atome gibt und daher die H-Atome nicht mehr so häufig zusammentreffen um zu Fusionieren. Auch Variationen in der Grösse der Population von Tier- und Pflanzenarten wird durch solche Bedarfsprobleme gesteuert. Die Prozesse werden mit `rekursiven Relationen' beschrieben. Eine der bekanntesten, die auch die genannte Beispiele beschreibt, lautet xnext = r x (1-x), wobei r eine Konstante ist.
Rekursive Relationen können `chaotisches' Verhalten zeigen, wobei der Wert von r bestimmt, wie und nach wie vielen Schritten dieses Verhalten sichtbar wird. Chaotisch heisst hier: die Relation hat kein stabiles Verhalten. Die Erforschung rekursiver Relationen führte zu vielen Entdeckungen mathematischer Natur über Chaos und Fraktale. Siehe dazu das Buch "Chaos" von J.Gleick. Insbesondere die rekursive Beziehung von Mandelbrot lieferte wunderschöne fraktale Figuren (siehe Webseite über Fraktale bei Mathematik der Universtät Bremen oder das Buch von Peitgen, Jürgens & Saupe: "Chaos").


Unsicherheiten der Ergebnisse und Statistik

Viele Gleichungen beschreiben im wesentlichen Mittelwerte der Beziehungen physikalischer Grössen, die in sich aber immer eine Abweichung haben. Bei wiederholter Messung von Ergebnissen physikalischer Prozesse findet man meistens geringfügig unterschiedliche Werte. Die Streuung der Werte hängt mit den vielen kleinen Unvollkommenheiten von Experiment und Messung zusammen. So können Stoffe nicht ganz rein gewesen sein, war z.B. die Temperatur zwischen Messvorgängen geringfügig anders, oder die Messdauer nicht ganz gleich. Aber sicher hängt die Streuung auch mit Streuung im Ablauf der Prozesse selber zusammen. All dies muss berüksichtigt und statistisch erfasst werden.
Die Variationen werden bei vielen Prozessen eine Verteilung nach Maxwell haben, die durch die gaussche Glockenfunktion beschrieben wird (sie ist auf dem 10 DM Schein zu sehen). Sie repräsentiert die Breite der Streuung. Mit der Form der Gauss-Funktion (Höhe und Breite) kann auf der Webseite zu Quantenmechanik (Physik des Monats), linkes Kästchen, experimentiert werden.
Die Prozesse der Physik haben auch gelegentlich Tücken. Es gibt Prozesse, bei denen die Bedingungen nicht so schön um den Mittelwert streuen. Dann kann die Glockenfunktion asymmetrisch werden. Solche Fälle sind manchmal die, wo einer der Parameter durch irgendwelche Randbedingungen eingeschränkt wird. Eine sehr schöne und gut dokumentierte Beschreibung solcher nicht symmetrischen Fälle in den Naturwissenschaften und anderen Wissensbereiche wird von S.J.Gould im Buch "Life's Grandeur ...." gegeben.

Modellierung

Um die Wirkung komplexer Systeme nachvollziehen zu können, werden Modellrechnungen durchgeführt. Die oben bei mathematischen Relationen angeführten einfachen Gleichungen sind strikt genommen schon "Modelle" für das Verhalten der Variabeln in physikalischen Prozesse.

Einige Beispiele von Modelliering komplexer Systeme sind:

Modelle für die elementare Struktur der Materie
Auf Grund vieler Untersuchungen an Atomen, Atomkernen, und subatomaren Teilchen ist die Idee der Elementarteilchen entstanden. Die Wechselwirkungen dieser Teilchen mit Hilfe der `Botschafterteilchen' kann mathematisch modelliert werden. Einzelheiten sind bei Teilchenphysik (Physik des Monats) gegeben.

Modelle für Atome und Spektren
Das Bohrsche Atommodell beschreibt die Bewegung der Elektronen um den Atomkern mit Hilfe von Pendelfunktionen (siehe Atomphysik). Eine deutliche Verbesserung brachte die Quantenmechanik. Die vielen Möglichkeiten die Atome in Gasen haben Licht zu absorbieren, liefern komplizierte Spektren, die auch modelliert werden können.

Modelle für Sterne und für Sternentwicklung
Sterne sind gravitativ gebundene Gaskugeln die durch inneren Druck (Dichte und Temperatur) zu stabilen Kugeln werden. Im Sterninnern laufen Kernfusionsprozesse ab, die die Energie (E = m c2, eine lineare Relation mit c2 nur eine Proportionalitätskonstante; siehe auch Kernphysik) zur Aufrechterhaltung der inneren Druck liefern, eine Energie die schliesslich als Strahlung an der Oberfläche des Sterns weggestrahlt wird. Die Struktur der Sterne kann gut modelliert werden, was zu besserem Verständnis der Entwicklung der Sterne führt.

Modelle für Luftbewegung und Wettervorhersage
Durch Sonneneinstrahlung erwärmt sich die Luft der Erdatmosphäre und die Erdoberfläche. Dadurch werden konvektive Strömungen (Aufstieg und Rückkehr von Luftmassen) in Gang gesetzt. Diese Bewegung führt bei der sich drehenden Erde zu gekrümmten Luftströmungen und Druckunterschieden. Dadurch bilden sich die Wettersysteme mit Wolken und Niederschlag. Die durch Sonnenwärme und Wind angetriebenen Ozeanströme bilden weitere Parameter im Wärmehaushalt der Erde. Mit Modellierung dieser sehr komplexen Vorgänge wird versucht die Luftbewegungen und die Niederschläge, kurzum, das Wetter vorherzusagen oder die Änderungen des Klima zu erforschen.

Anmerkung:
Bei allen Modellen gilt, dass es eben Modelle sind, die nicht immer die Realität mit absoluter Genauigkeit beschreiben. Dennoch ist Modellierung der Weg komplizierte Systeme besser zu verstehen.


Literatur

Gleick, J.,  "Chaos",   Vintage pocket, ISBN 0-7493-8606-1
           "Chaos: die Ordnung des Universums", ISBN 3-426-04078-6
Gould, Stephen Jay,   "Life's Grandeur - The spread of excellence from Plato to Darwin",   Vintage pocket, ISBN 0-099-89360-6
Peitgen, H.-O., Jürgens, H., Saupe, D.,   "Chaos - Bausteine der Ordnung"   Verlag Klett-Cotta, ISBN 3-608-95435-X

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Autor: K.S. de Boer       Sternwarte, Universität Bonn, Auf dem Hügel 71, D-53121 Bonn
mail to: deboer@astro.uni-bonn.de
Veröffentlicht am 27.10.2000 im Jahr der Physik (www.physik-2000.de) auf www.astro.uni-bonn.de/~deboer/pdm/pdminstrmath.html
Fassung 2001.07.25