Das H2-Molekül; Text zu "Wissenschaft mit ORFEUS"

Das Wasserstoff Molekül H2: Bindung und Anregung

Wasserstoffatome können sich zum Molekül H2 zusammenfügen. Der Zwischenraum der beiden Atome ist in Ruhe 0.074 nm. Die Atome können um diese Ruheposition vibrieren. Bei kleinerem Zwischenraum nimmt die abstossende Kraft zu, bei grösserer Entfernung nimmt die anziehende Kraft zu. Man kann dieses Verhalten grafisch als ein Potential darstellen (siehe Figur). Würde man die beiden Atomen zu weit von einander entfernen so würde die Bindung brechen und die Atome wären wieder unabhängig von einander. Dafür ist eine Energie von 4.5 eV (die Dissoziationsenergie) erforderlich.

Energiezustände
Die Energie der Kerndistanz ist gequantelt, d.h., nur fest definierte Energiedifferenzen sind möglich. Diese Energiestufen sind vergleichbar mit der Zahl der Hauptschwingungen in einer Saite. Sie werden angedeutet mit den Vibrationsquantenzahlen V (siehe Figur) und können im Potentialtopf die durch horizontale Linien angedeuteten Energien haben. Superponiert gibt es die Rotationsquantelung J (nicht in der Figur angegeben).

Photonanregung
Die Elektronen der Atome können die Energie eines auftreffenden Photons von genau richtigem Energie (oder Wellenlänge) absorbieren und sie bringen dadurch das Molekül in einen angeregten Zustand. Es gibt viele solche Zustände. Die zwei wichtigsten sind in der Figur mit der etwaigen Wellenlänge der dafür notwendige Photonen angegeben. Die Energie dieser angeregten Zustände ist selbstverständlich je für sich überlagert von der schon erwähnten Kerndistanzenergie. Das zur Anregung absorbierte Photon verschwindet damit aus dem von einem Stern auf uns zugehenden Lichtstrahl. Das Fehlen solcher Photonen sieht man im Spektrum als Absorptionsstruktur.

Absorption durch H2 findet nur bei Wellenlängen im Bereich von 1000 bis 1100Å statt. Diesen Spektralbereich war mit ausreichender Spektralauflösung bisher nur mit dem Copernicus Satelliten (1972-1981) zugänglich. Der wohlbekannte IUE Satellit konnte nur bei Wellenlängen grösser als etwa 1200Å messen.

Strossanregung
Auch Stösse mit anderen Teilchen können das H2 in einen angeregten Zustand versetzen. Kollisionen mit niedriger Stossenergie können den Kernabstand anregen. Bei häufigen Kollisionen bildet sich in einer Ansammlung von H2 allmählich eine Verteilung der H2-Moleküle über die verschiedenen möglichen Anregungszustände. Diese Anregung kann mit Hilfe von Emission im nah-infraroten Teil des Spektrums abgebaut werden (siehe SuW 28, 648 [11/1988]). Unter Gleichgewichtsbedingungen wird diese Verteilung durch die Boltzmannstatistik gegeben, mathematisch identisch mit der Gauss-Funktion (wie sie auf dem 10 Markschein abgebildet war). Wenn in Kollisionen mit anderen schnellen Teilchen eine Energie von mehr als 4.5 eV übertragen würde, dann wird das Molekül dissoziert.

Quasimoleküle
Wenn zwei H-Atome relativ eng an einander vorbeifliegen ohne sich zu binden, so bilden sie dennoch kurzfristig ein H2-Molekül das "Quasi-Molekül" genannt wird. Wenn sich in diesem Zustand gerade ein Photon geeigneter Energie anbietet, kann es auch absorbiert werden und einer der Elektronen anregen. Geeignete Bedingungen für dieses Phänomen findet man in Sternatmosphären höherer Dichte. Dort wird eine solche Photonabsorption über einen breiteren Bereich von Photonenergien möglich sein. Der Grund dafür ist dass die aktuellen Kerndistanzen der sich im Vorbeiflug befindlichen Kerne breit gestreut sind, was auch zu einer Streuung der dementsprechend erforderlichen Absorptionsenergie führt. Diese Art der Absorption liefert breite Einsenkungen im Spektrum solcher Sterne bei 1600 und 1078Å. Das Phänomen tritt auch auf beim Vorbeiflug von einem H-Ion (einem Proton) an einem H-Atom, wobei sich das Quasi-Molekül H2+ bildet. Hier gibt es Absorption bei 1400 und 1060Å.


Das H2-Molekül; Text zu "Wissenschaft mit ORFEUS"

K.S. de Boer und N. Kappelmann;   Feb. 2002