LOGO

PRI (MPIfR) 03/03 (1) Presseinformation 30. März 2003


>> Siehe auch Pressemitteilung über Entdeckung von Molekülen in J1148! <<

Staubige Leuchtfeuer am Anfang des Universums:

Radioastronomen entdecken Sternentstehung in entfernten Quasaren


Dass hell leuchtende supermassive schwarze Löcher im frühen Universum oft umgeben waren von Regionen intensiver Sternentstehung, das konnten neue Beobachtungen mit empfindlichen Radioteleskopen zeigen. Die Wärmestrahlung von Staub aus den entferntesten Quasaren sowie eine kosmische Linse erlauben tiefe Einsichten in das Innenleben der hellsten und frühsten Objekte im Universums.

Die Messung der Wärmestrahlung von zwei der entferntesten Quasare gelang einer deutsch-französisch-amerikanischen Gruppe von Wissenschaftlern mit einem am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie entwickelten hochempfindlichen Wärmesensor. Mit dieser Entdeckung verbessern die Forscher einen von ihnen erst vor einem Jahr aufgestellten Entfernungsrekord, der Staub nun sogar in den dunklen, frühsten Epochen des Universums nachweist. Zudem gelang den Forschern die hochauflösende Radiobeobachtung eines weiteren Quasars, dessen Bild durch eine bislang unidentifizierte Vordergrundgalaxie verstärkt wird und so einen detaillierten Einblick in die Gasverteilung im Zentrum des Quasars erlaubt. "Diese Beobachtungen zusammengenommen belegen eindrücklich, dass in Quasaren neben den supermassiven Schwarzen Löchern auch ungeheure Mengen an Sternen entstanden, und das schon zu einer Zeit als das Universum erst 6 Prozent seines heutigen Alters hatte," resümiert der Bonner Max-Planck Wissenschaftler Frank Bertoldi, der die Beobachtung der Rekord-Quasare leitete.

Quasare sind sehr junge Galaxien, in deren Zentrum grosse Mengen an Materie auf supermassive Schwarze Löcher fallen. Das dabei heiss aufleuchtende Gas macht die Quasare zu den leuchtkräftigsten Objekten im Universum, zu Leuchtfeuern, die es optischen Teleskopen ermöglichen, bis in die weiteste Vergangenheit des Universums zu sehen.

Die Wärmestrahlung von Quasaren interessiert die Astrophysiker weil sie ein starkes Indiz dafür ist, dass hier neben supermassiven schwarzen Löchern auch (super)viele Sterne entstehen. In den Quasaren mit nachweisbarer Wärmestrahlung entstehen vermutlich jedes Jahr einige tausend neue Sterne, ungeheure Mengen verglichen mit der tausend mal niedrigeren Sternentstehungsrate die man in normalen Galaxien wie unserer Milchstrasse beobachtet.

"Erst vor kurzem entdeckte man in den uns nahen Galaxien eine erstaunliche Korrelation zwischen der Masse ihrer zentralen schwarzen Löcher und der Gesamtmasse der diese unmittelbar umgebenden Sterne," erläutert Dr. Pierre Cox vom Institut d'Astrophysique Spatiale der Universität von Paris-Süd. "Vermutlich versorgten sich die schwarzen Löcher und die Sternentstehungsregionen während ihrer Entstehung aus dem gleichen Reservoir grosser Gaswolken, die sich möglicherweise als Folge der Kollision von Galaxien in deren Zentren verdichten. Das zumindest würde eine solche Korrelation erklären."

Abbildung 1:  Der entfernteste bislang bekannte Quasar SDSS J1148+5251 ist in der optischen Aufnahme des Sloan Digital Sky Survey im Bildzentrum als schwacher Punkt zu erkennen. Alle anderen Objekte sind Vordergund-Galaxien, die mit dem Quasar in keiner Beziehung stehen.
Die Konturlinien zeigen die Intensität der Strahlung bei Millimeter-Wellenlängen, wie sie mit dem MAMBO-2 Detektor am IRAM 30 Meter Teleskop gemessen wurde. Deutlich erkennbar ist die starke Emission des Quasars, aber auch die von zwei weiteren Objekten rechts unterhalb und links vom Quasar. Die MAMBO Quellen sind nicht aufgelöst, und somit kleiner als ca. 10 Bogensekunden. (Bildnachweis: Frank Bertoldi, MPIfR Bonn)  (postscript 807k)  (tif 760k)  (jpg 91k)

Einen direkten Beweis dafür, dass die Wärmestrahlung von entfernten Quasaren durch Sternentstehung verursacht wird, gab es bislang aber noch nicht. Dazu verhalf die Natur der Forschergruppe nun mit einem kosmischen Vergrösserungsglas, das einen genaueren Blick auf das Innenleben des entfernten Quasars PSS J2322 erlaubt.

In einem am 3. April im amerikanischen Wissenschaftsmagazin Science erscheinenden Artikel berichten sie von detailgenauen Aufnahmen der Verteilung der Staub- und Molekülstrahlung des Quasars PSS J2322. Dessen Bild wird durch den kollimierenden Effekt der Gravitation einer zufällig auf der Sichtlinie liegenden Galaxie verstärkt und verzerrt. Aus der resultierenden Ringform des Radiobildes lässt sich ableiten, dass die staubigen Molekülwolken in einer weit ausgedehnten Region um das Schwarzes Loch herum verteilt sind (Abb.2). Somit sehen sich Dr. Bertoldi und seine Kollegen nun bestätigt: "Dieser Glücksfall eines durch eine Gravitationslinse verstärkten Quasars untermauert endlich unsere Vermutung, dass in den staubigen Molekülwolken der Quasare mit hohen Raten Sterne entstehen. Denn die Leuchtkraft der Wolken ist so gross, die kann bei so einem grossen Abstand zum Schwarzen Loch nicht mehr durch dieses verursacht werden."

Abbildung 2:  Illustration der möglichen Struktur eines Quasars der von einer sternformenden, einige tausend Lichtjahre grossen Gasscheibe umgeben ist. Der helle Quasar, der durch Einfall von Materie auf einen supermassives schwarzes Loch gespeist wird, sitzt im Zentrum. (Bildnachweis: Geraint Lewis, University of Sydney NRAO/AUI/NSF) (800x600pix) (3200x2400pix)

Erst die bündelnde Gravitationskraft einer bislang noch unidentifizierten Vordergrundgalaxie erlaubte es den Forschern im Fall des Quasars PSS J2322 die relative Position des Schwarzen Lochs und der Gaswolken zu bestimmen. Befände sich das Gas sehr nahe am Schwarzen Loch, so wäre die beobachtete Strahlung des warmen Staubs oder der Kohlenmonoxyd (CO) Moleküle ähnlich verteilt wie die optisch sichtbare Strahlung des kompakten Quasars: zwei punktförmige Objekte in einem Abstand von ca. 2 Bogensekunden, was nicht mehr als einem tausendstel des scheinbaren Monddurchmessers entspricht. Jedoch verteilt sich die Staub- und CO-Strahlung durch die Lichtbrechung im Gravitationsfeld der Vordergrundgalaxie auf einen runden sogenannten Einstein-Ring. Aus der Größe und der relativen Position des Rings und des optischen Doppel-Quasar lernen die Astronomen, dass das staubige Gas auf eine ausgedehnte und wahrscheinlich abgeflachte Scheibe mit einem Durchmesser von ca. 12.000 Lichjahren verteilt sein muss. Hingege ist das schwarze Loch mit seinem umgebenden heiss leuchtenden Gas auf eine Region von wenigen Lichttagen konzentriert.

Abbildung 3:  Das VLA Radiobild des Quasars PSS J2322 zeigt eine runde, fragmentierte Verteilung der CO Strahlung. (Bildnachweis: Chris Carilli, NRAO)  (postscript 1008k)   (jpg 111k)   (tif 591k)

"Solch starke Gravitationslinsen sind äusserst selten," meint Chris Carilli vom National Radio Astronomical Observatory, der die hochauflösenden Beobachtungen des Einstein-Rings am Very Large Array in der Wüste Neu-Mexikos durchführte. "Wir vermuteten schon nach den ersten Bolometer-Messungen am IRAM 30m Teleskop, in denen das Objekt ungewöhnlich hell schien, eine Graviationslinse vor diesem Quasar. Dass aber die Linse fast genau vor dem Quasar sitzt, und somit die Strahlung in einen schönen Einstein-Ring auffächert, übertraf unsere Erwartungen."

Albert Einstein erkannte die Möglichkeit von ringförmigen Bildern einer perfekt ausgerichteten Gravitationslinse im Jahre 1936, glaubte jedoch, die Chancen für so eine Konstellation seien unwahrscheinlich klein. Die erste Gravitationslinse wurde in Jahre 1979 entdeckt, der erste Einstein-Ring 1987. PSS J2322 ist der entfernteste bekannte Einstein-Ring, und der erste durch Molekülemission nachgewiesene.

Die Entdeckung des Einstein-Rings und von Staubemission der entferntesten Quasare ist die Krönung einer mehrjährigen Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Forschern aus Bonn, Frankreich und den USA. Systematisch hatte die Gruppe in den letzten vier Jahren mit der MAMBO Kamera am IRAM 30-m Teleskop ca. 150 Quasare auf Wärmestrahlung untersucht. (Viele dieser Quasare wurden vorab unter anderen von X. Fan und M. Strauss von der Princeton Universität, und von G. Djorgovski des California Institute of Technology in optischen Himmelskratierungen entdeckt.)

Von ungefähr jedem dritten der beobachteten Quasare konnte thermische Strahlung registriert werden, und die hellsten dieser wurden dann mit hochauflösenden Interferometer-Radioteleskopen wie dem IRAM Plateau de Bure Interferometer in den französischen Alpen, oder dem Very Large Array in Neu-Mexiko nachbeobachtet. Bei einigen Quasaren konnte dabei CO Molekülstrahlung nachgewiesen werden, was ein wichtiges Indiz darstellt für die Existenz grosser Massen von dichtem Gas. Dessen Existenz wiederum legt die Vermutung nahe, dass hier viele Sterne entstehen, die das umgebende Gas und den Staub aufheizen.

Da die Winkelauflösung der Interferometer nicht ausreicht die Grösse der Emissionsregionen zu messen, konnte bislang auch nicht ausgeschlossen werden, ob die Strahlung der Schwarzen Löcher für die Gasaufheizung verantwortlich ist und somit zwar staubige Molekülwolken existieren, dort aber nicht notwendigerweise Sterne entstehen. Die Beobachtung des Einstein-Rings um PSS J2322 zeigt nun jedoch klar die Ausdehnung der Region der Staub- und Molekülemission, und dass daher das Schwarze Loch für die Gasheizung hier nicht verantwortlich sein kann.

"Dass solch gewaltige Mengen an Staub und schweren Elementen schon so früh nach dem Urknall in den ersten uns sichtbaren Galaxien existieren, das hätte vor 10 Jahren niemand vermutet," erinnert sich Dr. Bertoldi. "Die schweren Atome, aus denen der Staub und das CO-Gas bestehen, wurden durch Kernreaktionen im Inneren von Sternen erzeugt. In der ursprünglichen kosmischen Materie gab es nur Wasserstoff, Helium, und ein wenig Lithium, aber weder Sauerstoff noch Kohlenstoff. Es scheint, dass die ersten massereichen Sterne am Ende ihres kurzen Lebens durch Explosionen oder durch starke Winde viele schwere Atome in das umliegende Gas mischten. Somit gab es gleich nach einigen hundert Millionen Jahren dort ähnliche Anreicherungen von CO und Staub wie wir sie heute, 13,6 Milliarden Jahre später, im interstellaren Gas benachbarter Galaxien finden."

Ob die starke Staubemission des Rekordquasars J1148 auch durch eine Gravitatinslinse verstärkt wird, das wird sich erst in geplanten Beobachtungen mit dem VLA oder dem Plateau de Bure Interferometern herausstellen. Einige Indizien aus den optischen Spektren der amerikanischen Forscher deuten darauf hin. Ein weiterer Einstein-Ring wird jedoch nicht erwartet, denn das optische Bild zeigt nur ein einzelnes kompaktes Objekt.

Zum Team der Quasarforscher gehören: Dr. Frank Bertoldi vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, Dr. Pierre Cox und Alexandre Beelen vom Institute d'Astrophysique Spatial der Universität von Paris in Orsay, Prof. Alain Omont vom Institut d'Astropysique de Paris, Dr. Chris Carilli vom National Radio Astronomy Observatory in Socorro, USA, Prof. Michael Strauss von der Princeton Universität, Prof. Xiaohui Fan von der Universität von Arizona, USA, Prof. George Djorgovski und Ashish Mahabal vom California Institute of Technology, USA, Prof. Geraint Lewis von der Universität von Sydney, Australien, und Dr. Robert Zylka vom IRAM in Grenoble, Frankreich.

[ELN]

Die Forschungsergebnisse werden in zwei Artikeln vorgestellt:

Detailinformation zu den drei Quasaren
Name Rotverschiebung z Entfernung
SDSS J1148+5251 6,4 12,8 Mia. Lichtjahre
SDSS J1048+4637 6,2 12,7 Mia. Lichtjahre
PSS J2322+1944 4,1 12,1 Mia. Lichtjahre

Anmerkungen:
  • SDSS J1148+5251 ist der bislang entfernteste bekannte Quasar, SDSS J1048+4637 der dritt-weiteste. Beide wurden von X. Fan (Universität von Arizona, USA), M. Strauss (Princeton Universität, USA) und Mitarbeitern im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey, einer tiefen, optischen Himmelskartierung, vor kurzem entdeckt. Die Entdeckung wurde im Januar publiziert. PSS J2322+1944 wurde von G. Djorgovski (Caltech, USA) im Rahmen des Palomar Digital Sky Survey entdeckt.
  • Die Quasarnamen bestehen aus einen Hinweis auf die Himmelsdurchmusterung durch die sie entdeckt wurden, SDSS = Sloan Digital Sky Survey, PSS = Palomar Sky Survey, sowie die Koordinaten am Himmel, z.B. 11 Stunden und 48 Minuten, +52 Grad und 51 Bogenminuten im Äquatoralsystem entspricht J1148+5251.
  • 1 Lichtjahr = 9.5 Billionen km
  • Die Entfernungen gehen aus von einem Alter des Universums von 13.65 Mia. Jahren.
  • Der Rotverschiebungsfaktor z beschreibt die Energie- oder Farbverschiebung des Lichts verursacht durch die Ausdehnung des Universums. Ein Lichtquant das mit einer bestimmten Wellenlänge vom Quasar ausgesendet wurde, kommt heute bei uns mit einer Wellenlänge die um einen Faktor (1+z) grösser ist an.

Die Messungen des Einstein Rings wurden bei Zentimeter-Wellenlänge mit dem Very Large Array in Neu-Mexico, USA, durchgeführt. Die Messungen bei Millimeter-Wellenlängen wurden mit dem IRAM 30-m Teleskop auf dem Pico Veleta bei Granada in Spanien durchgeführt (Abb. 4). Der an diesem Teleskop benutzte äusserst empfindliche Bolometer-Detektor (MAMBO-2, Abb. 5) wurde am Max-Planck-Institut für Radioastronomie von Dr. Ernst Kreysa und seiner Gruppe entwickelt und gebaut. Das Institut für Radioastronomie bei Millimeterwellenlängen (IRAM) wird gemeinsam von der Max-Planck-Gesellschaft, dem französischen Centre National de Recherche Scientifique und dem spanischen Instituto Geografico Nacional mit Hauptquartier in Grenoble betrieben.

Abbildung 4:   Das IRAM 30-m Radioteleskop in der spanischen Sierra Nevada, nahe Granada. Hier ist der MAMBO-2 Empfänger installiert, mit dem die Messung der Staubstrahlung gelang.   Abbildung 5:   Max-Planck-Millimeter-Bolometer (MAMBO-2) 117-Element Empfänger. Der Durchmesser des hexagonalen Hornarrays beträgt ca. 8 cm. Bolometer sind extrem empfindliche Sensoren für Wärmestrahlung, die durch das Teleskop gebündelt, durch die dünnen Hörner auf winzigen, auf 0,3 Grad Kelvin gekühlte Sensoren fällt.

Nachgefragt:

Was sind Quasare? Sehr junge Galaxien mit einem sehr aktiven Kern. Die große Strahlungsintensität geht wahrscheinlich von einem supermassivem schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie aus, das eine Masse von über einer Milliarden Sonnen haben kann. Die Materie die auf ein schwarzes Loch fällt erhitzt sich stark und sendet dabei die Strahlung aus. Sie wurden bislang nur in sehr großer Entfernung entdeckt. Im heutigen Universum scheint es fast keine Quasare mehr zu geben. Weitere Informationen in Englisch.

Informationen im Internet: Weitere Auskünfte:

Dr. Frank Bertoldi
Telefon: (0228)  525-377  oder  (0179)  8567872 
Fax: (0228)  525-229 
e-mail: bertoldi@mpifr-bonn.mpg.de

Dr. Norbert Junkes (MPIfR  public outreach)
Telefon: (0228)   525-399  oder  000-000  
Fax: (02257)  301-105
e-mail: njunkes@mpifr-bonn.mpg.de

English version English version