Weshalb ist die Leuchtkraft L der Hauptreihensterne etwa proportional zur Masse3?

K. S. de Boer, Sternwarte, Univ. Bonn

Als Hertzsprung und Russell sich Anfang des 20. Jh. mit den absoluten visuellen Helligkeiten der Sterne beschäftigten, wurde klar, dass die Sterne der Hauptreihe zum Blauen hin sehr viel heller sind als zum Roten. Als dann auch das Plancksche Strahlungsgesetz auf Sterne angewendet wurde, stellte man fest, dass die Hauptreihensterne Leuchtkräfte L haben, die von der Masse M abhängen, etwa wie L = M3. Das "etwa" bezieht sich insbesondere auf den Exponenten. Heute weiss man, dass es eine Proportionalität gibt die von L=M2 bis L=M4 reicht. Weshalb ist das so?

Die schnelle Antwort auf die eben gestellte Frage ist, dass die Sterne links und oben auf der Hauptreihe massereicher sind als die rechts unten. Aber mehr Masse führt nicht notwendigerweise zu mehr Leuchtkraft, und umgekehrt geht eine höhere Leuchtkraft nicht gleich auf mehr Masse zurück. So werden sich Sterne wie die Sonne zu Roten Riesen entwickeln, haben dann eine sehr viel größere Leuchtkraft, aber noch immer die gleiche Masse. Hier soll die Logik der Relation der Hauptreihensterne dargestellt werden.

Die klassische Unmöglichkeit der Kernfusion in der Sonne

Die Leuchtkraft eines Sterns ist proportional zum Produkt von Oberfläche und Leuchtkraft einer Einheitsfläche: L = 4πR2 σT4. Dies beschreibt die Leuchtkraft aber nur mit Parametern der Sternoberfläche.

Die Leuchtkraft L eines Sterns wird letztendlich bestimmt durch die Energieerzeugung im Sterninneren. Im Hauptreihenstadium wird im Inneren des Sterns über Fusionsprozesse Wasserstoff (H) zu Helium (He). Die Endsumme der dabei auftretenden verschiedenen Fusionsschritte kann gegeben werden durch

4H --> He + 2ν + 26 MeV.
Neben dem He werden also 26 MegaElektronVolt an Energie und auch 2 Neutrinos ν freigesetzt (für eine Darstellung aller Reaktionsschritte siehe "Die PP-Kette"). Die Energie diffundiert durch die Sterngasschichten und tritt als Strahlung an der Oberfläche aus.

Um von H zu He zu kommen, müssen im ersten Schritt der Fusionskette zwei Protonen veschmelzen (daher die PP-Kette). Die Verschmelzung erfolgt aber nicht einfach so, da Protonen positiv geladen sind und sie sich um so stärker gegenseitig abstossen je näher sie zueinander kommen.

Eine einfache Berechnung zeigt, dass Protonen nur dann in der Lage sind, die gegenseitige Coulomb-Potentialbarriere mit Energie EP zu überwinden, wenn sie eine sehr große gegenseitige Geschwindigkeit haben. Die notwendige kinetische Energie (mv2/2= E =3kT/2) wäre nur bei sehr hohen Temperaturen erreichbar. Eine andere, etwas weniger einfache Berechnung zeigt, dass im Sonneninneren die Temperatur etwa 10-20 Million Grad ist und damit ein Faktor von mehr als 100 zu niedrig für das Auftreten von Proton-Proton-Fusion! Woher kommt dann die Leuchtkraft der Sonne und der anderen Hauptreihensterne?

Weshalb gibt es doch Fusion?

Es gibt drei physikalische Aspekte, die das Problem der Unmöglichkeit der Kernfusion im Sterninneren lösen. Es sind
a. Die Coulomb-Potentialbarriere ist nicht scharf.
b. Quantenmechanisch sind Prozesse auch dann möglich wenn sie es klassisch nicht sind.
c. Temperatur ist nicht einfach gleich kinetische Energie.
Jeder dieser Aspekte braucht eine Erläuterung.

a. Die Form der Potentialbarriere

Die Coulomb-Potentialbarriere liegt bei der Energie EP. Wenn aber zwei Teilchen sich nähern, steigt die abstossende Wirkung, und zwar wie 1/r2 mit der Entfernung r, also je näher desto größer. Es ist klar, dass nur Teilchen mit wirklich hoher Energie sich wirklich sehr nahe kommen können.

b. Wahrscheinlichkeit laut Quantenmechanik

Die Quantenmechanik zeigt, dass auch unwahrscheinliche Prozesse noch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftreten. Dies trifft auch auf das Verschmelzen von Protonen, also die Kernfusion, zu. Die Protonen verschmelzen nicht wirklich, sondern die starke Interaktion bewirkt eine Transformation eines der Protonen in ein Neutron, das beim Proton bleibt. Also P + P --> D, mit D = Deuterium.

c. Temperatur und Verteilungsfunktion der kinetischen Energie

In einem Gas mit Temperatur T haben nicht alle Teilchen die gleiche kinetische Energie E=3kT/2=mv2/2. Es gibt in jedem Gas langsamere und auch schnellere Teilchen. Im Mittel ist die kinetische Energie eines Teilchens durch die Formel gegeben, aber die Energie der individuellen Teilchen ist breit gestreut und zwar wie die Glockenfunktion (oder auch Gauss-Funktion). Dies bedeutet, dass es immer auch Teilchen gibt mit einer Energie, die sehr viel größer als die des Mittelwerts ist. So gibt es auch Teilchen, die eine größere Energie haben als die Potentialbarriere der PP-Fusion. Diese Teilchen können deswegen doch zur Fusion kommen. Von solchen gibt es im Inneren des Sterns allerdings nur ganz wenige!

Resultat für das Auftreten der Fusion

Die oberen drei Erkenntnisse kann man kombinieren. Die Quantenmechanik und die Form der Potentialbarriere kann man zu einer in Richtung größerer Energie ansteigenden e-Funktion kombinieren. Die Geschwindigkeitsverteilung wird auch von einer e-Funktion beschrieben, die (natürlicherweise) in Richtung größerer Energie abnimmt.

Diese beiden Funktionen überlappen sich im Bereich der Energie der Potentialbarriere geringfügig (siehe Bild unten) und ihr Produkt ist eine Funktion mit einem Maximum in der Nähe von EP. Dieses Maximum wird nach Gamow benannt, der diese Effekte als erster untersucht hat.

Grafische Darstellung der für die Kernfusionsrate relevanten Funktionen.

Links die Verteilungsfunktion der kinetischen Energie der Teilchen (Ekin).
Rechts die Coulomb-Potentialbarriere.
Mitte: Das Produkt beider Funktionen liefert die Fusionsrate.
Im Überlappbereich hat das Produkt einen von null unterschiedlichen Wert. Das Maximum der Produktfunktion ist das sogenannte "Gamow-Maximum". Die Gamow-Kurven sind allerdings stark erhöht dargestellt.

Die gestrichelte Kurve für Ekin ist für eine nur 10% höhere Temperatur als die volle Kurve. Dieser Temperaturunterschied liefert eine nahezu zweimal so hohe Fusionsrate, wie aus der Höhe der dazu gehörenden Maxima der Gamow-Kurven ersichtlich ist.

Temperaturabhängigkeit der Fusionsrate

Die Menge der erzeugten Energie wird bestimmt durch das Wechselspiel (den Überlapp) der zwei beschriebenen Funktionen. Hat man nun geringfügig höhere Temperaturen, dann verschiebt sich die Geschwindigkeitsverteilung zu etwas größerer Energie (siehe Bild oben) und der Überlapp der beiden Funktionen ist deutlich größer. Die Menge der in Fusion endenden Begegnungen der Protonen nimmt dementsprechend zu. Dies erklärt, dass bei nur geringfügig höherer innerer Temperatur die Energieerzeugungsrate kräftig zunimmt.

Deshalb L etwa wie M3

Die gegebene Argumentation macht klar, dass die Fusionsrate stark von der Temperatur des Gases abhängt. Und ein Stern mit mehr Masse hat mehr Gravitationswirkung, das Innere ist etwas kompakter und hat einen höheren Druck. Damit sind sowohl T als auch die Dichte ρ größer. Mit höherer T ist die kinetische Energie der schnellsten Teilchen auch größer und mit größerer ρ ist die Wahrscheinlichkeit, bald ein anderes Teilchen zu treffen, ebenfalls größer. Dies alles bedeutet, dass mit ein wenig mehr Masse die Leuchtkraft eines Hauptreihensterns sehr deutlich größer sein muss.

In Sternen der unteren Hauptreihe findet nur die Fusion von H zu He über die oben erwähnte PP-Kette statt. In massereicheren Sternen, die heisser im Inneren sind, tritt auch eine andere, schnellere Fusionsreaktion von H zu He auf, die über die Atome von vorhandenem Kohlenstoff als Katalysator läuft. Dieser Reaktionsprozess ist viel ergiebiger, so dass auch deswegen die massereicheren Sterne überproportional mehr an Energie produzieren. Und schliesslich ist im Inneren der massereichsten Sterne (von denen es allerdings nur ganz wenige gibt) die Temperatur derart hoch, dass zusätzlich sogar He zu C fusioniert. Auch dieser Prozess ist sehr ergiebig.

Alles zusammen macht daher klar, dass L mit einer Potenz der Masse korreliert, ein Exponent von im Mittel 3. Aus anderen Überlegungen folgt, dass dieser Exponent kleiner als 3 ist bei Sternen der unteren Hauptreihe, größer als 3 bei Sternen der oberen Hauptreihe. Eine davon ist, dass die Fusion nicht nur im Zentrum, sondern in einem größeren Bereich des Sterninneren stattfindet, Bereiche in der die Temperatur nicht überall gleich ist und die daher auf unterschiedliche Art zur Gesamtenergieproduktion beitragen. Eine genaue Argumentation, die zum Wert des Exponenten führt, ist nicht einfach zu geben, da sehr viele verschiedene physikalische Prozesse zusammenspielen.


Veröffentlicht am 2004.11.09   auf   www.astro.uni-bonn.de/~deboer/sterne/lm3.html
Fassung 2004.11.12