Probleme in und mit der Kosmologie?
Klaas S. de Boer
Argelander Institut für Astronomie
(Abt. Sternwarte), Univ. Bonn
Nach vielen Jahren mühseliger astronomischer Forschung, gespickt mit sehr bedeutsamen Zufallsentdeckungen, trauten sich Theoretiker an die Erstellung eines Modells für die Struktur und Entwicklung des Universums. Diese Modelle wurden immer detaillierter, die Ergebnisse wurden bildhaft dargestellt, sogar mit sehr schönen filmisch ausgearbeiteten Entwicklungssequenzen. Das Modell, das immer wieder an die durch Messungen verbesserten Größen angepasst wurde, heißt das "Standardmodell der Kosmologie". Trotz dieser beeindruckenden Leistung gibt es inzwischen mehrere Probleme mit diesem Standardmodell. An einigen Stellen passen zweifelsfrei aus astronomischen Messungen abgeleiteten Werte nicht mehr so gut, und das Standardmodell wurde daraufhin so "gebogen", dass es gerade noch vertretbar war. Hier soll versucht werden, den Leser mit einigen Problemen vertraut zu machen.
Der Text ist folgendermaßen aufgebaut.
Die Entwicklung der Erkenntnisse über die Kosmologie wird
rudimentär beschrieben.
Grundfakten werden dargestellt,
wichtige Themen ausgearbeitet und einige der nagenden
Probleme benannt.
Es gibt viele weitere knifflige Unstimmigkeiten,
die nicht vorgestellt werden.
Hier besprochen werden:
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Seit Albert Einstein seine spezielle (1905) und dann die allgemeine Relativitätstheorie (1915) formulierte, haben Forscher an der mathematischen Beschreibung getüftelt. Damals schien das Universum statisch bzw. stationär: der Weltraum war leer außer den vielen bekannten Galaxien mit ihren Sternen und leuchtenden Gaswolken. Befriedigend war dies nicht, da die ewig wirkende Gravitation alles aufeinander zukommen lassen sollte. Daher schuf Einstein in seinen Gleichungen einen extra Parameter, die sogenannte kosmologische Konstante, Λ ("Lambda"), die gewissermaßen der Gesamtgravitation des Universums entgegenwirkte. Später hat Einstein diesen Faktor wieder herausgenommen, wobei er gesagt haben soll, Λ sei seine größte Eselei ("Blunder") gewesen.
Einsteins Relativitätstheorie und die darin enthaltene Beschreibung der Gravitation hat sich bewährt. Alle irdischen Phänomene wurden selbstverständlich richtig erfasst und ebenfalls die sehr großen Schwerkräfte bei Neutronensternen und Schwarzen Löchern, wie rezent bei der Vermessung der Gravitationswellen dokumentiert wurde. Alle Forscher haben daher angenommen, dass die Beschreibung der Schwerkraft für Bedingungen, wo sie ganz klein ist, ebenfalls von der Relativitätstheorie erfasst werden. Letzteres muss aber noch unter Beweis gestellt werden....
Erste Indizien für die Tatsache, dass weiter entfernte Galaxien sich von uns weg bewegen, kamen von Carl Wirtz (damals in Strasbourg). Diese Tatsache wurde 1927 von Lemaître in Leuven als eine Expansion des Raumes gedeutet, und das Universum sei in seinen Anfängen sehr klein gewesen. Hubble am Palomar Observatorium hat dann mit mehr Daten den Befund der Expansion untermauern können. Die frühe Geschichte der Entdeckung der Expansion wurde von Geffert (2017) zusammengefasst.
Nun zum Verhalten des Universums über lange Zeiten. Unter der Annahme, das Universum sei auf größten Skalen homogen, führen die Gleichungen zu relativ einfachen Lösungen, die grafisch dargestellt werden können. Eine Lösung heißt die "kritische", da sie eine euklidische Geometrie (die uns allen bekannte Geometrie) und genau die richtige Materiedichte (die "kritische") hat. Diese Lösung wird (auch aus ästhetischen Gründen) favorisiert. In der Grafik ist es Fall C und das Universum sei dann 13.8 Gyr (Gyr= eine Miliarde Jahre) alt. Die Parameterwerte dieses Modell sind k=0 und q=0.5. Der Parameter k steht für die Art der Geometrie: k=0 ist euklidisch, k=−1 ist die "hyperbolische" (mit q zwischen 0 und 0.5), k=+1 die "sphärische Geometrie" (mit q größer als 0.5).
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Das Diagramm zeigt Zeit t gegen Größe R(t), mit dem Punkt "hier und heute". Drei spezielle Möglichkeiten für das Verhalten sind eingezeichnet (mit Werten von k und q): Fall E (immer weiter expandierend), Fall C (Grenzfall), und Fall R (später kontrahierend). Alles dazwischen ist ebenfalls möglich. Fall C ist das Modell, das ewig expandiert aber allmählich verlangsamt, ohne zum Stillstand zu kommen. In just diesem Modell ist das Universum 13.8 Gyr alt. Dies ist in der Grafik in Richtung "Damals" abzulesen aus dem Schnittpunkt der Linie des Modells (grün) mit der Zeitachse (die "Zurückschauzeit" ist am oberen Rand in Gyr angegeben). Die Sonne entstand vor 4.5 Gyr.
Expansionsrate des Universums und H0
Die Expansionsrate des Universums wurde anfänglich von
Hubble (1929) bestimmt.
Nach Verbesserung der Eichung des hierzu wichtigen Typs der
variablen Sterne, der Cepheiden
(siehe Entfernungsbestimmung),
haben sich viele mit der Neubestimmung der Expansionsrate
beschäftigt.
Um diese Expansionsrate,
dann Hubble Konstante H0 genannt,
wurde heftigst gestritten, da die von unterschiedlichen Gruppen
favorisierten zwei Werte (50 und 100 km/s /Mpc)
anscheinend nicht in Einklang zu bringen waren.
Probleme mit den Werten der Hubble Konstante
Der stellare Hubble Konstante
Das Hubble Teleskop (HST) ermöglichte es, die so
nützlichen Cepheiden in weiter entfernten Galaxien zu entdecken,
um so die Expansionsrate besser bestimmen zu können
(auch wegen dieser Aufgabe wurde das HST nach Hubble benannt).
Die Konstante wurde dann einvernehmlich zu 71 km/s /Mpc
bestimmt.
Die später verstandenen Supernovae
des Typs Ia,
die gelegentlich aufflammen, auch in weit entlegenen Galaxien,
ermöglichten es, die Expansionsrate
über viel größere Entfernungen auszuloten.
Die Erforschungen aller Eichschritte in der Sequenz Parallaxe−Cepheiden−SN Ia gingen
Urknall Strahlung (CMB) und H0
Im Jahre 1964 wurde die "kosmische Hintergrundstrahlung"
(per Zufall)
als restliches Rauschen in Radiosignalen vom Himmel entdeckt.
Aus allen Himmelsrichtungen kommt diese Strahlung,
die effektiv eine Strahlungstemperatur von etwa 2.7 Grad Kelvin hat.
Sie wurde als ein Überbleibsel der ganz heißen Strahlung
aus der Zeit des Urknalls gedeutet.
Das Maximum der Strahlung liegt bei etwa 1.5 mm Wellenlänge.
Um diese Strahlung genau zu untersuchen, waren Messungen aus dem Raum
notwendig.
Mehrere Satelliten sind gebaut worden (COBE, WMAP, Planck),
um die kosmische Hintergrundstrahlung
(Cosmic Microwave Background, CMB) immer genauer zu vermessen
(siehe CMB Resultate).
Die winzigen räumlichen Inhomogenitäten in dieser Strahlung
führten zusammen mit Modellen für das Verhalten des Universums
zu Werten für viele der Modellparameter.
Die Werte von H0 sowie die Unsicherheit in der Bestimmung wurden im Laufe der Jahre mit den weiterführenden Anpassungen des Standardmodells immer kleiner. Der beste Wert aus CMB und Standardmodell ist z.Z. H0 = 66.5 km/s /Mpc (Abbildung). Es gibt eindeutig kein Überlappen des Unsicherheitsbereichs mit dem der stellar bestimmten Hubble Konstante.
Wo steckt das Problem? Steinmetz (2019) diskutiert einige Möglichkeiten mit "neuer" Physik, wie relativistische Teilchen, wechselwirkende Dunkle Materie, oder zeitlich veränderliche Dunkle Energie und Raumkrümmung. Aber das alles überbrückt die Diskrepanz nicht.
Anmerkungen zu Problemen mit dem "Standardmodell"
Dunkle Materie
In den 1970er Jahren wurde entdeckt, dass bei mancher Galaxie die
Außenbezirke eine deutlich größere Umlaufgeschwindigkeit
um das jeweilige Galaxien-Zentrum aufweisen als aus der gravitativen
Wirkung der Materie der Galaxie hervorgehen konnte
(Rubin & Ford 1970, Carnegie Institut, USA; Bosma 1981, Groningen, NL).
Schon in den 1930er Jahren hatte Zwicky aus seiner Studie
der Geschwindigkeiten der Galaxien in einem Galaxienhaufen abgeleitet,
dass der ganze Haufen viel mehr an Masse haben muss,
als aus den bekannten Daten dokumentiert werden konnte.
Theoretische Modelle zur Rotation der Galaxien schienen im Einklang mit den Daten gebracht werden zu können, wenn man mehr Schwerkraft oder eigentlich mehr Materie annahm, als Astronomen dokumentieren konnten. Dabei ging es um Faktoren im Bereich von 10! Diese große Menge an zusätzlicher Materie war nicht sichtbar, wurde alsbald Dunkle Materie genannt (siehe de Boer 2017: Woher kommt der Begriff "Dunkle Materie"?).
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Die Bestimmung der Menge an Dunklen Materie, die zur Erklärung der Geschwindigkeiten der Galaxien in einem Galaxienhaufen notwendig erscheint, ist ebenfalls problematisch. Die Gesamtmenge der Materie wird abgeleitet mithilfe des sogenannten Virialtheorems. Von den 4 Bedingungen, die bei dieser Anwendung erfüllt sein müssen, ist die wichtigste, dass das Haufensystem im Gleichgewicht sein soll. Nun fehlt zur Erreichung eines Gleichgewichts vermutlich kosmologisch gesehen die Zeit. Auch sind die Galaxienhaufen i.a. schlecht im Umfeld definierbar. Daher ist nicht gesichert, dass die Galaxienhaufen sphärisch sind, was alleine schon die Vorbedingung des Gleichgewichts verletzt.
Mordechai Milgrom (Weizmann Institit, Israel) hat den ersten Ansatz gemacht, das Newtonsche Gravitationsgesetz anzupassen. Ohne irgendwelche "herbeigezauberte Materie" fand er 1983 eine Formulierung, womit in der Tat die Geschwindigkeiten am Rande der Galaxien groß bleiben. Seine Theorie heisst MOND (modifizierte Newtonsche Dynamik). Inzwischen wurde MOND auf vielen Galaxien verschiedensten Typs angewendet und stets waren mit MOND die gemessenen Geschwindigkeiten und andere Eigenschaften ohne Bedarf an hypothetischer Materie erklärbar. Ein Erfolg.
Das Problem der für Galaxienhaufen abgeleiteten großen Menge an DM scheint auch nicht mehr groß zu sein. Bob Sanders am Kapteyn Institut in Groningen, NL, der sehr intensiv bezüglich Fragen zu MOND und DM geforscht hat, zeigte 2003, dass bei Anwendung von MOND kaum noch Materie fehlt.
Die Teilchenphysik liefert auch keine Abhilfe. Es gibt keinen einzigen Hinweis auf die Existenz irgendeiner Materie, die als Eigenschaft (nahezu nur) Gravitation hat. Teilchenphysiker haben mit viel Phantasie ihre Modelle der Elementarteilchen nach Möglichkeiten für weitere und sonderbare Teilchen mit exotischen Namen (WIMPS, Axionen, sterile Neutrinos, Monopole, ....) ausgelotet. Das hat bisher nicht gefruchtet. Des weiteren haben Experimentalphysiker in und mit Teilchenbeschleunigern auch nach sonderbaren Teilchen gesucht, in der Hoffnung etwas zu finden, das zu den Eigenschaften der hypothetischen Dunklen Materie passt. Dies war, genau wie bei den Theoretikern, erfolglos.
Es gibt hier nur eine Schlussfolgerung: wegen der immer noch (und nur) hypothetischen Natur der DM muss eine andere Lösung für das Masse/Schwerkraft Problem herbeigeführt werden. Man komme nicht mehr darum herum anzuerkennen, dass das Newtonsche Gravitationsgesetz unter den Bedingungen sehr geringer Kräfte offenbar nicht zutrifft. Es muss ersetzt werden, und da bietet MOND eine gute Lösung.
DM oder MOND? Sowohl mit der Hypothese DM als mit der Hypothese MOND können selbstverständlich die gemessenen "Probleme" bei den Geschwindigkeiten in Galaxien "erklärt" werden. Dabei ist DM seit langem nichts mehr als eine Hypothese. MOND bringt eine Anpassung des Gravitationsgesetzes, wobei es im neuen Gesetz einen freien Parameter gibt. Dieser Parameter ist genau so "frei" wie, z.B., die Newtonsche Gravitationskonstante oder die Konstante der Lichtgeschwindigkeit. In allen drei physikalischen Gesetzen wurde der Wert der Konstante aus Messungen abgeleitet.
Homogenität des Universums
Die mathematischen Gleichungen, die die Struktur des Universums
beschreiben sollen,
sind von einer verführerischen Einfachkeit.
Dafür musste allerdings eine ganz wichtige Annahme gemacht werden
und zwar die der Homogenität des Universums.
Ohne diese Annahme müsste jedes Modell
jede lokale Verdichtung der Materie
(wie die einer jeden Galaxie)
wie grob auch immer separat berücksichtigen.
Stellt man sich den Urknall als Explosion vor,
so ist es undenkbar, dass das alles zu einem sich homogen
ausbreitenden Materiegetümmel werden würde.
Die CMB strahlt aber ungemein homogen am Himmel.
Wenn sich das Universum nach dem Urknall
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Mehrere Versuche wurden unternommen, das Problem der Homogenität anzugehen. Da die Inflation im Standardmodell mit seinen vielen frei wählbaren Parametern eingebettet ist, hängt darin alles mit allem zusammen. Über die Inflation wird wohl noch viele Jahre diskutiert und geforscht werden.
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Aber, das Universum ist nicht homogen !
Im 20. Jht wurden in vielen Himmelsrichtungen
Galaxien "gezählt".
Es ging um die Bestimmung der räumlichen Verteilung der Galaxien.
Bald wurde klar,
dass es im Universum große Gebiete ohne Galaxien gibt.
Diese Gebiete wurden voids (etwa Leerräume) genannt.
Die gezeigte Abbildung ist das Ergebnis vieler Jahre Arbeit
im Sloan Digital Sky Survey (SDSS).
Ist die Inhomogenität im Universum von Bedeutung für die
Einsteinschen Gleichungen, die die Homogenität voraussetzen?
Vielleicht nicht, aber in anderen Bereichen
könnte es schon ein Problem sein.
Dunkle Energie
Untersuchungen von Perlmutter+ (1999) an neu entdeckten
weit entfernten SN Ia zeigten,
dass die Beziehung zwischen Entfernung und Geschwindigkeit
(sprich: die Hubble Relation) nicht mehr so ganz gerade war.
Bei gemessener Rotverschiebung schienen
die SN Ia heller als
bei der aus dem Licht der Galaxie gemessenen Rotverschiebung erwartet.
Dies kann man unter Beibehaltung der intrinsischen Helligkeit
dieser Supernovae erklären,
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Wenn die Expansion in der Vergangenheit langsamer war, sollte ein Etwas die Expansion beschleunigen. Da kein bekannter Mechanismus vorhanden war, postulierte man die "Dunkle Energie", die eben die Beschleunigung bewirken sollte. Damit war das Problem gelöst, allerdings auf gleiche Art wie bei der Dunklen Materie, durch etwas Hypothetisches, ohne physikalischen Prozess.
Dunkle Energie oder ein nicht-homogenes Universum?
Es gibt mehrere Gründe, die Hypothese zur Dunklen Energie
in Frage zu stellen.
- Zum einen ist ungesichert,
dass alle SN Ia sich identisch benehmen.
Wenn, z.B. der Stern, der wegen der vom Nachbarn angesammelten Materie
explodieren würde, relativ schnell rotiert,
so kann er mehr an angesammelter Masse tragen als ohne Rotation;
damit würde er schwerer werden können
als die sonst gut definierten 1.4 Sonnenmassen
und dadurch wäre die Supernova Explosion auch heller.
- Zweitens,
für viele der Galaxien mit einer SN Ia
wurde die Rotverschiebung nicht aus Spektren,
sondern aus Photometrie abgeleitet, was sehr ungenau ist.
- Drittens, das Postulat der Dunkle Energie beinhaltet eine Verletzung
des Gesetzes zur Erhalt von Energie.
Woher soll die Energie kommen, die die Expansion beschleunigte?
- Ein ganz andersartiges Problem wurde von
David Wiltshire (2007; Dam+ 2017) in Christchurch, NZ, gesehen.
Er hat Modelle für ein nicht homogenes Universum erprobt.
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Anordnung der Zwerggalaxien
Mit dem Standardmodell der Kosmologie wurden Berechnungen über
Strukturbildung im Universum für die Zeit nach dem Urknall gemacht.
Angenommen wurde eine ordentliche Menge an Dunkler Materie,
die sich in kleine Dichtefluktuationen weiter verdichten sollte,
um mit diesen gravitativen Zentren dann "normale" Materie
hineinziehen zu können.
Damit sollten sich kleine Galaxien bilden,
mit Sternentstehung und all dem, was zu einer Galaxie gehört.
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Ein Ergebnis dieser Strukturbildungs-Modelle ist, dass um große Galaxien noch viele Zwerggalaxien gleichmäßig verteilt (sprich: sphärisch) vorhanden sein sollten. Bei unserer Galaxis ist dies nicht so; es gibt Zwerggalaxien, aber die sind eher scheibenartig um die Milchstraße angeordnet (Metz & Kroupa 2007; Bonn). Alsbald sprachen die Modell-Theoretiker vom "Problem der fehlenden Zwerggalaxien", implizit eine gewisse "Bringschuld" den beobachtenden Astronomen auferlegend. Daraufhin wurden doch noch einige kleine nahe Galaxien entdeckt; sie lagen aber auch in dieser Scheibe! Dann stellten Forscher fest, dass die Andromeda Galaxie, unser nächster Nachbar, ebenfalls keine homogene "Wolke" an Zwerggalaxien besitzt. Dazu kam, dass in numerischen kinematischen Simulationen von wechselwirkenden Galaxien eindeutig die vorhandenen (und durch Gezeitenkräfte hervorgerufenen) Materieströmungen nachgebildet werden konnten.
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Inzwischen wurde für die Galaxie "Centaurus A"
in einer weit entfernten Galaxiengruppe festgestellt,
dass ihre Begleitgalaxien auch in einer Scheibe
angeordnet sind (Müller+ 2018).
Da es nun mehrere Beispiele für eine
nicht sphärische Anordnung gibt,
muss erneut eine der Vorhersagen des sogenannten Standardmodells
als "nicht mit der Realität im Einklang" eingestuft werden.
Quasare
Ein Quasar hat in seinem Zentrum ein gewaltiges Schwarzes Loch
und ist umgeben von einer sogenannten Akkretionsscheibe.
Quasare strahlen Unmengen an Licht ab, sie können daher
bis in sehr große Entfernungen gesehen werden.
Ende 2017 wurde über die Entdeckung
eines rekordverdächtigen Quasars berichtet
(siehe Quasar J1342+0928),
ein Quasar in einer Entfernung gleich einer Rückschauzeit
von 13.1 Gyr.
Die Entfernung folgte aus der Rotverschiebung von spektralen Merkmalen. Eine derartige Entfernung bedeutet, dass der Quasar in weniger als 600 Millionen Jahren nach dem Urknall komplett etabliert gewesen sein muss. Reichen die 600 Millionen Jahre dafür? Oder soll das Universum älter sein als 13.8 Gyr? Diese Fragen müssen noch beantwortet werden. Unter Umständen ist das Standardmodell auch hier nicht mehr passend....
Zusammenfassend:
Das sogenannte "Standardmodell" der Kosmologie
enthält eine große Zahl an Annahmen.
Daher ist es möglich, eine Vielzahl verschiedener
Verhaltensweisen des Universums an die Messungen anzupassen.
Mehrere Forschergruppen haben sich mit Problemen des Standardmodells
auseinandergesetzt und
in verschiedenen Bereichen alternative Lösungen
ohne exotische Physik vorgestellt.
Es ist nur eine Frage der Zeit,
bis auch die Mehrzahl der Forscher die Notwendigkeit einer
fundamentalen Anpassung des Standardmodells einsieht.
Um den gedanklichen Zugang zu den oben geschilderten Fragen
zu erleichtern,
sind die besprochenen Probleme vereinfacht wiedergegeben.
Bei der Vorbereitung dieses Textes wurden die unten angegebenen Quellen
und verschiedene Seiten in Wikipedia benutzt.
Die sehr gediegene, umfassende Arbeit von Kroupa (2012)
ist hervorzuheben.
Quellen:
Beyvers, G., Krusch, E. 2007,
"Kleines 1×1 der Relativitätstheorie", ISBN 978-3-8334-6291-7
Bosma, A. 1981, Astronom. Journal, 86, 1791
Dam, L.H., Heinesen, A., Wiltshire, D.L. 2017, Month.
Not. Roy. Astr. Soc., 472, 835
de Boer, K.S. 2017, in Astronomie+Raumfahrt, 54, S.6
Freedman, W. 2017, Nature Astronomy, 1.10169
Geffert, M. 2017, in Astronomie+Raumfahrt, 54, S.16
Guerster, M., Walter, U. 2017, PLos ONE, 10.1371/journal.pone.0187798
Guth, A. H., Tye, S.-H. H. 1980, Physical Review Letters, 44, 631
Hubble, E. 1929, Proc. Nat. Acad. Sciences, 15, p.168-173
Kroupa, P., Famaey, B., de Boer, K.S., et al. 2010, Astron. &
Astrophys. 523, A32
Kroupa, P. 2012, "The dark matter crisis: falsification of the
current standard model of cosmology",
Publ. Astron.
Soc. Australia, 4, p.395-433
Metz, M., Kroupa, P. 2007, Month. Not. Roy. Astron. Soc., 376, 387
Milgrom, M. 1983, Astrophys. Journal, 270, 371
Müller, O., Pawlowski, M., Jerjen, H., Lelli, F.
2018, Science 359, p.534-537
Pawlowski, M.S., Kroupa, P., de Boer, K.S.
2011, Astron. & Astrophys. 532, A118
Pawlowski, M.S., Famaey, B., et al. 2014,
Month. Not. Roy. Astron. Soc., 442, 2362
Perlmutter, S., et al. 1999, Astrophys. Journal, 517, 565
Riess, A.G. et al. 2019, arxiv:1903.07603; auch Riess, A.G., et al., 2016, Astrophys. Journal, 826, 56, 31
Rubin, V. C., Ford, W. K. Jr. 1970, Astrphys. Journal, 159, 379
Sanders. R.H. 2003, Month. Not. Roy. Astr. Soc. 342, 901
Steinmetz, M. 2019, Physik Journal (DPG), 18, 16
Wiltshire, D.L. 2007, "Exact Solution to the Averaging Problem in Cosmology". Physical Review Letters, 99, 25
(2019.06.09) erste Version 2018.02.04 kosmoproblem.html