Das interstellare Medium
Klaas S. de Boer Der Raum zwischen den Sternen ist nicht leer. Nach der Entdeckung leuchtender Nebel vor und die Entwicklung der Spektroskopie bald nach 1800 folgten erste wesentliche Erkenntnisse über den Raum zwischen den Sternen. Das Bohrsche Atommodell erlaubte es, viele spektrale Erscheinungen zu deuten, aber erst mit der Theorie der Quantenmechanik konnten alle Emissions- und Absorptionslinien des interstellaren Gases erklärt werden. Interstellarer Staub wurde entdeckt. Bald wurden Dichte und Temperatur verschiedener Gaskomplexe bestimmt und die verschiedenen Phasen des ISM erkannt. In diesem historischen Überblick wird die Entdeckung des interstellaren Mediums beschrieben. |
Die Entdeckung des interstellaren Mediums (das ISM) begann zögernd. Messier publizierte 1780 eine Liste der bei seiner Suche nach Kometen als "zu vernachlässigen" einzustufenden Nebel. Mit der neuen Spektroskopie stellte sich heraus, dass einige dieser schwach leuchtenden Nebel ein Spektrum ganz anderer Art als das der Sterne hatten, ein Spektrum mit nur einigen hellen Linien. Ja, "Linien". Spektren leuchtender Objekte wurden schon von Fraunhofer mit Hilfe eines Spektroskops registriert. Dabei wird das leuchtende Objekt auf einem Spalt abgebildet, um so das durch den Spalt durchgelassene Licht mit einer möglichst guten Trennung der Wellenlängen abzubilden. Mit dieser Methode erscheinen spektrale Strukturen als Linien senkrecht zum Verlauf der Wellenlängen (Abb. 1).
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Die diffus leuchtenden Nebel am Himmel wiesen Emissions-Spektren auf, etwa ähnlich der Linien in den Laborspektren der Flamme eines Bunsenbrenners. Ein gutes Beispiel ist das Spektrum des sogenannten "Planetarischen Nebels" im Sternbild Leier (Abb. 2). Durch Vergleich des Nebelspektrums mit dem Spektrum des Zentralsterns des PN wurde klar, dass der PN im Lichte des Wasserstoffatoms leuchtet. Es ist Emission der sogenannten Balmerserie, in Sternspektren gibt es diese Serie in Absorption. Mehrere der Emissionslinien konnten nicht gedeutet werden, sie wurden anfänglich einem hypothetischen Element "Nebulium" zugeschrieben.
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Und so sind wir bei der Atomphysik gelandet. Viele der Linien konnte man mit dem Bohrschen Atommodell erklären. Die Elektronen in der Wolke um einen Atomkern können zu Bahnen niedrigerer oder höherer Energie springen, wenn die äußeren und inneren Bedingungen dazu Anlass geben. Springt ein Elektron zu einer Bahn niedriger Energie, dann wird ein Photon mit genau der Energie des Sprungs abgestrahlt. Wird einen Photon genau der Energie des Sprungs angeboten, so kann ein Elektron aus der niedrigeren in die höhere Bahn springen. Im Licht eines Sterns fehlt dann etwas (Absorption). Aber auch Stöße zwischen Teilchen können zu diesen Sprüngen führen. Wie oft und wieviel hängt mit den physikalischen Bedingungen im Gas zusammen. Das Wechselspiel von Strahlungsintensität, Gasdichte und Temperatur (also Häufigkeit und Energie der Stöße) sowie atomaren Eigenschaften bestimmt letztendlich, welche Elektron-Sprünge stattfinden und daher auch, welche spektralen Strukturen gesehen werden können. Beispiele sind in Abb. 3 zu finden.
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Die Anerkennung, dass es generell Gas zwischen den Sternen gibt, ließ aber noch auf sich warten. Der Göttinger Astronom Hartmann entdeckte 1904 bei der Untersuchung der Spektren des Doppelsterns δ Orionis, dass die Absorptionslinie des ionisierten Kalziums auch eine ruhende, schmale Komponente hatte. Bald wiesen andere dies bei vielen weiteren Sternen nach. So wurde die Existenz freien Gases (Kalzium und bald Natrium) außerhalb von Sternen entdeckt. Erst als sich bei der Vermessung entfernter O- und B-Typ Sterne herausstellte, dass die Geschwindigkeit des "ruhenden" Gases eher den halben Wert der Geschwindigkeit des jeweiligen Sterns hatte, wurde auf ein zwischen uns und dem Stern befindliches allgegenwärtiges diffuses Gas geschlossen.
Astronomen hatten alsdann zwei Möglichkeiten, das interstellare Gas zu messen.
- Emissionslinien sah man vorwiegend in der Nähe heißer Sterne, sie dokumentierten die Stufen der Ionisation der Gase um heiße Sterne herum, höher ionisiert nahe am Stern (an der Quelle der Strahlungsenergie), weniger hoch ionisiert weiter entfernt. Das Spektrum des PNs zeigt, dass O+2 im inneren Gebiet des PNs zu sehen ist, O+1 eher nur am Rand, das mit der Balmerserie strahlende H0 auch nur am Rand.
- Interstellare Absorptionslinien waren gut im Licht der heißeren Sterne zu erkennen, eben da es nur in solchen Spektren keine Verwirrung zwischen der interstellaren Absorptionslinie und der stellaren Absorption des gleichen Atoms gibt. In kühleren Sternen gibt es (wegen des kühleren Sterngases) oft die gleiche Absorptionslinie wie aus interstellarem Gas.
Bis Ende der 1930er Jahre wurden interstellare Absorptionslinien von Na0 (die doppelte gelbe NaD Linie bei 589 nm), Ca0, Ca+1, Fe0, und Ti+1 im sichtbaren Bereich des Spektrums nachgewiesen, sogar die der Moleküle CH und CN.
Für die unerklärten Linien wurde, wie erwähnt, das Element Nebulium postuliert (die periodische Tafel hatte noch viele Lücken). Und in der Korona der Sonne sollte es Coronium geben. Die daran zu Grunde liegenden spektralen Erscheinungen konnten um 1930 mit Hilfe der Quantenmechanik erklärt werden: es handelte sich um elektronische Energiesprünge seltener Art, die unter gewissen Bedingungen in den Gasen doch zu deutlich messbaren Emissionslinien führen. Nebulium, so stellte sich heraus, war ionisierter Sauerstoff, Coronium sehr hoch ionisiertes Eisen.
Anfang des 20. Jhts sah der amerikanische Astronom Barnard im Band der Milchstraße dunkle Gebiete, Gebiete mit nur wenigen Sternen. Er publizierte seine Studie als (übersetzt) "Über die dunklen Flecken am Himmel mit einem Katalog von 182 der selben" (Barnard 1919). Als Ursache gab er das Vorhandensein von staubigen "Dunkelwolken" an.
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Trümpler (1930) am Mount Hamilton (California) untersuchte die sogenannten "offenen" Sternhaufen. Spektroskopiert man einen Stern und sieht man das Spektrum eines bekannten Typs, dann ist die Entfernung des Sterns aus der scheinbaren Helligkeit des Sterns ableitbar. So berechnete Trümpler die Entfernungen dieser Sternhaufen. Aus Fotografien des Himmels hatte er auch die Durchmesser der Sternhaufen abgeleitet. Aber die scheinbare Ausdehnung mehrerer Haufen, insbesondere die in größerer Entfernung, war zu groß im Vergleich zu der aus der Spektroskopie der Sterne abgeleiteten Entfernung. Er schloss daher auf eine Verdunklung des Sternlichts durch das interstellare Medium von im Mittel einem Faktor 2 über eine Strecke von 1 kiloparsec. Damit wurde die Existenz eines diffus verbreiteten interstellaren Staubs dokumentiert.
Ausführliche Studien über Größe und Form der Staubteilchen wurden in den 1960er Jahren gemacht (siehe Greenberg 1968). Der Staub sei wohl aus kondensierten schweren Elementen und ausgefrorenen Molekülen zusammengesetzt. Durch diese wird Licht von Hintergrundsternen "verfärbt": der Blauanteil wird stärker abgeschwächt als der Rotanteil, wie man es beim Auf- und Untergang der Sonne sehen kann. Mit den Modellen konnte dies weitgehend erklärt werden.
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Erst nach der Entwicklung der Messmöglichkeiten im infraroten Teil des Spektrums (insbesondere auch die mit Satelliten, z.B. IRAS, ISO) wurde klar, dass der interstellare Staub fast ausschließlich in der Scheibe der Galaxis vorhanden ist (Abb. 5). Der Staub strahlt hell im fernen Infrarot mit einer spektralen Intensitätsverteilung, die auf Temperaturen im Bereich von 20 K schließen lässt.
Während des 2. Weltkriegs arbeiteten Forscher in Europa so gut es ging weiter, oft nur mit Bleistift und Papier. In Leiden (NL) wurde ein Student damit beauftragt, mit Hilfe der Quantenmechanik den genauen Wert eines ganz kleinen Energiesprungs des Wasserstoffatoms zu bestimmen. Ein Elektron hat einen Spin parallel zum Spin des Atomkerns, oder ist eben anti-parallel, und zwischen beiden Zuständen gibt es einen winzig kleinen Energieunterschied. Van de Hulst (1945) berechnete, dass dieser Sprung zu Strahlung bei 21-cm Wellenlänge führen würde. Obwohl ein Wasserstoffatom diesen Sprung statistisch nur einmal in den 11 Millionen Jahren macht, sollte die gigantische Menge an vorhandenem Wasserstoff es ermöglichen, diese Strahlung doch zu messen. Bald nach dem Krieg wurden freigegebene Radarantennen eingesetzt, um mit geeigneten Detektoren diese Strahlung zu finden. Fast gleichzeitig gelang dies in den Niederlanden, in Australien und in den U.S.A. Eine erste Himmelskarte der 21-cm Strahlung aus niederländischen und australischen Messungen folgte (Kwee et al., 1954). Unsere Galaxis hat eine hauchdünne Scheibe aus Gas! Das Gas war natürlich neutral, es leuchtete in Emission von H0 bei T < 100 K.
Die Entdeckung der 21-cm Radiostrahlung entfachte eine intensive Suche nach Strahlung von Molekülen. Solche wurden im Radiobereich des Spektrums erwartet, es handelt sich eben um niederenergetische Objekte. Das erste Molekül war OH (1963), gefolgt von NH3 (1968), H2O und H2CO (1969). Die Entdeckungen erforderten die Detektion von jeweils mindestens zwei der Emissionslinien, deren Frequenzen mit Hilfe der Quantenmechanik berechnet waren. Die Liste der Moleküle wurde in den folgenden Jahren immer länger. Dabei waren vermehrt sogenannte organische Moleküle, d.h., Moleküle, die mindestens C, O und H enthalten. Sie weisen aber nicht notwendigerweise auf Leben hin, da sie sich bei sehr hohen Dichten und niedrigen Temperaturen direkt in staubigen Wolken bilden können. Auch wurde die Strahlung gefunden, die ein Wasserstoffatom in festen kleinen Energieschritten unmittelbar nach dem Einfang eines Elektrons freisetzt. Dies sind die sogenannten Rekombinationslinien (Abb. 3).
Oft ergeben sich durch Weiterentwicklung der Messtechnik neue Entdeckungen. In der Astronomie geht das genau so. Hobbs baute Ende der 1960er Jahre einen sehr hochauflösenden Spektrographen (ein Fabry-Perot Interferometer), der feinste Strukturen (λ/Δ λ = 3 x 105) vermessen ließ. Damit konnte er nachweisen, dass auf vielen Sichtlinien zu Sternen mehr als eine absorbierende Struktur im Spektrum zu sehen war, dass es daher wohl unterschiedliche Gaskomplexe (Wolken) auf einem Sehstrahl geben kann, die je eine eigene Geschwindigkeit im Raum haben (siehe Hobbs, 1979). Des weiteren waren die Absorptionsstrukturen oft sehr schmal, die Linienbreite ließ auf kaltes Gas schließen, mit T < 30 K.
Die Entwicklung der Möglichkeit aus dem All zu messen, erlaubte es, die vielen im UV-Bereich des Spektrums vorhandenen interstellaren Absorptionslinien (z.B. von Mg+1, Fe+1, C+3, O+5) zu vermessen. Aus der Fülle an UV-Absorptionslinien des neutralen Kohlenstoffs konnte die Dichte einer Wolke neutralen Gases abgeleitet werden (de Boer & Morton 1974). Es war dort kalt (T= 100 K) und, nach interstellarem Maßstab, dicht (etwa 400 Atome/cm3). Im Fern-UV des Spektrums wurde die Absorption des interstellaren Wasserstoff-Moleküls, H2, erwartet und gemessen (Spitzer et al., 1973). Dieses Molekül macht einen erheblichen Bruchteil des Gases in dichten interstellaren Wolken aus.
Die Stärke der Absorptionslinien führt, wenn auch die aktuelle Form der spektralen Linie einbezogen wird, zu der sogenannte Säulendichte des Materials, der Zahl der Atome oder Ionen in einer Säule mit Durchschnitt von 1 cm2 bis zum Stern. Berücksichtigt man, welche Stufe der Ionisation des Elements die dominante ist, so findet man, im Vergleich mit der Säulendichte des Wasserstoffs, die Häufigkeit des Elements. Auf diese Art konnte die Häufigkeit der Elemente in freier Form in Richtung des Mustersterns ζ Ophiuchi, ein Sehstrahl mit mäßiger Verdunklung durch Staub, mit den Häufigkeiten in der Sonne (sie entstand eben aus interstellarem Gas) verglichen werden. Abb. 6 fasst die Resultate zusammen. Schwere Elemente fehlen offenbar. Das Fehlen korreliert mit der Temperatur der Fraktionierung des jeweiligen Elements, mit der Temperatur, bei der Elemente sich in einem abkühlenden Gas spontan mit anderen verbinden, daher die freie Form verlassen und so Keime für interstellaren Staub bilden.
Abbildung 6. Die gesammelten Resultate zur Häufigkeit der vorhandenen Elemente auf dem Sehstrahl zum Stern ζ Oph relativ zu denen der Sonne (nach Savage & Mathis 1979). Viele der Elemente fehlen weitgehend in der freien Form. Es gibt aber eine eindeutige Korrelation mit der sogenannten "Kondensationstemperatur", Tc, bei der in einem kühlenden Gas Elemente sich spontan verbinden (nicht länger in freier Form vorhanden sind) und so die Keime für interstellaren Staub bilden.
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Der Zugang zum UV-Teil des Spektrums und die neuen Detektoren für Röntgenstrahlung aus dem Raum brachten die Entdeckung des ganz heißen Gases (siehe de Boer, 2018; Müller, 2018).
Ende der 1960er Jahre-wurden mit Raketen erste Spektren im UV-Bereich des Spektrums registriert. Wie erwartet, gab es erste grobe Hinweise auf interstellare Absorptionslinien. Erst die Messungen mit Satelliten brachten die wirklich großen Gewinne. Schon 1972 gab es erste Analysen des interstellaren Gases in Richtung zweier südlicher Sterne, basierend auf mit einem Europäischen Satelliten gewonnenen Spektren. Mit dem 1973 gestarteten Amerikanischen Satelliten Copernicus konnten dann die ganz wichtigen Elemente C, N und O sowie Al und Si im interstellaren Raum an Hand ihrer Fern-UV-Absorptionslinien nachgewiesen werden. Speziell die Entdeckung der interstellaren Absorptionslinien von C+3, N+4 und O+5 untermauerten die Vermutung über die Existenz sehr heißen interstellaren Gases. Viele weitere UV-Messungen mit Satelliten, z.B. IUE (1978-1996), HST (seit 1990), ASTRO-SPAS (1993 & 1996), FUSE (1999-2007), folgten. So wurde mit dem IUE die 25 Jahre alte Vorhersage einer heißen Korona um die Milchstraße bestätigt.
In den 1960er Jahren starteten auch erste Raketen um Röntgenstrahlung zu messen. Erst mit der Möglichkeit, flächenhafte Strahlung zu registrieren, z.B. mit den Satelliten EXOSAT (1983-1986), ROSAT (1999-2011) und XMM-Newton (seit 1998), konnte diffus im Röntgenbereich leuchtendes Gas festgestellt werden. Man sieht es um heiße Sterne, die Material aus der Umgebung aufsammeln (die sogenannten Röntgen-Doppelsterne) aber auch diffus in und um Galaxien. Um überhaupt bei solchen hohen Energien leuchten zu können, muss das Gas unheimlich heiß sein, im Bereich von mehreren Millionen Grad. Wie das Gas so heiß werden kann, ist, wie bei der heißen Corona der Sonne, noch ungeklärt.
Begründet in der Physik der Gase (chemische Zusammenstellung, atomare Eigenschaften, Strahlungsfeld) gibt es vier mehr oder weniger stabile Phasen im interstellaren Gas. Als erstes wird das neutrale Gas besprochen, da es die Grundlage für viele Parameter des ISM liefert.
Neutrales Gas
Gas, worin der Wasserstoff neutral ist und das relativ gut durchsichtig ist. Solches Gas existiert vorwiegend im Temperaturbereich 100 < T < 1000 K mit einer Gasdichte 1000 > d > 100 Atome/cm3. Diese Werte wurden als wahrscheinlichste für das Gas in unserem Bereich der Galaxis aus vielen verschiedenen Analysen abgeleitet. Die Werte von T und d zusammen liefern einen Gasdruck um 104 K/cm3. Da der Gasdruck in einem ruhigen Bereich des ISM konstant ist, wird der Wert 104 K/cm3 oft auch der Berechnung von Temperatur und Dichte in den anderen Phasen zu Grunde gelegt. Im neutralen Gas sind die schwereren Elemente meist im ionisierten Zustand, je nach Wert des jeweiligen Ionisationspotentials (wie schon angedeutet). Ein erheblicher Teil der schweren Elemente ist in Staubkörnern kondensiert (Abb. 6).
Molekulares Gas
Neutrales Gas, worin der Wasserstoff vorwiegend in Form des Moleküls H2 vorhanden ist. Dieses Gas ist kalt mit T < 20 K. Die hier üppig vorhandenen Staubteilchen enthalten auch "Eis", ausgefrorene Moleküle aller Art. Da diese Phase des ISM wirklich kalt ist, ist die Dichte des Gases dementsprechend hoch, weit über 1000 cm−3. Solches Gas ist weitgehend undurchsichtig und wurde als erste bekannt aus den Dunkelwolken (Abb. 4).
Ionisiertes Gas
Gas, worin der Wasserstoff ionisiert ist. Um diese Ionisation zu handhaben, ist eine Temperatur von etwas über 104 K notwendig, oder eben eine ständige Energiequelle, um der andauernden Rekombination der Wasserstoff-Ionen mit Elektronen entgegenzuwirken. Bei der genannten Temperatur ist die Gasdichte 1 cm−3. Solches Gas existiert fast nur in der Umgebung heißer Sterne, die mit ihrer UV-Strahlung Wasserstoff und andere Elemente ionisieren können. In der äußeren Grenzzone solchen Gases tendiert das Gas zum neutralen Zustand. Es ist die Zone, die gut im Emissionsspektrum des Wasserstoffs oder auch O+1 eines PNs zu sehen ist (Abb. 2).
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Koronales Gas
Gas mit Temperaturen im Bereich von 106 K oder mehr. Dieses Gas ist hochionisiert. Es wird um hochenergetische Quellen gesehen, wie Röntgensterne.
Man kennt es auch von der Korona der Sonne und anderer Sterne. Der Nachweis der interstellaren Absorptionslinien von C+3, N+4 und O+5 außerhalb der Scheibe der Galaxis, also in seinem Halo (de Boer 2018), dokumentierte, dass dieser Außenraum der Galaxis ebenfalls mit ganz heißem Gas gefüllt ist. Mit Messungen im Röntgenbereich wurde an vielen Stellen am Himmel auch diffus leuchtendes koronales Gas nachgewiesen.
Gasdruck
Die oben angegebenen Werte der Dichte sind nur genäherte Werte. Aber ein Gasdruck von nT gleich etwa 104 K cm−3 gleicht in physikalischen Einheiten P=nkT = 1.3 x 10-12 Pa. Im mittleren interstellaren Raum der Scheibe der Galaxis ist der Druck daher ca. 1017 Mal kleiner als in Luft an der Erdoberfläche. Das interstellare Medium kann in der Tat als ein wahrhaftes Labor zur Untersuchung der Physik hochdünner Gase gesehen werden. Die Gasdichte in der Galaxis weist noch einen räumlichen Verlauf auf (Abb. 7): in Richtung Halo wird sie selbstverständlich kleiner, bis man in den intergalaktischen Raum gelangt, in Richtung Zentrum der Galaxis ist sie größer. Da es in der Galaxis viel Raum gibt, wird ein Volumen von einem Kubikparsec an neutralem Gas in der Scheibe der Galaxis fast immer eine ganze Sonnenmasse an interstellarer Materie enthalten. Unter Einfluß der Gravitation können in solchem Gas viel höhere Dichten auftreten und daher zu Bedingungen für die Bildung neuer Sterne führen.
Gegen Ende des 20. Jhts. war das Wissen um die wichtigsten Phasen des vielfältigen interstellaren Mediums etabliert und gut dokumentiert. Einzelheiten werden immer weiter erforscht, insbesondere die Bedingungen im ISM, die für die Bildung neuer Sterne so wichtig sind. Das energetische Verhalten der Phasen und generell die Wechselwirkungen zwischen den Phasen sind Bestandteil vieler Studien. Das ISM enthält nur etwa 1/20 der sichtbaren Masse der Galaxis.
Quellen
Aller, L.H., "Emission Nebulae"; Chapman & Hall (1956).
Barnard, E.B., Astrophysical Journal, 49, 1 (1919).
de Boer, K.S., Morton, D.C., Astronomy & Astrophysics, 37, 305 (1974).
de Boer, K.S., Astrophysical Journal, 229, 132 (1979).
de Boer, K.S., "Optische und UV-Astronomie – Rasanter Wandel der Technik"; Astr.+Raumf. 55, S.5 (2018).
Greenberg, J.M., "Interstellar Grains", in "Nebulae and interstellar Matter", U.Chicago (1968).
Harenberg Schlüsseldaten Astronomie, Harenberg (1996).
Hartmann, J.F., Astrophysical Journal, 19, 268 (1904).
Hobbs, L.M., Astrophysical Journal Supplements, 38, 129 (1979).
Kwee, K.K., Muller, C.A., Westerhout, G., Bull. Astron. Inst. Netherlands, 12, 211 (1954).
Müller, A., "Astronomie mit Röntgenstrahlung - früher und heute", Astr.+Raumf. 55, S.15 (2018).
Savage, B.D., Mathis, J.S., "Observed properties of interstellar dust", Ann. Rev. Astr. Astrophys., 17, 73 (1979).
Spitzer, L., et al., Astrophysical Journal, 181, L116 (1973).
Trümpler, R.J., Publ. Astron. Soc. Pacific, 42, 214 (1930).
van de Hulst, H.C., Ned. Tijdschrift voor Natuurkunde, 11, 201 (1945).
Dank gilt U. Backes für vielen guten Ratschläge.
In Druck erschienen in "Astronomie+Raumfahrt", 2020 Heft 6, S.5−9
Ins Internet gestellt am 2020.12.10