Entfernungsbestimmungsmethoden
Die für die Astronomie wichtigen
Entfernungsbestimmungsmethoden werden kurz beschrieben.
Grundlegende Methode:
Parallaktische Entfernungen aus der (halb-)jährlichen Parallaxe
(siehe den Text zur
Parallaxe). Winkelmessung aus Himmelsaufnahmen!
Entfernungen mit Hilfe des HRD:
Das Hertzsprung-Russell-Diagramm
(HRD)
kam zustande, nachdem für ausreichend viele Sterne
parallaktische Entfernungen zusammen getragen waren.
Mit der Entfernung von 10 pc als Referenzentfernung
konnten Sterne unterschiedlichen Typs verglichen werden.
Die visuelle Helligkeit in 10 pc ist die
"absolute Helligkeit" MV.
Entfernungsmodul:
mV − MV = 5 log d −5 (d in pc).
Die Systematik des HRD wurde Anfang des 20.Jh. entdeckt.
Zugleich erkannte man,
dass Absorptionslinien von leuchtkräftigen Sternen
(insbesondere die Roten Riesen) scharf sind,
die von weniger leuchtkräftigen Sternen (wie Hauptreihensterne) breit
(bei Weissen Zwergen sind sie sogar sehr breit).
Die Verbreiterung ist ein Maß für die Dichte der
Sternatmosphäre
(Linienverbreiterung durch häufige Stösse der Atome und Ionen)
und damit für die "Kompaktheit" (Radius) der Sterne.
Ein Stern mit kleinem Radius strahlt i.a. viel weniger als ein Stern mit
großem Radius
(L=4πR2σT4).
So entstand die "Leuchtkraftklasse".
- Spektroskopische Entfernungen:
Scheinbare Helligkeit messen;
Spektrum aufnehmen und in Harvard Sequenz einordnen;
aus Linienbreite Leuchtkraftklasse ableiten.
Damit ist die Lage im HRD definiert
und kann MV abgelesen werden.
Es soll auch für die Extinktion korrigiert werden:
Der Spektraltyp liefert das "Soll (B−V)",
die Differenz zum gemessenen (B−V)
ist der Farbexzess E(B−V).
- Photometrische Entfernungen:
Funktioniert nicht für individuelle Sterne, da die
Leuchtkraftklasse photometrisch schwer bestimmbar ist (wenn überhaupt).
Nur bei Sterngruppen/Haufen!
Photometrie (z.B. U,B,V); Zweifarbendiagramm um die Extinktion zu finden;
das Farbenhelligkeitsdiagramm für Extinktion korrigieren;
dann das Haufen-FHD mit dem geeichten HRD-FHD vergleichen,
da die Differenz zwischen mV des Haufens und
dem geeichten MV gleich Entfernungsmodul ist.
Entfernungen von variablen Sternen:
Viele Variable haben eine
wohl definierte maximale absolute Helligkeit (wie RR Lyr Sterne)
oder eine Periode-Leuchtkraft-Relation (wie Delta Cepheiden).
Die gemessene maximale scheinbare Helligkeit liefert
(nach Extinktionskorrektur) das Entfernungsmodul.
- RR Lyrae:
Relativ alte Sterne. Vorkommen: im Halo (eine sphärische Struktur,
daher beinhaltet der Halo räumlich auch die Scheibe!)
und in (alten) Kugelsternhaufen (der Milchstraße und anderer Galaxien).
Eichung der RR Lyrae aus Entfernungen der Kugelsternhaufen.
MV = +0.6 mag.
-
Delta Cep Sterne:
Junge Sterne.
Vorkommen: nur in der (jungen) Scheibe der Milchstraße
(offene Sternhaufen!) oder in sonstigen jungen Strukturen
(in der Großen und Kleinen Magellanschen Wolke [LMC, SMC],
in anderen Spiralgalaxien).
Eichung der Cepheiden aus Entfernung der offenen Sternhaufen
(mit Hilfe der photometrischen Methode) und mit Hilfe der LMC Cepheiden.
MV = −2 bis −6 mag.
- Entfernungen von Sternagglomeraten,
die RR Lyr oder Cepheiden enthalten, können so bestimmt werden.
Entfernungen von sonstigen hellen Objekten:
Wenn die absolute Helligkeit der Objekte bekannt ist,
liefert die scheinbare Helligkeit (nach Extinktionskorrektur)
das Entfernungsmodul. Beispiele:
-
Zentralstern Planetarischer Nebel (CSPN):
Objekte von 0.6 Sonnenmassen, alle mit (nahezu) gleicher Leuchtkraft
(nicht gleicher MV!).
- Supernovae Typ Ia:
Explodierender Weisser Zwerg von 1.4 Sonnenmassen
(nach Masseübertragung vom Begleitstern).
- Sternagglomerate:
wenn sie CSPN oder SN Typ Ia enthalten, können so Entfernungen
bestimmt werden.
Entfernungen aus der Kinematik in unserer Galaxis:
Sobald die Kinematik der Objekte in einer Galaxie,
z.B. das Rotationsverhalten (siehe auch
Ableitung der Rotationskurve der Galaxis) bekannt ist,
kann aus der Richtung und der Radialgeschwindigkeit eines Objekts
auf seine Lage geschlossen werden.
Für die Milchstraße ist dies innerhalb der Sonnenumlaufbahn
leider zweideutig.
Entfernungen von Galaxien:
- Aus Sternen: Mit RR Lyr, Delta Cepheiden, CSPN, SN Typ Ia (siehe oben!)
Voraussetzung: man kann die Sterne
räumlich auflösen, erkennen, messen!
Welche Sterne reichen weshalb bis in welcher Entfernung?
- Aus mV einer Spiralgalaxie mit Hilfe
der Tully-Fischer-Methode:
Die maximale Rotationsgeschwindigkeit
(aus H I 21-cm Spektren; die Breite
der Spektrallinie gibt die Amplitude der Rotationsgeschwindigkeit!
allerdings in Abhängigkeit von der unbekannten Inklination der Galaxie)
einer Spiralgalaxie ist korreliert mit ihrer Masse,
die Masse mit ihrer Leuchtkraft und daher mit MV.
Das Entfernungsmodul folgt aus mV mit MV.
(Es ist darauf zu achten, dass bei nicht vernachlässigbarer
Rotverschiebung die hier im V-Band gemessene Helligkeit eine andere ist,
als die des V-Lichts der
Galaxie selber; eine Korrektur ist erforderlich, die Kenntnis über
die spektrale Energieverteilung der Galaxie voraussetzt!)
- Aus mV einer elliptischen Galaxie mit Hilfe
der Faber-Jackson-Methode:
Die maximale Rotationsgeschwindigkeit findet man aus der maximalen
Breite der Absorptionslinien. Dann Korrelation mit der Masse
(wie bei Tully-Fischer).
- Aus der Rotverschiebung und der Hubble-Konstanten.
Es setzt voraus, dass das Expansionsverhalten des Universums
gut bekannt ist.
Wenn Sie in den Nachrichten über die Entdeckung der
"weitest entfernten Galaxie" hören,
so können Sie sicher sein, dass es sich NUR um die Galaxie handelt
mit der bis dato größten gemessenen Rotverschiebung.
Es wurde sicher nicht eine Entfernung gemessen,
sie wurde "nur" aus gemessener Rotverschiebung und
modellabhängiger Hubble-Konstanten berechnet.
Die Methoden zur Bestimmung der Galaxienentfernungen
nach TF und FJ sind noch nicht sehr genau.
Welche der Methoden kann man benutzen, um das Expansionsverhalten des
Universums zu studieren?
Die Genauigkeit aller Methoden hängt von der Genauigkeit
der jeweiligen Messungen sowie der Eichung der Methode ab!
Die Entfernungsleiter ist die Sequenz der eichbaren Objekte und
den dazugehörigen Eichschritten.
Zur Verwendung des Wortes Leiter
und zu anderen merkwürdigen Aussagen siehe
"Oft gehörte aber falsche Aussagen".
K.S. de Boer, 2003.10.10, Immer wieder kleine
Anpassungen. Letzte Fassung 2017.11.27
www.astro.uni-boon.de/~deboer/eida/eida-entfer.html